20. - Sackgasse

1K 62 192
                                    

~ Jeglicher Zauber geht verloren,
wenn du versuchst, ihn einzufangen. ~

»Mila? Wo bleibst du denn?«, rief Nighe und bog in dem Moment in den Gang ein, in dem ich umgeben von staubigen Büchern saß. »Was machst du da? Es ist doch nicht so schwer ein paar Bücher zu finden!« Der hatte gut reden. Wir hatten nicht einmal Titel, an denen ich mich hätte orientieren können. Einfach wahllos aussuchen gestaltete sich als richtig schwierig.

»Ach ja? Dann hilf doch erst einmal mit, bevor du meckerst! Was meinst du mache ich wohl die ganze Zeit? Wahrscheinlich werde ich noch an einer Staublunge elendig zu Grunde gehen!«, schnaubte ich entrüstet. Mit diesem Streit kamen wir keinen Schritt weiter.

»Jetzt übertreib mal nicht! Für so etwas gibt es ein paar kleine Tricks«, sagte er gelassen. Seine blöden Lügen konnte er sich schenken.

»Dann rück endlich raus mit deinen tollen Tricks.« Falls sie wirklich funktionierten, würde ich ihm den Kopf abreißen. Nighe schritt zu einem relativ leeren Regal, verbeugte sich uns klopfte dreimal auf das unterste Holzbrett. Zuerst passierte rein gar nichts, doch dann begann das gesamte Regal zu wackeln. Ein dicker abgegriffener Wälzer flog heraus und fiel mit einem dumpfen Laut auf den braunen Teppich. Aus der entstandenen Lücke sprang ein kleines Wesen hervor, ungefähr so groß wie meine Hand und auch mindestens zu breit.

»Was ist denn jetzt schon wieder?«, fragte es und musterte Nighe und mich.

Nighe räusperte sich. »Wir benötigen wirklich dringend deine Hilfe. Würdest du uns ein paar Bände über Lichter und Möglichkeiten sie zu sammeln heraussuchen? Mila ist schon ganz verzweifelt.« Ein kleines Glucksen konnte er sich gegen Ende nicht verkneifen. Der konnte sich auch nicht ein Mal zusammenreißen.

»Lichter sammeln? Nie gehört. Ich weiß nicht, ob ich euch da weiterhelfen kann. Aber ich schaue mal, was sich da machen lässt«, murmelte das kleine Wesen mit dem braunen Zottelkopf und wandte sich zurück zu dem Regal, aus dem es gekommen war. Es legte seine kleine Hand auf das oberste Brett und schloss die Augen. Die Bauten in unserer näheren Umgebung begannen zu zittern. Fünf dünne Bücher kamen auf uns zugeschwebt.

»So, das ist alles, was diese Bibliothek zu bieten hat. Über das Archiv habe ich keine Macht, da müsst ihr zu Mawu gehen.«

»Vielen Dank, Indis. Vielleicht müssen wir auch nicht zu Mawu. Bis irgendwann mal wieder.« Nighe hob die Hand, drehte sich um und marschierte zu unserem in Beschlag genommenen Tisch.

»Er hat nur Angst vor Mawu, weißt du. Die beiden mögen sich nicht sonderlich«, raunte Indis mir zu, bevor ich Nighe folgen konnte. Mit der freien Hand unterdrückte ich ein auffälliges Kichern. Nighe hatte mir die Bücher zum Schleppen gegeben.

»Ist dieser Mawu auch so ein Wesen wie du?«, fragte ich leicht verwundert nach. Ich hatte nicht den Eindruck, dass Nighe sich überhaupt vor irgendetwas fürchtete.

»Ja, das ist er. Vielleicht ein wenig größer und breiter als ich, aber das ist bei den Männern unseres Volkes so üblich. Bevor du jetzt fragst, ich bin eine Elfe.« Mit ihren winzigen Knopfaugen zwinkerte sie mir spitzbübisch zu.

»Elfen in der Hölle? Ich dachte, ihr lebt auf der Erde oder im neutralen Gebiet von Arda.« Jetzt war ich wirklich erstaunt. All solche Informationen hatte man uns nie beigebracht. Was wurde den Wesen auf der Erde noch über ihre Heimat verschwiegen?

»Viele, aber nicht alle. Es gibt eben immer Ausnahmen«, meinte sie schulterzuckend.

»So wie mich«, murmelte ich leise vor mich hin. »Ich bedanke mich auch, ohne dich hätte i h hier noch Stunden zugebracht. Bis irgendwann mal.« Wobei es mir lieber wäre, wenn ich die gesamte Hölle nie wieder sehen würde.

MondlichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt