Hinter der Fassade

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,,I'm reading through the sunday newspaper, but it's just bad news. I'm looking for a smile on the street, but it's just not yours" fröhlich sang ich den Text unter der Dusche mit und tanzte dazu, es konnte mich ja keiner sehen und die anderen waren in die Stadt gegangen, nach dem wirklich miesen Tag gestern, hatte ich auch keine große Lust ihn zu sehen. ,,I jump into the car, throw the key, but it just won't stop. No it just won't stop. I got a text from my ex, it's official she just broke my heart". Ich stellte das Wasser der Dusche ab. ,,Storm clouds are circling around, but I won't let that shit drag me down". Ich stellte auch die Musik aus, holte tief Luft, um den Refrain ohne Musik zu singen. ,,So I'll be singing, I'll be singing, I'll be singing in the rain. So I'll be singing, I'll be singing, I'll be singing in the rain. I got a song in my heart and I'm bulletproof, there's nothing in this world that gonna kill this mood". Ich trocknete mich ab, föhnte meine Haare und lief in der weinroten Unterwäsche in ,,unser" direkt daran anliegendes Zimmer. Ich summte den Text weiter leise vor mich hin, kaute dabei auf meiner Unterlippe und kramte in dem Schrank nach etwas zum Anziehen. Ich entschied mich schließlich für eine schwarze Jeans und ein einfaches, weißes T-Shirt mit einem V-förmigen Ausschnitt und schmiss beides aufs Bett. ,,Sturmfrei" murmelte ich immer wieder grinsend vor mich hin, schloss den Schrank und drehte mich um, um meine Sachen vom Bett zu nehmen. Ich zuckte zusammen und sprang sofort nach hinten, knallte dabei gegen den Schrank, als ich ihn sah. Denn genau vor mir stand Jace in Jeans und Shirt. Doch nicht so sturmfrei. Er musterte mich kurz, blieb unverschämt lange an der Unterwäsche hängen. Ich funkelte ihn zuerst nur böse an, verschränkte dann die Arme vor der Brust, um irgendwas zu verdecken und räusperte mich lautstark. Sein Blick wanderte wieder in mein Gesicht und er legte fragend den Kopf schief. Ich verdrehte bloß die Augen und ging auf das Bett zu, nahm die Sachen herunter und zog sie so schnell wie möglich an, wobei er mich genauestens beobachtete. ,,Ist was ?" fragte ich misstrauisch, da er noch immer nichts gesagt hatte. Er schüttelte bloß stumm den Kopf. Für mich persönlich sah er aus, als hätte er ein schlechtes Gewissen, aber warum ? Was hat er angestellt ? Vielleicht ist es wegen gestern oder er hat heute irgendwas verbrochen.. Vielleicht ist das gar nicht wegen mir. Irgendwas muss ja sein. Er schloss die Zimmertür, die, wie mir bis eben noch nicht aufgefallen, einen Spalt weit aufstand, ließ die Jalousien runter, blickte mich auffordernd an und steuerte dann das Bett an, von dem ich mich bereits wieder entfernt hatte, um eine Wolldecke vom Stuhl vor dem Fenster zu nehmen. Zögernd ging ich auf den viel zu ruhigen Jace zu, setzte mich vorsichtig auf die Bettkante und schaute ihn, stumm auf der Unterlippe kauend, an. Er war ganz an die Wand rangerutscht und sah mich einfach nur an. Es ist nicht so, als hätte er mir dabei geholfen zu versuchen zu verstehen, was er fühlte, denn er legte keinerlei Emotion in seinen Blick, jedoch fühlte ich, dass irgendwas nicht in Ordnung war, er traurig ist. Es zerbrach mir das Herz, den sonst so frechen, immer grinsenden und sarkastischen Jace so ruhig und seltsam verletzt zu sehen. Und so wenig ich doch sehen konnte, was in ihm vorging, umso mehr konnte ich sehen, dass er nicht darüber reden will und das akzeptiere ich, denn das will ich eigentlich nie. Wie viel man aus einem einzigen Blick lernen kann oder viel eher interpretieren, denn du kannst nicht wissen, was er wirklich fühlt, solange du ihn nicht besser kennst, als dich selbst oder sonst jemanden, denn dich selbst kennt ein anderer besser, als du es tust. Das macht eigentlich auch eine gute Beziehung aus, die kleinen Dinge über den anderen zu wissen. Was er mag, was er nicht mag, was er macht, was für Angewohnheiten er hat, welche Wünsche, welche Ängste. Du kannst jemanden noch so lange anschauen, aber ihn wirklich sehen tust du erst, wenn du ihn wirklich beobachtest, jede, noch so kleine Bewegung bei jeder noch so unwichtig erscheinenden Handlung, die er tätigt. Jemanden wirklich zu kennen, zu sehen, bedeutet nicht, die Fassade nieder zu reißen, sondern dahinter zu klettern, sie mit ihm aufrecht zu erhalten. Doch jeder kann dir den Blick hinter seine Fassade verwehren, jeder entscheidet für sich selbst, wem er seine Geschichte erleben lässt, denn deine Geschichte kannst du niemandem erzählen, du kannst sie ihm nur zeigen. Er kann sie nicht hören, er kann sie nur erleben. Die Person, der du das alles anvertrauen möchtest, solltest du dir aussuchen und dabei mehr als nur wählerisch sein. Jeder wird diese eine Person finden und meine sitzt direkt vor mir, ich hab ihn gefunden. Ich klettere ganz aufs Bett, lehne mich zögerlich mit dem Rücken an seine Brust, habe Angst, dass er mich in seiner Stimmung abweist. Er zieht mich zuerst weiter aufs Bett und an ihn ran, breitet dann die Decke über uns aus und schlingt seine Arme um mich, drückt mich fest an sich, versteckt sein Gesicht in meinen langen silbernen Locken. Ich könnte jetzt einfach so weinen und ich weiß nicht wieso. Mit einem Arm umklammerte er noch immer mein Taille, die andere hielt ich bereits angespannt fest, verängstigt von der Vorstellung sie jemals wieder loszulassen. ,,Du hast schön gesungen" flüsterte er in mein Ohr, ich hörte das Lächeln heraus. Ich wurde rot und war froh, dass er das nicht sehen konnte. ,,Aber in deinen Gedanken hören" kam es prompt in meinem Kopf. Innerlich schlug ich mir dafür gegen die Stirn und er lachte leise darüber. Das sind meine Gedanken, spuk in einem anderen Kopf herum. Ich schloss meine Augen, kuschelte mich an seine Brust und lächelte gegen seinen trainierten Oberkörper. ,,Meins" dachte ich nur besitzergreifend und strich zufrieden lächelnd darüber. Wieder lachte er und wieder wurde ich rot. Er gab mir einen kurzen Kuss auf die Haare und lehnte sich dann zurück. ,,Übrigens steht weinrot dir sehr gut" lachte er leise und rau in die Dunkelheit hinein.

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