Kapitel 4

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Dave's Sicht

Röchelnd schnappte ich nach Luft.
Ich musste mich kurz orientieren als ich wieder auf tauchte und paddelte verzweifelt zu Emily. Ängstlich sah sie mich an. Mittlerweile stürmte es richtig.
Mit der linken Hand bekam ich wieder die Schnur des Rettungsbootes zu fassen, mit der anderen nestelte ich an der Schwimmweste herum. An dem Wrackteil, an das ich mich klammerte, war so etwas wie eine Öse oder ein Haken. An diesen knotete ich die Schnur der Trillerpfeife von meiner Schwimmweste, damit ich nicht vom Wrackteil gespült wurde.
Den Rucksack nahm ich auf den Rücken.

Emily war in ihrem Boot besser von den Wellen geschützt. Es kam auch Wasser hinein, aber das Boot blieb stabil und wurde nicht so wie ich von den Wellen herum geschleudert. Wenigstens das beruhigte mich etwas.

Eine nächste, rießen Welle rollte auf uns zu. Ich holte tief Luft, sah noch mal im Emily's, entsetz, geweiteten aber wunderschönen Augen und wurde abermals unter Wasser gedrückt.
Als ich prustend wieder an die Oberfläche kam waren die Wellen so hoch, dass ich zuerst das orangene Rettungsboot nicht sehen konnte. Dann entdeckte ich es in weiter Ferne und hörte noch Emily's Stimme, die vom Wind zu mir getragen wurde. "Neiiiiin, DAVE!!!"
Das war das letzte, das ich hörte und sah.

Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, sah zu, dass ich irgendwie an der stürmischen Oberfläche blieb und klammerte mich wie ein Rettungsanker an das Wrackteil unter mir.

*
Langsam drangen Geräusche von außen wieder in meinen Kopf. Ich schlug die Augen auf und wollte atmen, aber nur Wasser füllte meinen Mund. Hustend und spuckend riss ich meinen Kopf hoch und atmete Luft ein.
Ich sah alles nur verschwommen, dann schärfte sich mein Blick. Meine Hände waren in seichtem Wasser, zwischen den Fingern spürte ich Sand. Moment, SAND!?
Stöhnend rappelte ich mich auf zog mich an dem Sand vorwärts, bis ich nicht mehr in dem seichten Wasser lag. Mein Mund fühlte sich rau und geschwollen an, meine Glieder schmerzten und mein Kopf pochte. Wie lange war ich bewusstlos?! Wo war ich überhaupt!? Was war passiert!? Ich hob meinen Kopf, der sich schwer wie Blei anfühlte und starrte entsetzt auf das ganze Grün vor mir.
Mit einem Schlag kamen die Erinnerungen zurück. Unser Flugzeug ist abgestürzt. Emily war noch alleine auf dem Meer. Ich bin hier gestrandet. Alleine.
Mit einem riesen Dschungel im Rücken. Er erhob sich höchstens 30 Meter von mir entfernt. Rechts und links von mir erstreckte sich der lange Sandstrand. Etwas weiter weg konnte ich ein paar Felsen und eine Klippe erkennen.

Ich drehte mich um und sah auf das weite, nun stille Meer. Der Sturm musste schon längst nachgelassen haben, denn jetzt stich die Sonne auf meinen Kopf.
Ich fühlte mich schwach und ausgelaugt.
Müde ließ ich mich wieder zurück in den Sand sinken und sah in den klaren, blauen Himmel.

Ich wollte schon die Augen schließen und einfach abwarten, bis mich jemand fand, aber da fiel mir der Rucksack ein. Wozu hatte ich ihn sonst die ganze Zeit so verbissen festgehalten? Ich rappelte mich auf, schwankte leicht und torkelte nach links. Er lag nur in 2 Meter Entfernung.
Erleichtert stürzte ich auf ihn zu und riss ihn auf. Ich hatte so schrecklichen Durst. Wie viel Zeit war seit dem Unglück eigentlich vergangen?
Ein, zwei Tage? Oder waren es bloß Stunden?
Ich wusste es nicht.

In dem Rucksack fand ich ein trockenes Brot, eine Konservendose, eine Öllampe und das beste und kostbarste: eine kleine Flasche Wasser. Mir war es egal, wie alt das Wasser war, mit zittrigen Händen schraubte ich den Verschluss auf und trank gierig ein paar schlucke. Als die Kühle meinen Rachen hinunter lief hätte ich seufzen können. Am liebsten hätte ich alles ausgetrunken, aber ich wusste, dass ich sparsam mit allem umgehen musste, bis ich gefunden wurde. Wann immer das auch sein wird.

Eine Weile sah ich den Palmen über mir zu, wie sie sich in der leichten Brise hin und her bewegten. Was sollte ich jetzt tun? Eigentlich konnte ich nur warten. Mich durchlief ein Schauer, als ich auch nur zu dem Dschungel sah.
Unter keinen Umständen würde ich ihn betreten. Am Strand war ich sicherer.

Ich rutschte in den Schatten der nächsten Palme und lehnte mich an den Stamm. Bevor ich auch nur noch einen Gedanken fassen konnte, musste ich eingeschlafen sein.

Denn als ich wieder aufwachte, ging die Sonne gerade unter. Der Horizont war rot gefärbt und das Meer spiegelte den orangenen Feuerball am Horizont. Es wäre ja ganz hübsch gewesen, aber meine jetzige Situation war mehr als beschissen.
Es war ernst. Ich saß hier alleine fest und hatte keine Ahnung, wann mich ein Rettungshubschrauber oder ein Suchtrupp auf einem Schiff finden würde.

Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen und knurrte. Ich starb fast vor Hunger, aber der Durst war schlimmer. Mein Hals war schon wieder staubtrocken.
Ich stand mühsam auf und holte den Rucksack. Mein Kopf tat immer noch weh und der Durst machte das Kopfweh auch nicht besser.
Ich trank die kleine Flasche leer und riss ein Stück von dem Brot ab.

Ich kniff meine Augen zusammen und scannte den Horizont ab. Kein Schiff war zu sehen.
Wie kam ich bloß in diese Lage? Ich hätte nie gedacht, dass ich alleine auf einer einsamen Insel hocken würde. Die Ungewissheit war aber schlimmer. Emily spukte in meinen Gedanken herum. Was war mit ihr? Es war das Schlimmste nicht zu wissen, ob es ihr gut ging.

Automatisch griff ich an mein Handgelenk. Ein winzig kleines Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und etwas Erleichterung durchflutete mich. Trotz den Wellen und dem Sturm war das silberne Armband noch an meinem Handgelenk. Es sah etwas mitgekommen aus, aber so schön wie eh und je. Das war das einzige, was ich momentan noch von Emily hatte.
Lebte sie überhaupt noch?
Ich wusste irgendwie, dass sie gerettet werden würde und lebte. Ich fühlte es und musste durchhalten.

Ich sah wieder aufs Meer, wie sich die Wellen an der Küste brachen.
Langsam wurde es dunkel. Nur an der Helligkeit des Himmels konnte man ungefähr die Uhrzeit erahnen.
Wie viel Zeit seit dem Flugzeugabsturz vergangen war, wusste ich nicht. Hier hatte man kein Zeitgefühl mehr.

Nach und nach zeigten sich immer mehr Sterne am Himmel. Unwillkürlich musste ich an Fiona und Aiden denken. Was sie wohl gerade machten?
Hoffentlich würde ich sie wieder sehen...ich hatte bis jetzt sowiso schon Glück, dass ich und Emily den Absturzt überlebt hatten. Aber daran durfte ich gar nicht denken. Ich musste optimistisch bleiben.

Ich war so erschöpft, dass ich weg nickte.

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