Mondlichter

11. - Trübsal blasen angesagt

~ Das Leben ist wie eine Pusteblume;
wenn die Zeit gekommen ist, muss
jeder für sich alleine fliegen. ~

»Was? Was ist mit wessen Seele? Moment! Warst du das gestern Abend an meinem Schreibtisch?«, keifte ich. Eigentlich sollte mich das nicht verwundern und doch tat es das. Über Seelen hatten wir des öfteren im Unterricht unseres magischen Hauslehrers gesprochen. Das Einzige, an das ich mich erinnerte, war Seelenspaltung, da ich damals noch sehr klein war. Jetzt, wo vier vermeintliche Halbdämonen vor mir standen, erschien es mir als das einzig Logische.

»So gerne ich gestern bei dir gewesen wäre, bedauerlicherweise muss ich verneinen.« Sein hinterlistiges Grinsen ließ mich andere Schlüsse ziehen.

»Was ist bloß dein Ziel?«, fragte ich mich eher selbst mit zusammengekniffenen Augen. Misstrauisch beäugte ich alle nacheinander.

»Das wirst du schon noch früh genug erfahren. Spätestens in ...« Er tippte sich ans Kinn und schien zu überlegen. »Sagen wir mal heute Abend.« Damit war klar, dass ich den Abend nicht alleine verbringen würde. Unruhig verlagerte ich das Gewicht, hoffentlich war Mio heute Abend da. »Du musst dich wohl etwas in Geduld üben.« Sein Lächeln wurde eine Spur freundlicher, nicht mehr so arrogant und frech. Plötzlich konnte ich ihn mir als einfachen Bekannten vorstellen, wenn nicht sogar als einen guten Freund. Warum auch immer mir gerade dieser Quatsch in den Sinn kam.

»Sieht wohl so aus«, erwiderte ich nicht mehr ganz so angriffslustig. »Auch wenn mir das gar nicht passt.« Diesmal entkam ich seinen Fängen und verzog mich in eine abgelegene Ecke. Dort hing ich in Ruhe meinen Gedanken nach.
Auch wenn ich mit Nighe auf seltsame Art und Weise herumgeblödelt hatte, so war er doch ein Fremder. Und dazu noch einer, der einfach nichts Gutes im Schilde führen konnte. Im Nachhinein würde ich mich am liebsten selbst gegen die Wand klatschen, dafür, dass ich mich auf ein verlängertes Gespräch mit ihm eingelassen hatte.

»Mila? Hier bist du also! Ich hab dich überall gesucht, Schwesterchen!« Verwirrt blickte ich auf und traute meinen Augen kaum. Vertraute Schokoaugen musterten mich besorgt. Das konnte doch nicht wahr sein!

»Was machst du denn hier? Solltest nicht erst in drei Wochen zurückkommen?« Den vorwurfsvollen Ton hatte ich nicht beabsichtigt. Silas' linker Mundwinkel zuckte nach unten, was das zuvor strahlende Lächeln in eine Grimasse verwandelte.

»Die Nachricht, dass Annie die Auserwählte ist, ist bereits bis nach Amerika durchgedrungen. Als ich davon gehört habe, habe ich sofort an dich gedacht. Und da es an dieser Schule sowieso langweilig war, konnte ich das Ganze frühzeitig abbrechen.« Mein Bruder war kein ganzes Jahr älter als ich und war trotzdem viel reifer. In vielen Situationen benahm ich mich wie eine Vierjährige. Silas trat einige Schritte zurück, entfernte sich von mir. Wollte er trotz seiner Worte Abstand zu mir wahren?

»Du siehst ja nicht sonderlich begeistert aus.« Welch eine geniale Feststellung. Gerade so konnte ich mich vom sarkastischen Applaus abhalten. Das hier war mein Bruder, nicht Nighe oder sonst wer!

»Ich bin nur überrascht. Natürlich freue ich mich doch nach über einem halben Jahr wiederzusehen!« Lächelnd schmiegte ich mich in seine Umarmung. Dass meine beiden Brüder zur gleichen Zeit zu Hause waren, kam immer seltener vor.

***

Zuhause saßen wir alle vereint am Tisch und aßen zu Abend. Ich konnte mein Glück immer noch nicht fassen, selbst als ich mit Silas nach Hause gegangen war. Dort hatte Mio ihn direkt für eine Besprechung in Beschlag genommen. Sein ernster Seitenblick auf mich war mir nicht entgangen.

»Mila? Kannst du mir mal das Rührei geben?« Ein schelmisches Grinsen formte sich auf meinen Lippen.

»Klar kann ich das. Die Frage ist nur, ob ich es auch tue.« Genüsslich aß ich einfach weiter, Silas' frechen Blick ignorierend.