Kapitel 7

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Emily's Sicht

Der Hubschrauber hatte mich zum Flughafen in San Diego gebracht.
Es waren mittlerweile 2 Tage vergangen, seit ich vom Meer aufgelesen wurde. Sie suchten immer noch nach Überlebenden, aber es war hoffnungslos. So sah es auch mit der Suche nach Dave aus. Ich stand permanent unter Anspannung und musste die Tränen unterdrücken. Momentan übernachtete ich in einem kleinen Hotel neben dem Flughafen.
Es hieß, dass ich den Flug zum Flughafen in San Francisco, wo Dave und ich unsere Reise gestartet hatten und wohnten, bezahlt bekommen würde, aber ich wollte hier bleiben. Bis sie Dave gefunden haben würden.
"Wir werden sie unverzüglich benachrichtigen, wenn wir jemanden finden" hatte man mir gesagt. Aber ich würde ohne Dave hier nicht weg gehen.
Dave....
Meine Augen brannten und kurz darauf flossen die Tränen auch schon wieder.
Ich hatte schon mit meinen Eltern telefoniert und sie waren überglücklich, dass es mir gut ging. Natürlich hatten sie in den Nachrichten von dem Absturz gehört. So wie auch Dave's Familie. Ich wollte sie nicht benachrichtigen. Aber irgendjemand musste ihnen sagen, dass nicht klar war ob er noch lebte oder was mit ihm war. Gott sei dank hatten die Behörden das übernommen. Ich hätte es niemals geschafft ihnen diese schlimme Nachricht zu überbringen.
Auch jetzt, hier in dem kleinen Kaffe gegenüber von meinem Hotel, liefen die Nachrichten. Mein Herz raste, als ich an den Absturz zurück dachte. So etwas schlimmes hatte ich noch nie erlebt und würde ich nie vergessen. Dank Dave aber, konnte ich es in dem Moment irgendwie durchstehen. Weil wir zusammen waren. Jetzt ist er weg. Ich konnte ihn nicht einmal mehr küssen. Ich hätte irgendetwas unternehmen sollen. Stattdessen war er jetzt weg. Vielleicht für immer.

Ich unterdrückte ein schluchzen und vergrub mein Gesicht in den Händen.
"Ist alles ok Miss?" riss der freundliche Kellner des Kaffees mich aus meinen Gedanken.
"Ja..." schniefte ich und wischte mir verstohlen über die Wange.
Mitfühlend sah er mich an. "Wollen sie noch einen Kaffe? Der geht aufs Haus"
Ich brachte ein gequältes Lächeln zustande und nickte. "Danke..." nuschelte ich und putzte mir die Nase.
Aber es brachte sowiso nichts, denn als ich neben mir ein Pärchen Händchenhaltend vorbei gehen sah, brachen die Tränen abermals aus mir heraus.

Dave's Sicht

Ich blieb an irgendeiner Ranke oder Wurzel hängen und fiehl mit dem Gesicht voran in den Matsch. Frustriert schrie ich wütend auf und ballte meine Hände zu Fäusten. Ich war schon seit über einer Stunde in diesem verfluchten Regenwald (oder was es auch war), unterwegs.
Das tropische Klima trieb mir Schweißperlen auf die Stirn, mein Fuß fühlte sich an, als würde ein Stein in die Haut stechen und um mich herum erklangen ständig merkwürdige Tiergeräusche. Ich zuckte schon ängstlich zusammen, wenn es hinter mir nur raschelte. Aber wer weiß was sich hier für Tiere herum trieben.
Sollten sie mich doch fressen!!!!

Ich hatte gerade mächtig Lust etwas zu zerfetzen.
Während ich tiefer in den Dschungel hinein gelaufen war, hatte ich versucht immer gerade aus zu gehen, wobei gehen ein gutes Stichwort war. Überall waren riesige Pflanzen um mich herum. Über mir sah ich nicht einmal den Himmel. Ständig lief man gegen irgendwelche Lianen und auf dem Boden säumten sich nur so tropische Pflanzen. Ich schloss meine Augen und wollte schon nicht mehr aufstehen, da fiel mir wieder das Armband ein. Ich öffnete wieder meine Augen und sah das Silber an meinem Handgelenk glänzen. Mit feuchten Augen betrachtete ich es.
Emily fehlte mir so.
Und sie würde mich auslachen, wenn sie mich so hier liegen sehen würde. Ich war niemand, der aufgab.
Ich rappelte mich wieder hoch und kroch und stolperte halb vorwärts.
Kurz vor dem verdursten.
Kurz vor dem verhungern.
Kurz vor dem durchdrehen.
Aber ich lief weiter.

Mücken stachen mich ins Gesicht, aber ich merkte es gar nicht. In meinen Gedanken war nur noch eins: Wasser.
Irgendwo musste hier doch etwas zu finden sein.
Ich quälte mich weiter, mit dem Blick auf den Boden. Man musste höllisch aufpassen überhaupt durch den Dschungel zu kommen und ich befürchtete an jeder Pflanze eine Schlange, ein Tiger oder andere gefährliche Tiere.
Langsam wurde es schon dunkel und der Urwald noch düsterer.
Heute würde ich sowiso nichts mehr erreichen.

Ich wusste nicht, wo ich mich schlafen legen sollte, fand dann aber einen kleinen Unterschlupf zwischen den Wurzeln eines hohen Baumes. Die Baumkrone war nicht mal zu sehen.
So wie ich war, setzte ich mich auf den Boden und lauschte den Geräuschen des Dschungels.
Ich machte mich so klein wie möglich und versuchte zu schlafen, aber ich konnte es nicht. Egal wie k.o ich war, ich fand keine Ruhe. Die schwärze der Nacht schien mich zu erdrücken und mir den Atem zu nehmen.
Hier waren wilde Tiere und eigentlich konnte ich es mir nicht leisten, zu schlafen.
Wenigstens gönnte ich mir etwas Licht und schaltete die Öllampe ein. Ohne etwas Licht würde ich noch verrückt werden.

Lange starrte ich noch auf die kleine, helle Flamme und musste irgendwann doch noch vor Erschöpfung eingeschlafen sein.

Das erste was ich sah, als ich aufwachte, war ein orangener Orang Utan. Sofort war ich hellwach und rutschte ein paar Meter nach hinten und stand hektisch auf.
Mein erster Instinkt war abhauen, aber der Orang Utan war total friedlich. Er saß ein paar Meter entfernt von mir auf einem niedrigen Baum. Neidisch und sehnsüchtig starrte ich auf die Banane, die er aß.
Seufzend wand ich mich ab, behielt ihn aber noch im Auge.
Ich griff nach der Öllampe und versuchte sie an zu schalten. Nichts passierte.
Seufzend ließ ich die leere Lampe auf den Boden zurück fallen. Wie konnte ich nur so nachlässig sein und sie vergessen aus zumachen!!!??
Ärgerlich auf mich selbst schlug ich mich weiter durch das Dickicht. Immerhin hatte ich beim Laufen nicht mehr das Gefühl, dass eine Messerspitze in meine Fußsohle gerammt wurde.
Die Wunde von dem Seeigel hatte sich zum Glück auch nicht entzündet.

Trotzdem irrte ich nach einer Stunde immer noch sinnlos mitten in dem Dschungel herum.
Was hatte das alles überhaupt noch für einen Sinn? Ich wollte nicht mehr. Ich konnte sterben.
Aber das durfte ich Emily nicht antun. Ich wusste, dass Emily nicht tot ist. Ich wusste es einfach.

Also ging ich weiter. Und weiter. Und weiter.

Mein Kopf war schon wie benebelt und ich hatte das Gefühl vor Erschöpfung gleich zusammen zu klappen da merkte ich an meinen Fußsohlen, wie der Humus artige Boden feuchter wurde.
Ich schöpfte etwas Hoffnung und entdeckte wirklich Trinkwasser, mitten zwischen Lianen und Farnen. Es war ein kleiner See mitten im Urwald, mit einem Flusslauf, der im Dickicht verschwand.
Erst dachte ich, ich würde träumen, aber als ich auf die glitzernde Oberfläche zu stürzte und mein Gesicht unter Wasser hielt, fühlte es sich wie im Himmel an.

Ich trank riesige Schlucke und nahm gierig das Wasser in mir auf. Es war viel zu lange her, seit ich etwas getrunken hatte. Mir war es auch völlig egal, dass das Wasser nicht am saubersten war und eine grüne Schicht auf dem See schwamm.
Ich wusch mein Gesicht und spitzte etwas Wasser in meinen Nacken.
Dann trank ich noch weitere Schlucke und wollte gerade wieder aufstehen, da sah ich, wie sich die Wasseroberfläche kräuselte. Wie erstarrt saß ich am Wasserrand und sah entsetzt zu, wie sich gelbe Augen aus dem Wasser erhoben und auf mich zu schwammen.

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