Tell me

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Nachdem sie uns, unter Protest und heftigem Wehren, wieder auf unsere Zimmer geschleift haben, haben die Jungs sich zu ihrer Geprägten ins Zimmer gesetzt. Woher ich das weiß ? Sie haben sich vorher abgesprochen. Jace ist, nachdem er mich auf mein Zimmer gebracht hat, allerdings nochmal verschwunden. Ich schweife mit meinen Gedanken wieder zu meiner Schwester. Wenn sie tatsächlich noch lebt, dann kann ich es nicht erwarten sie wieder zu sehen. Hat sie sich verändert ? Und wenn ja vom Charakter her oder eher vom Aussehen. Es ist egal. Ich würde sie immer lieben. Egal mit welcher Frisur und Haarfarbe. Egal ob mit oder ohne Schminke. Egal ob in Jogginghose oder Kleid. Es wäre mir alles egal. Aber ich habe sie so lange vermisst. Zu lange. Ich hab sie einfach zu lange vermisst. Auch als sie noch gelebt hat. Ich bin mir sicher auch wenn sie ausgezogen ist, hat sie verhältnismäßig viel Zeit mit mir verbracht, aber es hätte nie genug sein können. Ich fühlte mich trotzdem vernachlässigt. Es hätte niemals gereicht. Wie soll man auch genug von jemandem haben, den man mehr liebte als sich selbst. Auch wenn das bei mir wahrscheinlich weniger bedeutet als bei anderen. Ich hab mein eigenes Leben noch nie für so wichtig genommen wie ein anderes. Für meine Schwester wäre ich gestorben. Hunderte Male. Sie bedeutet mir mehr als das ich es in Worte fassen könnte. Wenn auch sonst alles dunkel ist, sie leuchtet. Sie leitet mich. Durch die Dunkelheit. Gegen den Wind. Auch abseits der Norm. Und das würde auch immer so bleiben. Das hab ich mir geschworen. Denn auch wenn meine Schwester manchmal nicht bei mir sein konnte oder so wie jetzt gar nicht mehr, war und ist sie immer diejenige, die mir den Weg weist. Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als die Tür aufgeht. Jace kommt rein. Er hat zwei Tassen in den Händen. Der Geruch schlägt mir sofort in die Nase. Früchtetee. Er setzt sich auf den Stuhl, mir und dem Bett auf dem ich sitze gegenüber, hin und reicht mir wortlos eine Tasse. Ich bedankte mich mit einem Nicken bei ihm. Sein Blick ruhte auf meinem. Wir beide sehen uns in die Augen. Ich nippte noch ein paar mal an meinem Getränk, genau wie er, bis ich es zur Seite stellte. Auch er stellte seine Tasse weg. Er legte den Kopf leicht schräg und biss sich auf die Unterlippe. Er mustert mich. Dann sieht er mir wieder in die Augen. In seinem Blick liegt so viel. Mitgefühl, Besorgnis und Verständnis. Er wollte mich verstehen. Er wollte mir helfen, Da bin ich mir sicher. Und das könnte er auch, wenn ich ihn lassen würde. Aber.. aber ich kann nicht. Ich hab meine Mauer nicht so hoch gezogen um sie vor ihm wieder fallen zu lassen. Das kann ich einfach nicht. Was ist wenn er sich dann nur darüber lustig macht. Vielleicht kann er meine Gedanken und Gefühle gar nicht nachvollziehen. Vielleicht aber doch. Wer weiß. Er kann dir helfen. Oder er wird dich damit verletzen, dass er dieses Wissen über dich besitzt. Vertrau ihm. Vertrau ihm nicht. In Gedanken ging ich jede Erinnerung noch einmal durch. An meine Eltern. An ihren Tod. An meine Schwester. An ihren Tod. An mein altes Leben. An meinen Beinahe-Tod. An die Gründe für meine Mauer jedem anderen gegenüber. An meine Lügen über alles was auch nur im Entferntesten meine Familie betraf. Wenn ich ihm all das sage, wird er es entweder verstehen oder mich dafür verachten. Ich kann das alles nicht mehr. Ich ziehe meine Beine an meine Körper und schlinge die Arme darum. Ich senke den Kopf und versuche die Tränen zurück zu halten, was mir kläglich misslingt. Ich breche in hemmungsloses Schluchzen aus. Ich kann es nicht länger zurück halten. Jace hat sich zu mir gesetzt und die Arme um mich gelegt. Er zieht mich auf seinen Schoß und flüstert mir beruhigend ins Haar. Auch ich schlinge meine Arme um ihn. So sitzen wir da. Bestimmt 30 Minuten lang. Bis die Tränen schlussendlich versiegen und ich mich beruhige. Wir lösen uns von einander, auch wenn ich wünschte wir hätten es nicht getan. Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitzschlag, er weiß doch alles. Er hat zugehört, in meinen Gedanken. Seine goldenen Augen blickten fest in meine silbernen. ,,Du weißt alles, oder ? Du hast das alles mitgekriegt, in meinen Gedanken. Dann muss ich ja nicht mehr entscheiden, ob ich es dir erzähle oder nicht. Ich hab es ja schon." stellte ich fest. Er nickt nur ohne den Blick von mir zu wenden. ,,Wenn du darüber reden möchtest, dann komm zu mir. Ich helfe dir oder ich will es zumindest versuchen. Ich kann dich verstehen. Ich weiß was du durchmachst. Und ich werde dich damit ganz sicher nicht verletzen" sagte er zu mir. Es war so viel, was er mir damit gab. Das Gefühl das man mir zuhört und mich versteht. Das ich nicht jedem egal bin und das ich jemandem etwas bedeute. Ich glaubte ihm. ,,Danke" brachte ich nur hervor und musste die Tränen unterdrücken was mir mal wieder nicht vollständig gelang. Er strich sie mir aus dem Gesicht. Er zieht mich wieder zu sich ,,Hör auf zu weinen" raunte er mir ins Ohr. Er bedeutet mir jetzt schon so viel. Mehr als er vielleicht sollte.. ,,Ich bin müde" sagte ich nur. Er nickte. ,,Dann gehe ich mal" meinte er. ,,Bitte bleib bei mir sonst kann ich nicht schlafen" gab ich kleinlaut von mir. Wieder nickte er und zog sich bis auf die Unterwäsche aus sprich bis auf die Boxershorts. Dieser verdammte Sixpack. Ich tat es ihm gleich und zog mich auch bis auf die Unterwäsche aus. Ich bemerkte erst dann, das ich mich gerade in Unterwäsche in ein Bett neben einen extrem gutaussehenden, fremden Jungen der ebenfalls nur Unterwäsche anhat legen wollte. Wow, du bist so ein Genie Linda. Naja eigentlich schade ich ja auch immer alleine. Ich werde rot und versuchte es zu überspielen. Bin wohl doch nicht so mutig. Seinem Grinsen nach zu urteilen hat das aber nicht sonderlich geklappt. Ich legte mich neben ihn und kuschelte mich an ihn. Ich konnte es einfach nicht unterdrücken, ich wollte es nicht. Er anscheinend auch, denn er zog mich schmunzelnd noch näher an sich und flüsterte: ,,Gute Nacht". Eine gefühlte Ewigkeit lagen wir nun schon so da. Es war warm, gemütlich und irgendwie fühlte ich mich wohl dabei ihm so nahe zu sein. Ich war kurz vor dem Einschlafen als er anfing zu reden. ,,Aber ich habe trotzdem eine Frage.. Warum wärst du beinahe gestorben ?" Mein Herz fing an zu rasen und mein Puls schoss in die Höhe. Ich reagierte nicht. Ich tat so als würde ich schlafen. Als hätte ich das nicht mehr mitgekriegt. Warum bin ich beinahe gestorben ? Weil ich.. weil.. Ich kann es ihm einfach nicht sagen.

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