Cassian saß angekettet in einer Zelle und wartete auf seine Bestrafung. Mit leerem Blick starrte er an die Wand und würdigte mich keines Blickes. Ich saß im Schneidersitz vor der Zelle und war darüber sogar froh. Wir hatten nach der Szene in der Kutsche kein einziges Wort mehr miteinander gewechselt und nach der Unterredung mit dem König war Cassian sofort hier unten im Keller eingesperrt worden. Ich war den Wachen gefolgt und saß seitdem stillschweigend auf dem kalten Boden. Cassian würde erst morgen bestraft werden und so blieb uns nichts anderes übrig, als zu warten. Mir war klar, dass das Warten Teil seiner Strafe war. Die vierundzwanzig Stunden, die er hier verbringen musste, würden sich quälend in die Länge ziehen und immer wieder würde sein Verstand ihm die Schrecklichkeit der zehn Peitschenhiebe vor Augen führen. Das erklärte auch Cassian's augenscheinliche Angespanntheit. Sein Vater war bereits hier gewesen und hatte sich knapp eine Stunde mit seinem Sohn unterhalten, währenddessen hatte ich einen kleinen Spaziergang durch den Kerker gemacht, ein wunderschönes Ambiente. Erst als ich sicher war, dass er wieder weg war, gesellte ich mich erneut zu Cassian. Ich war wirklich nicht sehr erpicht darauf gewesen, seinen Vater kennen zu lernen. Nun waren ingesamt bestimmt schon fünf Stunden vergangen und langsam kam die leichte Abenddämmerung. Ein Wachmann kam vorbei und schob einen Teller mit Essen in Cassian's Zelle, dann ging er wieder. Doch Cassian machte keinerlei Anstalten, etwas zu sich zu nehmen.
„ Du solltest etwas Essen.", brach ich das Schweigen. Meine Stimme klang sachlich, distanziert. Es war eine reine Feststellung.
„ Keinen Hunger, iss du.", kam es zurück, ohne dass er mich auch nur angeblickt hätte.
Schön, er wollte nicht reden und unter normalen Umständen wäre mir das egal gewesen, doch ich hatte Leondra geschworen auf ihn aufzupassen.
„ Ich habe schon Männer gesehen, die weit aus mehr als zehn Peitschenhiebe überstanden haben, du wirst das schaffen.", versuchte ich das Eis zu brechen, doch ich war noch nie gut in diesem Gefühlsscheiß gewesen. Das lag mir einfach nicht.
„ Wie ermutigend.", gab er schnaubend zurück.
„ Ich denke es wird dir nicht helfen, wenn ich dir sage, dass ich die ganze Zeit bei dir sein werde?", fragte ich.
„ Kein Bisschen."
„ Na gut, dann halt eine andere Taktik: Sei ein Mann und steh es durch."
„ Du bist eine erbärmliche Trösterin.", sagte er.
„ Ist mir durchaus bewusst.", gab ich zu, „ Aber weißt du was mir gerade einfällt? Ich habe dir heute das Zweite mal den Arsch gerettet."
Diese Feststellung hob meine Laune augenblicklich.
Cassian stöhnte entnervt, doch so gelang es mir tatsächlich ihn etwas abzulenken.
Wir hatten beide in der Nacht nicht sonderlich viel geschlafen, doch irgendwann hatte ich es tatsächlich geschafft, Cassian zu überreden etwas zu essen und sich wenigstens ein paar Stunden auszuruhen. Nun war die Zeit für seine Bestrafung gekommen und Cassian hatte wieder sein Pokerface aufgesetzt. Gemeinsam schritten wir von Wachen umringt auf eine Art Tribüne, vor der sich eine Menschentraube versammelt hatte.
„ Halte durch", flüsterte ich Cassian noch zu, bevor sich unsere Wege trennten und ich allein Zum Rand schritt, wo sich schon die Mitglieder der Häuser und des Rates versammelt hatten. Für den König war ein imposanter Thron aufgestellt worden. Ich positionierte mich so, dass ich Cassian gut im Blick hatte. Dieser wurde gerade an zwei Holzpflöcken festgemacht, indem man seine Arme mit festen Seilen an ihnen fesselte. Vorher musste er noch sein Shirt ausziehen, sodass er mit nacktem Oberkörper vor dem versammeltem Publikum stand. Sein Blick war stur nach unten gerichtet.
Ein Mann trat vor und verlas die Anklage, dann trat ein anderer Man vor. Er war kräftig gebaut und hielt in seiner rechten Hand eine schwarze Peitsche. Die Menge begann zu tuscheln, doch ich blendete mein Umfeld komplett aus und heftete meinen Blick auf Cassian. Dieser biss schon in Erwartung des ersten Schlages die Zähne zusammen.
Der Man hinter ihm holte aus, die Peitsche flog zischend durch die Luft und landete mit einem vernehmlichen Knall auf Cassian's bloßem Rücken. Ihm entfuhr ein schmerzerfüllter Schrei. Sein Vater, der ebenfalls auf der Tribüne stand wollte schon zu ihm sprinten, wurde jedoch von zwei Wachen daran gehindert. Ich selbst hatte die Hände zu Fäusten geballt, wohlwissend das ich nichts mehr für Cassian tun konnte. Ich war an meine Grenzen gelangt. Schon jetzt musste ich die Einmischung des Himmelreich's befürchten. Trotzdem überlegte ich fieberhaft nach einem Zauber, mit dem ich ihn vor großem Schaden würde schützen können.
Der zweite Hieb fuhr auf ihn nieder, noch stärker als der vorige. Cassian gab sich große Mühe nicht aufzuschreien, doch ein gequälter Laut entfloh im trotzdem. Wieder versuchte sein Vater zu ihm zu gelangen.
Der nächste Hieb.
Cassian's gesamter Körper zitterte.
Und noch einer.
Es war grausam.
Der fünfte Hieb traf ihn und entriss ihm einen erneuten Aufschrei. Er krümmte sich.
Ein weiterer folgte und Cassian sackte in sich zusammen.
Ohne Gnade schlug der Man hinter ihm weiter auf ihn ein und in Gedanken zählte ich mit.
Sieben.
Acht.
Wieder schrie er auf vor Schmerz. Ein teil der Menge johlte, der andere war über die wüste Bestrafung empört.
Neun.
Meine Fingernägel bohrten sich in meine Handfläche und schnitten in das empfindliche Fleisch.
Zehn.
Es war geschafft.
Cassians Körper hing schlaff in den Seilen. Zwei Wachen traten vor und lösten rücksichtslos die Seile. Ich sprintete vor und war gerade noch rechtzeitig da, um Cassian's erschlafften Körper aufzufangen, bevor dieser auf der Tribüne zusammenbrach. Dabei achtete ich besonders darauf, keine seiner Verletzungen zu berühren. Wieder traten die Wachen vor und machten Anstalten ihm unter die Arme zu greifen, um ihn weg zu transportieren.
Gereizt fauchte ich sie an.
„ Seid ja vorsichtig, sonst zieh ich euch bei lebendigem Leib die Haut von den Knochen."
Die beiden erblassten und waren danach aber penibel darauf bedacht, ihm keinen weiteren Schaden zuzufügen.
Entgegen meiner Erwartungen, wurde er nicht in ein Zimmer gebracht, wo er sich erholen konnte, sondern direkt zu einer Kutsche.
„ Was soll das?", fauchte ich.
„ Wir sollen ihm auf Befehl des Königs sofort zu einer Kutsche bringen, die zum Anwesen seines Vaters bringt. Hier wird er keine medizinische Behandlung erhalten."
Mit diesen Worten verfrachteten sie ihn in die Kutsche. Zu gerne hätte ich den beiden das Herz aus der Brust gerissen, doch ein Schmerzenslaut von Cassian machte mir bewusst, dass ich Prioritäten setzten musste. Fluchend folgte ich ihm in die Kutsche und brachte seinen geschundenen Körper in eine angenehmere Position. Er lag nun seitlich auf einer der Kutschenbänke, den Kopf in meinem Schoß. Die Tür schloss sich und wir fuhren los.
Ich strich ihm die Haare aus seiner schweißnassen Stirn und betrachtete seine Wunden. Es waren hässliche rote, wunde Striemen, die allesamt bluteten. Wieder fluchte ich und streichelte ihm weiter durch die Haare.
„ Wir sind bald da, halte durch."

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Satans Tochter
FantasíaWas hatte mein Vater sich bei der ganze Sache nur gedacht? Ich hätte wohl mehr Erfolg gehabt bei der Aufgabe ein pinkes Einhorn mit grünen Punkten zu finden, als einen Nachfolger für meinen Vater. Ich war gerade mal eine Stunde auf der Erde und wün...