39. - Verkokelt

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~ Wer dem Feuer näher ist, dem wird schneller warm. ~

Ich wollte kein großes Feuer machen, sondern einfach nur mal schauen, ob ich überhaupt eins mit Magie entzündet bekam und was dann hier so abging. Ob es hier wohl Rauchmelder gab? Eher nicht, schließlich war das hier die Hölle und dann würde so ein Ding ja ununterbrochen piepen.

Viel kam für ein Feuer nicht infrage, da die ganzen Holzmöbel meiner Meinung nach zu groß waren. Vielleicht sollte ich ein T-Shirt nehmen und es in einer Art Schale anzünden, damit nicht viel aus dem Ruder laufen konnte. Bei lebendigem Leibe geröstet werden, wollte bestimmt niemand.

"Was nehme ich bloß als Schale...?", murmelte ich vor mich hin, nachdem ich dem Schrank ein einfaches Shirt entwendet hatte.

"Ein Waschbecken oder eine Badewanne wären wohl am sichersten", wisperte es aus einer Ecke des Raumes und ich erlitt beinahe einen Herzstillstand. Was zur Hölle?

"Wer oder was bist du?", fragte ich, doch die Stille schien mich verhöhnen zu wollen. Es kam keine Reaktion, also tapste ich in die Ecke, aus der ich die Stimme gehört hatte.
Zwei feurige, knopfgroße Augen blickten mir wissend entgegen. Dieses kleine Wesen hatte ziemlich viel Ähnlichkeit mit einer Elfe, nur wirkte es um einiges wilder und frecher. Es sah nach Ärger aus.

"Duuuu schaust aber nicht sehr begeistert drein", grummelte es sichtlich enttäuscht und kam mir ein paar Schritte entgegen. Nur langsam wurde der Rest des kleinen Körpers sichtbar und machte es mir möglich noch mehr Einzelheiten erkennen, die es von einer Elfe unterschieden. Die Haut war kohlrabenschwarz und es war ziemlich leicht bekleidet.

"Das ist doch irgendwie verständlich. Man findet ja nicht alle Tage so ein seltsames Wesen wie dich in seinem Zimmer", verteidigte ich mich, während das Wesen sich träge in Bewegung setzte. Bei 'seltsam' sprang es allerdings empört herum.

"Seltsam?! Du meinst doch nicht etwa mich?" Sein Unmut über meine Wortwahl war deutlich zu erkennen. Der Stofffetzen, der seine Hüfte bedeckte, begann zu verrutschen. Es war wohl ein Er.

"Was bist du denn für ein Wesen?", erkundete ich mich neugierig. Die Angst, die einen Moment lang in mir aufgeflackert war, war verflogen.

"Es ist empörend, dass du mich nicht kennst", schnaubte er. "Und nur zu deiner Information; das hier ist nicht dein Zimmer." Damit verschwand er durch eine Tür, bei der ich schwören konnte, dass sie vor einigen Sekunden noch nicht da war.

"Äh... das willst du mir doch bestimmt genauer erklären?" Ein kehliges Lachen war die Antwort.

"Nennst du mir auch einen Grund, warum ich das tun sollte?" Schnell schlüpfte ich durch die Tür und fand mich in einem großen Badezimmer wieder. Man hatte wirklich nicht das Gefühl, in der Hölle zu sein. Das hier sah eher aus, wie der Himmel. Schneeweiße Fliesen bedeckten den Boden und himmelblaue Kacheln mit dunkelblauen Schnörkeln zierten die Wände. Eine große Wanne war im Boden eingelassen.Waschbecken und Toilette entdeckte ich hinter einem hellen Raumtrenner.

"Huhu! Bist du noch anwesend?" Das Wesen zog mit wildem Herumgehüpfe meine Aufmerksamkeit auf sich.

"Damit ich mir nicht mehr ganz so doof vorkomme?", kam ich auf seine Frage zurück.

"Oder du gibst mir einfach das T-Shirt", sagte er mit einem Funkeln in den roten Augen. Ich nickte ein wenig unsicher und warf ihm das Ziel seiner Begierde zu. "Ich bin der missratene Zauberversuch von Decess in dessen Gemächern du dich befindest." Mein Mund klappte vor Verwunderung auf und wieder zu.

"Missratene Zauberversuch?", ging ich weiter auf seine erste Bemerkung ein. Mein Verstand wusste mit dem Begriff nichts anzufangen.

"Früher war ich ein Elf bis dieser junge Höllenprinz daher kam und meinte, er bräuchte einen Spielkameraden. Er wollte mich in was weiß ich verwandeln und wie du siehst, ging es schief. Jetzt bin ich eine Art verbrannter Feuerelf. Und Decess' Mitbewohner und Kindheitsheld", grinste er stolz und schloss mit einer übertriebenen Verbeugung seine Erzählung. Grinsend applaudierte ich und das Geräusch schallte von den Wänden wider.

"Und was hat es jetzt mit diesen Zimmern auf sich?", hakte ich nach und deutete auf die Tür, durch die wir beide vorhin gekommen waren.

"Da bist du noch nicht selbst drauf gekommen? Ihr Feen seid echt ein eingebildet und dumm dazu." Mein erster Eindruck hatte mich nicht getäuscht - dieses Biest war verdammt frech. Und theoretisch könnte man es ja als doppelte Beleidigung sehen, weil ich ja zur Hälfte Mensch war und dann müsste ich mich ja persönlich angegriffen fühlen...

Tat ich aber nicht. Wahrscheinlich war ich einfach nach all den Beleidigungen in der Vergangenheit zu abgehärtet.

"Danke, gleichfalls. Decess muss aber noch echt jung gewesen sein, als er dich verzaubert hat. So wie du aussiehst. Oder vielleicht war es auch Absicht..." Ich erhielt nicht meine gewünschte Reaktion. In meinen Gedanken war er explodiert, doch in der Realität grinste er herablassend.

"Dass ihr oberflächlich seid, hätte ich fast vergessen. Man sollte nie nach dem Aussehen gehen, Charakter ist viel wichtiger", tadelte er und erhob einen verkohlten kleinen Finger. Ungewollt hatte ich ihm mit meiner Aussage eine perfekte Vorlage geliefert.

"Warum reden wir überhaupt über so etwas? Ich wollte eigentlich testen, ob ich mit meinen Kräften ein das Shirt entzünden kann."

"Das hast du ihn all den Jahren, in denen du schon Kräfte hast, noch nicht herausgefunden?", fragte das verkohlte Männlein ungläubig.

"Ich hab meine Kräfte erst seit..." Nachdenklich tippte ich mir an den Kopf. "Eigentlich heute. Also, gibst du mir das Shirt zurück?" Seine Verwunderung war deutlich erkennbar, aber ich musste ihm anerkennen, dass er nicht weiter nachbohrte. Er machte sich auf den Weg zu der Badewanne in der Mitte des Raumes und ließ das Shirt einfach fallen. Anscheinend musste ich es mir selbst holen.

Während ich mein Kleid raffte und mich zu Boden kniete, fragte ich mich immer noch, warum ich mit diesem Wesen so ein Gespräch geführt hatte. Das war unnötig und zeitaufwendig, wenn auch ein klein wenig unterhaltsam.

"Wird das heute noch was?" Mit wenigen Schritten war ich an der Badewanne angelangt und legte das T-Shirt über die Kante, so dass ich es trotzdem noch berühren konnte.
Konzentriert schloss ich die Augen und horchte in mich hinein, suchte nach einem Zipfel Magie. Irgendwo tief in mir drin musste er sein. Ich musste ihn einfach nur finden und dann entzünden.

"Was machst du da, wenn ich fragen darf?" Die rauchige Stimme ließ mich innehalten.

"Wonach sieht's denn aus?", fauchte ich leicht angegriffen und suchte den Blick des Elfen.

"Als würdest du gleich einschlafen. Aber schließlich brauchst du ja deinen Schönheitsschlaf", stichelte er und erneut fühlte ich ein Gefühl der Macht in mir aufwallen. Ein Funke schoss aus meiner geballten Faust hervor und entzündete das Shirt. Etwas dunkles schweres wandte sich durch meine Adern, schoss Sekunden später auch aus meiner Faust hervor und erstickte die zarte Flamme. Zurück blieb ein ausgebranntes Loch in dem Shirt.

MondlichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt