Bruchteil einer Sekunde

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Jemand rüttelte an meiner Schulter und er sollte jetzt dringend damit aufhören, wenn er nicht eins grausamen Todes sterben will. ,,Linda". Nochmals rüttelt er an meiner Schulter. ,,Linda, ich weiß, dass du wach bist" fügte er hinzu. ,,Wenn das nicht wirklich wichtig ist, dann fang schon mal an zu beten" meine Stimme sollte böse und drohend klingen, jedoch war der Ton meiner Stimme ungefähr so furchteinflößend, wie ein wütend piepsender Hamster. Jetzt lachte er mich auch noch aus. Verärgert schlug ich die Augen auf und fand sein Gesicht ungefähr zwei Zentimeter vor meinem vor. Ich schloss die Augen wieder und kuschelte mich wieder in die Decke. ,,Ach komm schon, steh auf" flüsterte er und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich öffnete langsam ein Auge und sah ihn genervt an. ,,Es ist mitten in der Nacht, komm mir morgen früh, nein besser morgen Mittag damit, dass ich austehen soll" sagte ich und vergrub mein Gesicht wieder im Kissen. ,,Also erstens ist es in einer halben Stunde Mitternacht, weswegen du dich jetzt echt beeilen musst und zweitens sind wir ja auch schon nachmittags schlafen gegangen, also komm" Widerwillig ließ ich mich von Jace aus dem Bett ziehen. ,,Wenn sich das jetzt nicht lohnt aufgestanden zu sein, werde ich dich bis in die Ewigkeit hassen" gab ich mürrisch von mir und ging ins Bad, um mir die Haare zu bürsten. Ich machte mir einen hohen Zopf und ging, gähnend, zurück ins Zimmer. Dort angekommen streckte Jace mir seine Hand bereits entgegen und ich ergriff sie breit grinsend. Dieser Gesichtsausdruck von ihm, so strahlend, so voller Vorfreude und Spannung, könnte nur etwas Gutes bedeuten. Er zog mich hinter sich her durch die Akademie. Ab und zu warf er einen Blick über die Schulter und ein mildes Lächeln umspielt seine Lippen. Durch gefühlt tausende von Gängen, rannten wir, bevor wir in einem gemütlich eingerichteten Raum zum Stehen kamen. Die Wände wurden von weinroten Tapeten, welche kunstvoll mit goldenen Ästen,  die einen Baum bildeten, bedeckt. ,,Die Tapeten sind wirklich wunderschön" sagte ich zu Jace, welcher nickte. ,,Sie sind auch sehr alt und mit teurem Blattgold und geweihtem Silber verziert, wenn denen irgendwas passieren würde, würde Leiterin Serena aus dem Londoner Institut den jenigen zu zehn Extrastunden im Bereich dämonische Sprachen verdonnern". Ich lachte leise. Er guckt mich grinsend an: ,,Ich meine es ernst, für diese Tapeten würde sie töten". Hier drin befanden sich mehrere Sessel und Sofas, sowie einige Bücherregale, ein Glastisch und jede Menge Deko, in Form von Gemälden, Zimmerpflanzen und kleinen, aus Holz geschnitzten, Figuren. Jace schloss die Tür leise hinter uns, ging daraufhin an mir vorbei und lief auf eines der Bücherregale zu. Er wanderte mit seiner Hand über die verschiedenen Buchrücken, als würde er etwas suchen, verweilte manchmal einige Sekunden über einem, führte aber doch weiter, bei er anscheinend das richtige fand. Er zog es heraus und wischte mit einer Hand den Staub von der Verkleidung, so dass man die grüne Farbe wieder erkennen konnte. Er klappte es beim Laufen auf, um genau zu sein, schlug er die letzte Seite auf und legte es dann auf den Glastisch. Verwirrt warf ich einen Blick auf die aufgeschlagene Seite, erkannte jedoch nur, für mich zusammenhanglose, Zeichen einer fremden Sprache, die definitiv nicht menschlichen Ursprungs war. ,,Was ist das ?" fragte ich, zeigte dabei auf das Buch. Jace folgte meinem Blick, setzte sich auf einen Sessel und nahm dann das Buch in die Hand. Er zeigte auf die Vorderseite, ,,Das meine liebe, naive und ein wenig zurück gebliebene Linda", er setzte einen Professorenblick auf, ,,ist ein Buch". Mit diesen Worten legte er das Buch zurück auf den Tisch und ging erneut zur Wand, kratzte an einigen Stellen die Farbe ab und untersuchte sie dann, als hätte er mich gerade nicht wie ein drei-jähriges Kind, dass fragt was eine Katze ist, behandelt. ,,Also Jace, wenn du mich nur geweckt hast, um dich über mich lustig zu machen, würde ich jetzt gerne wieder schlafen gehen" meine Stimme sollte neutral klingen oder vielleicht sarkastisch, hatte jedoch einen leicht feindseligen Unterton. Er reagierte überhaupt nicht auf meine Worte. ,,Jace ?" wieder einmal keine Reaktion seinerseits. ,,Jace ?" darauf reagierte er mit einem lauten ,,Sssch", welches mich zusammen fahren ließ. ,,Ähm, gehts dir noch gut ?" mein Ton war bereits gereizt. Ich konnte sehen, wie er die Augen verdrehte. ,,Um deine Frage zu meinem Wohlbefinden zu beantworten, ja es geht mir gut und jetzt sei endlich leise" sein leicht genervter Ton verärgerte mich mehr, als mir lieb war. In der Zeit, in der ich meine Mord und Rachepläne vervollständigte, suchte Jace weiter die Wand ab und schließlich entfuhr ihm ein erleichtertes Seufzen. Er zog zuerst vorsichtig an einem Fitzel, sodass sich ein größerer Teil löste, den er anfasste. ,,Ähm, Jace ?" fragte ich zögerlich, meinte er nicht eben noch, dass diese Serena für diese Tapete töten würde ? Er zog weiter daran, mein Unbehagen wuchs. ,,Jace ?" mein Ton war verunsichert, ich hatte herzlich wenig Lust Ärger von der Leiterin des Londoner Instituts zu bekommen. Mit einem Ruck riss er zwei Streifen der so schönen Tapete auf einmal von der Wand. Erschrocken zog ich die Luft ein. Dort wo die Tapete vorher war, ist jetzt eine weiße Wand. Grinsend dreht er sich zu mir um. ,,Ich habe nie behauptet, das ich nicht einen gewissen Gefallen daran finden würde Serena in den Wahnsinn zu treiben". Dieser Typ ist doch verrückt. ,,Ich hab damit nichts zu tun" unschuldig hob ich die Hände. Er nickte nur, nahm sich das Buch und zeichnete mit den Fingern Zeichen aus dem Buch auf die Wand. Erstaunt legte ich den Kopf schief, überall dort, wo seine Finger die Wand berührten, färbte sich die Wand schwarz, als würde er mit Tinte darauf malen. Nachdem er dies beendet hatte, legte er das Buch bei Seite und streckte seine Hand nach mir aus. Lächelnd nahm ich sie und schaute zu ihm hoch, in seine strahlenden Augen. Er beugt sich zu mir runter, flüstert in mein Ohr: ,,Mach die Augen zu". Ich tat, wie mir befohlen und ein Sekunde später hielt er mich mit einem leisen Aufschrei meinerseits in den Armen und als ich für den Bruchteil einer Sekunde die Augen öffne, sehe ich, wie er mit mir auf die Wand zu rennt, auf der die Zeichen begonnen haben zu brennen.

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