Kapitel 17

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Emily's Sicht

Die Therapie hatte eindeutig geholfen. Ich war von meinem Alkoholiker Trip weg gekommen und rührte jetzt so gut wie keinen Tropfen Alkohol mehr an, da ich auf keinen Fall einen Rückschlag erleiden wollte. Dafür hatte ich aber auch lange gebraucht. Es hatte fast 6 Monate gedauert, aber jetzt musste ich nicht mehr zu den Sitzungen. Mein Leben war wieder einigermaßen in die Bahn gerückt worden. Und das nach über 2 Jahren. Jetzt griff ich nur noch sehr selten zu Alkohol, meistens nur, wenn ich gerade wirklich unter Druck stand und nicht anders konnte.
Meine Haare trug ich jetzt auch wieder länger und das Lila wuchs heraus, sodass darunter wieder meine blonde Haarfarbe heraus stach.
Zu dem pinken Kleid, dass ich gerade anzog, hätte die frühere Haarfarbe blöd ausgesehen, aber so passten meine blonden Haare super dazu.
Das Kleid war nicht total elegant, aber auch nicht zu einfach. Es ging mir bis zu den Knien und hatte nur einen Träger.
Ich trug noch etwas Puder auf, wellte meine Haare ein kleines bisschen und schrieb Lisa, dass ich fertig wäre.

Die Hausparty, auf die wir gehen wollten, war nur ein paar Straßen entfernt und fing bald an. Lisa wurde von dem Typ, der sie schmiss, eingeladen und sollte jemanden mitbringen, aber trotzdem wollte sie erst nicht hin gehen. Sie meinte, dass eine Party vielleicht keine gute Idee nach meiner Alkoholikerin-Zeit war, weil ich dort sicher wieder in Versuchung geraten würde. Denn seit dem letzten Ausflug in die Disco, wo wir zusammen hin gegangen sind, hatte ich keine Party mehr besucht. Aber ich war mir sicher, dass ich ohne einen Rückfall zu erleiden auf jeden Fall hingehen konnte. Ich wollte nicht wieder so tief sinken, deswegen würde ich es auch nicht.

Lächelnd begrüßten Lisa und ich uns. Wir hatten ausgemacht uns direkt vor dem Haus der Party zu treffen und waren fast gleichzeitig angekommen.
Immer noch etwas skeptisch, ob das mit mir gut gegen würde, betrat Lisa nach mir das Haus.
Die Bässe wummerten und die Musik war so laut, dass man das Gefühl hatte, die Wände würden wackeln. Es war schon ziemlich viel los und stickig, aber das gehörte dazu. Lisa und ich beschlossen zuerst zu tanzen.

Als wir schon etwas k.o waren, begrüßte Lisa den Gastgeber. Er hieß Theo und die zwei kannten sich anscheinend schon länger. Lisa und er diskutierten angeregt über irgendetwas, aber ich konnte über die Musik hinweg nichts verstehen. Also ließ ich gelangweilt meinen Blick über meine Umgebung schweifen. Meine Augen blieben an einem jungen Mann hängen, der etwa in meinem Alter sein musste und zu mir herüber sah. Er hatte mich mit seinen blauen Augen fixiert und so weit ich das durch das Dämmerlicht sehen konnte, waren seine Haare blond. Ich sah starr zurück, während er mich musterte.
Eigentlich wollte ich auch gerade den Rest seines Körpers abscannen, aber da rüttelte mich Lisa an der Schulter.
"Komm, Theo stellt uns ein paar Bekannte von ihm vor."
Unwillig wollte ich ihnen gerade nach gehen, als ich überrascht beobachtete, wie Theo auf den blonden Mann zusteuerte. Er saß alleine auf dem Sofa und schlug in Theos Hand ein, als er diese ihm zum abklatschen hin hielt. Meine Füße bewegten sich automatisch zu ihnen rüber und ich konnte gerade noch hören wie Theo Lisa vor stellte. Dann legte er seine Hand auf meine Schulter und schob mich näher zu dem Typ auf dem Sofa zu. "...und das ist Emily"
Seine blauen Augen musterten mich interessiert, aber fast sofort verglich ich sie mit denen von Dave. Dave's waren eindeutig viel leuchtender und intensiver blau.
"Ich bin Jakob." Stellte der Typ sich vor, lächelte leicht und streckte mir seine Hand entgegen. Ich schüttelte seine Hand und nickte ihm zu. Währendessen führte Theo meine beste Freundin schon wieder weiter und stellte ihr jemand anderes vor.
Ich wollte ihnen schon nach trotten, aber überlegte es mir dann aber anders. Ich hatte jetzt eigentlich keine Lust hunderte neue Bekanntschaften zu schließen.
Nur ein paar Sekunden später klopfte Jakob neben sich aufs Sofa und fragte: "Willst du dich nicht neben mich setzten?"
Ich nickte nach kurzem Überlegen und setzte mich. Jakob schien sympathisch zu sein und lieber plauderte ich mit ihm, als Theo nach zu laufen.
Jakob fing ein Gespräch an, indem er mich fragte, woher ich Theo kannte und ich darauf antwortete, dass ich ihn eigentlich vor heute Abend noch nie gesehen hatte.

Später stellte ich fest, dass man mit Jakob wirklich super reden konnte und er echt nett war. Auch wenn man mit Dave noch besser reden konnte. Leider hieß es aber KONNTE. Ich war froh jemanden zum reden zu haben und irgendwann fragte Jakob mich, ob er mich auf ein Drink einladen dürfte.
"Nein danke, ich trinke nicht" antwortete ich und beäugte Jokobs Arm, der ganz leicht meine Schulter berührte.
Freundlich lächelte er mich an und fragte mich einfach weiter, was ich so in meiner Freizeit machte.

Als ich dann nach längerer Zeit auf meine Uhr sah, riss es mich fast vom Hocker. Ich war bereits seit 5 Stunden da! Die Zeit verging wie im Flug....
Einige waren schon gegangen, aber obwohl die Nacht bald vorbei sein würde, waren noch viele Leute da. Kurz darauf kam Lisa zu mir gestöckelt. Wissend sah sie zwischen Jakob und mir hin und her und meinte dann, dass sie jetzt gehen würde, ich aber ruhig noch bleiben konnte.
Ich schüttelte den Kopf und stand auf. Mittlerweile war ich schon müde und von der lauten Musik bekam ich langsam Kopfschmerzen.
"Ich würde euch ja anbieten euch zu fahren, aber vor ein paar Stunden hatte ich einen Drink, lieber nicht." meinte Jakob entschuldigend und stand auch auf.
Ich winkte ab. "Nicht schlimm, ich wohne in der Nähe und Lisa wollte sowiso ein Taxi nehmen."
"Wie, du läufst heim, um die Uhrzeit?" fragte Jakob und bot sofort an, mich zu begleiten. Ich meinte, dass er nicht mit kommen musste, aber er ließ sich nicht davon abbringen, worüber ich insgeheim auch froh war. So spät als Frau draußen noch herum zu kaufen, war vielleicht wirklich nicht so vorteilhaft.
Also umarmte ich Lisa, bevor sie zu ihrem Taxi ging.
"Läuft da was zwischen euch?" flüsterte sie grinsend in mein Ohr, weil Jakob nicht weit entfernt auf mich wartete.
"Keine Ahnung. Er ist nett" raunte ich nur leise zurück und zuckte mit den Schultern. Jakob hatte während dem Verlauf des Abends schon ein paar eindeutige Signale ausgesannt, dass er mich mochte und ich mochte ihn auch total, aber mittlerweile konnte ich mir noch nicht ganz vorstellen, etwas neues anzufangen. Es fühlte sich einfach falsch an. Falsch Dave gegenüber.
Ich liebte ihn trotzdem noch.
Das mit Jakob ließ ich jetzt erst mal auf mich zu kommen.

Dave's Sicht

Die letzte Woche war eine einzige Qual. Mir ging es beschissen und die meiste Zeit lag ich zusammen gerollt in der Höhle. Mein Fieber war noch einmal angestiegen und ich konnte nichts anderes tun, als versuchen zu schlafen und die Schmerzen auszublenden. Hinzu kam ein ekliger Husten und Schnupfen. Mein Kopf dröhnte und auf meiner Fleischwunde hatte sich Eiter gebildet. So hatte ich mich einmal zu dem Bach im Dschungel schleppen müssen, um nicht zu verdursten. Den Weg dorthin hatte ich mir die Tage davor eingeprägt und zusätzlich noch mit Fetzen meiner Hose markiert. Diese reichte mir jetzt nur noch bis über die Oberschenkel, aber die meiste Zeit war es hier eh schwül.
Nur auch jetzt, eine Woche später, war mir mehr kalt als warm. Das Fieber war zum Glück mittlerweile fast ganz runter gegangen, aber ich war immer noch enorm geschwächt.
Der Eiter, der durch die Entzündung meiner Fleischwunde entstanden war, ist mittlerweile aufgeplatzt.
Und das, obwohl ich sie ausgebrannt hatte und eine zeitlang auch gut aussah, bis ich sie mir wieder aufgerissen hatte. Vermutlich waren Bakterien hinein gelangt.
Mir war klar, dass sowas auch nicht ungefährlich war und schnell zu eine Blutvergiftung führen konnte, vorallem auch weil ich Fieber bekommen hatte. Falls es aber so weit kommen sollte, konnte ich aber sowiso nichts dagegen tun. Ich war hier auf mich alleine gestellt.

Nicht nur mein Körper machte mir gerade Probleme, sondern auch meine Psyche. Ich hatte das Gefühl langsam verrückt zu werden. Wurde ich vermutlich auch. Die Nächte verbrachte ich weiterhin schlaflos, was nicht nur an meinem schlechten Gesundheitszustand lag.
Manchmal sah ich Geister. Ich bildete mir ein in z.B den Wolken Aiden oder Fiona zu sehen und sprach immer öfters mit mir selbst. Es kam schon mehrmals vor, dass ich mir auch zwischen den Farnen einbildet Emily gesehen zu haben. Dann rief ich ihren Namen und manchmal brach ich in Tränen aus. Einmal hätte ich mich sogar fast wieder im Dschungel verlaufen, als ich Emily nach rannte und dann merkte, dass sie gar nicht da war.
Immer wenn ich sie jetzt irgendwo zu sehen glaubte, drehte ich ihr silbernes Armband an meinem Handgelenk, was mich in die Wirklichkeit zurück holte.
Es war noch das einzige, was ich von ihr hatte. Meine frühere Zeit mit ihr in der Stadt und unter Leuten kam mir immer mehr wie ein Traum vor. Ich war hier nun schon so lange Gestrandet, dass ich mich immer mehr in mich selbst zurück zog und ziemlich schnell hysterisch wurde. Ab und zu gab es auch die altbekannten Phasen, wo mir alles egal war. Dann war mein einziger Hoffnungsschimmer das Armband von meiner Verlobten, dass in der Sonne glitzerte und mir Trost spendete.

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