~ Jede dunkle Nacht hat ein helles Ende. ~
"Mawu, jetzt komm! Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit!", rief sie durch die Klappe zurück, bevor sie sich zu uns umwandte. "Oh, ihr seid ja wach."
"Wer ist wach?", ertönte eine brummige Stimme, während sich eine weitere Elfe durch die Klappe zwängte. Sie war um einiges kräftiger als Indis und defenitiv männlich.
"Also Mawu! Die Mädchen, wegen denen wir gekommen sind! Entschuldigt ihn, ihr Lieben! Er ist nicht immer ganz so motiviert", klärte sie uns auf und kam freudestrahlend auf uns zu. "Huch, was ist denn mit deinen Flügeln passiert?"
"Keine Ahnung, aber das ist jetzt auch nicht wichtig. Ist das Mawu?", fragte ich neugierig. Ich wollte unbedingt wissen wie das Wesen aussah, vor dem Nighe sich fürchtete.
"Ja, der bin ich! Stolzer Wächter über das Höllenarchiv", prahlte er. Kein Wunder, dass Nighe ihn nicht mochte. Er fand ihn bestimmt zu eingebildet, dabei war dieses kleine Kerlchen doch ganz knuffig. Die grauen Haare waren zerzaust, die Kleidung zerknautscht und mit der kleinen Brille auf der Nase sah er aus, wie ein Professor.
"Jaja, Mawu, aber wir müssen los! Wir sind leider nicht stark genug, um den Schlüssel ins Schloss zu stecken und die Tür zu öffnen, also müsst ihr das übernehmen", erklärte Indis leicht betrübt. Erst jetzt betrachtete ich die Flügel genauer. Es war wie bei einer Hummel, der Körper war eigentlich zu massig für die kleinen Flügel, aber dennoch flogen sie. Das demonstrierte mir Indis, indem sie mir einen Schlüsselbund vors Gesicht hielt.
"Wo waren denn deine Flügel bei unserer letzten Begegnung?", erkundete ich mich und stand auf. Im ersten Moment schwankte ich ein wenig wegen dem ungewohnten Gewicht der Flügel, doch ich stabilisierte mich schnell. So schwer waren sie ja nicht.
"In meiner Behausung ist es ziemlich eng und da muss ich nicht unbedingt noch ein paar sperrige Flügel drin rumtragen. Deswegen versteck ich sie meistens. Ihr Feen könnt das doch auch." Priya räusperte sich und lenkte damit unsere Aufmerksamkeit auf sich.
"Mila, du solltest deine Flügel vielleicht auch verstecken. Dann sind sie niemandem im Weg." Das klang irgendwie einleuchtend.
"Ähm, wie mach ich das denn?", fragte ich an Indis gewandt. Sie blinzelte irritiert.
"Ich frage mal lieber nicht, warum du das nicht weißt", murmelte sie. "Also gut, du musst dir einfach nur vorstellen, wie sich deine Flügel in deine Schultern zurückziehen. Aber mach schnell!" Ich tat, was sie mir erklärt hatte und fühlte ein Ziehen in den Schultern und dann waren sie weg. "Super, dann können wir ja jetzt los!", rief sie und warf mir den Schlüssel zu.
Da ich schon immer kein Geschick vorweisen konnte, flog der Schlüssel an meiner ausgestreckten Hand vorbei und landete stattdessen in Priyas. Verblüfft drehte ich mich zur ihr um. Sie tat es mit einem Schulterzucken ab und ging zur Tür. Mit einem Klicken öffnete sich der Weg in die Freiheit.
"Jetzt nichts wie raus hier! Aber wärt ihr vielleicht so lieb und würdet uns hochnehmen? Dann sind wir schneller."
"Ähm, klar. Wie denn? Auf den Händen oder Schultern...?", fragte Priya und beugte sich zu den beiden Elfen hinunter. Sie hielt ihnen die Hände und Indis krabbelte als erstes auf eine. Mawu traute sich erst nach ein paar Sekunden auf die andere.
"Auf den Schultern wäre es am besten, dann hast du die Hände frei, Liebes", sagte Indis und begann Priyas Arm raufzuklettern. Um es ihr zu erleichtern, hob Priya die Hand an die gegenüberliegende Schulter. Dann machte sie dasselbe mit der Hand, auf der Mawu saß und finster dreinblickte. Ich kam nicht umhin mich zu fragen, weshalb er nicht so gesprächig war.
"So, jetzt aber! Wir zeigen euch den schnellsten Weg nach draußen", rief Indis begeistert und dirigierte Priya zur Tür. Sie lachte und lief mit großen Schritten los. Indis drehte sich um und winkte mir zu. Schnell folgte ich den Dreien.
"Einfach gerade aus und dann in den nächsten Gang abbiegen", hallte Indis' Stimme nach wenigen Schritten durch den dunklen Gang. Die Wände bestanden aus Erde und einige Wurzeln hingen von der Decke hinab. Nur selten sah ich einen Stützpfeiler. Es roch nach Erde und Moder.
"Nein, das wir müssen in den Gang danach!", widersprach Mawu. Sofort blieb Priya stehen und ich rannte beinahe in sie hinein.
"Wo müssen wir jetzt lang?", hakte sie misstrauisch nach und die beiden Elfen riefen durcheinander. Keiner der beiden änderte seine Meinung. Da hatten wir den Salat.
"Ich hab als Archivleiter immer Zugang zu den Plänen des Schlosses und auch schon einige Blicke darauf geworfen! Wir müssen die zweite Abzweigung nehmen!"
"Und ich habe mir den Weg gemerkt, als wir hergekommen sind!"
"Gut, dann nehmen wir die zweite Abzweigung!", entschied Priya und setzte sich wieder in Bewegung. Niemand widersetzte sich. Seufzend trottete ich hinterher. Wir würden schon hier rauskommen.
"Es ist so dunkel hier. Kann einer von euch irgendwie Licht erzeugen?", fragte ich und schauderte. Wir befanden uns in einer Welt voller magischen Kreaturen und ich fürchtete mich in einem dunklen Gang. Aber es war ja auch gruselig, wenn man bedachte, was in den Schatten alles so lauern konnte.
Meine Frage wurde mit Schweigen belohnt und einzig allein das Geräusch von Priyas Schritten verriet mir, dass sie noch da waren. Das Schweigen deutete ich mal auf ein Nein. Schade, so etwas Licht wäre wirklich schön gewesen.
Schritte, die nicht Priya gehörten, nahmen meine Aufmerksamkeit in Beschlag. Sie kamen uns entgegen und es waren schwere Schritte, Männerschritte. Auch Priya bemerkte sie und drehte sich zu mir um.
"Hörst du das auch?", wisperte sie. Ich nickte, bevor mir einfiel, dass sie das in der Dunkelheit ja gar nicht sehen konnte.
"Ja. Sollen wir umdrehen oder uns auf das Kommende wappnen?", fragte ich leise und war mir unsicher, ob sie mich überhaupt verstanden hatte.
"Wir gehen weiter. Jetzt haben wir immerhin die Chance an demjenigen vorbei zu kommen. Wenn wir umdrehen könnten wir in einer Sackgasse landen und dann säßen wir in der Falle. Oder was meint ihr dazu?", murmelte sie an die Wesen auf ihren Schultern gewandt.
"Wir warten, dann können wir uns auch nicht durch unsere Schritte verraten", sagte Mawu und das nicht gerade leise. Die Schritte, die inzwischen schon bedrohlich nahe waren, verstummten. Zu seinem Glück konnte der Elf meinen Blick nicht sehen, denn sonst wäre er mausetot. Vielleicht würde ich später mal meine neuen Kräfte an ihm ausprobieren. Falls wir hier lebend rauskamen.
Mit einem Schlag wurde mir wirklich erst bewusst, in was für einer Gefahr wir uns befanden. Wir könnten hier jederzeit unser Leben verlieren. Mir wurde übel, als die Schritte sich wieder in Bewegung setzten. Das alles könnte verdammt schief gehen.
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Mondlichter
FantastikWenn du auch mal nur die beste Freundin der eigentlichen Hauptperson bist. ~~~ Mila steht kurz vor ihrem 17. Geburtstag als sich ihr bis dahin langweiliges Leben dazu entscheidet, eine 180 Grad-Wendung einzulegen. Auf der ganzen Welt gibt es niemand...