38. - Große Klappe riskiert

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~ Wer andere kennt, ist klug; wer sich selbst kennt, ist verzweifelt. ~

"Hast du mich verstanden?" Schnell nickte ich und er ging los. Nur mit Mühe konnte ich mithalten. Er wirkte ziemlich angefressen. "Das wird für Aila ein Nachspiel haben", murmelte er vor sich hin und ich ging noch weiter darauf ein. Das war eine Angelegenheit zwischen dieser Aila und ihm.

Nach zwei weiteren düsteren Gängen kamen wir vor einer großen Tür zum Stehen. Ohne zu Klopfen trat Decess ein.

"Endlich beehrst du uns auch mit deiner Anwesenheit, mein Junge", begrüßte uns der Teufel. Dieser Ton gefiel mir nicht, er war zu freundlich und hatte etwas heuchlerisches an sich. Decess ging es wohl genauso, denn er presste wütend die Lippen aufeinander.

"Ist Nighe schon da?" Er überhörte die Begrüßung, was Luzifer wohl ziemlich egal war. Der Höllenfürst wandte sich ab und setzte sich an einen langen Tisch, der den halben Raum einzunehmen schien.

"Setzt euch." Wie der Vater, so der Sohn. Bei dem Gedanken lachte ich leise in mich hinein. Decess kam der Aufforderung nicht nach, also blieb mir nichts anderes übrig, als auch stehen zu bleiben.

"Bringt er Shay mit?" Der Name kann mir bekannt vor, aber ich konnte nicht einordnen woher. Luzifer schnaubte stur und widmete sich Papieren, die auf dem Tisch verstreut lagen.

"Wir müssen unsere Armee zusammenstellen." Das war ja schlimmer als im Kindergarten! Diese beiden Deppen gingen kein bisschen aufeinander ein. Luzifers Augen bohrten sich plötzlich in meine. Sie wirkten hart und stumpf, das Mitternachtsblau verlieh ihnen eine gewisse Tiefe.

"So so. Du bist dieses Halbwesen. Ziemlich respektlose Gedanken schwirren dir im Kopf herum." Decess sah aus, als würde er mich am liebsten schütteln. Warum zur Hölle können hier fast alle Gedanken lesen?!

"Naiv und unwissend dazu. Interessant, was du dir da ausgesucht hast, Nighe." Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ließ mich zusammenzucken.

"Ich weiß, worauf Ihr hinaus wollt, aber das kann ich nicht zulassen. Sie steht unter meinem Schutz und Ihr habt kein Recht an ihr." Luzifers Miene wechselte von verschlagen zu säuerlich. Ihm passte das wohl gar nicht. Aber was meinte Nighe damit?

"Es ist ziemlich fatal sie so unwissend zu lassen. Ich hab ihren Kopf ein bisschen durchforsten lassen. Ihr habt ihr kaum etwas erzählt." Decess schäumte vor Wut, während ich nur Bahnhof verstand.

"Du hast Aila in ihren Kopf gelassen? Wie kannst du es wagen?!", erboste sich Decess sofort. Nighe verspannte sich merklich und ein weiterer Halbdämon trat hinter ihm hervor. Es war der, der mit Annie auf der Erde geflirtet hatte.

"Wenn ich mal was dazu sagen darf..." Zwei feurige Augenpaare richteten sich auf ihn und er stockte. Die Wut des Teufels mitsamt Sohn auf sich zu ziehen, war wohl nicht so schlau. "Mila ist zwar Nighes 'Schützling', aber durch den bevorstehenden Krieg herrscht eine Ausnahmesituation." Luzifer lächelte seinen Sohn triumphierend an. Shay trat auf Luzifer zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Mit jedem Wort bröckelte sein Lächeln.

"Das tut nichts zur Sache. Ihr habt sie in mein Reich gebracht und ein paar Tage in meinem Schloss untergebracht. Sie geht mit." Decess und Nighe verspannten sich, konnten aber nicht widersprechen. Shay zuckte entschuldigend mit den Schultern.

"Dann ist das ja geklärt. Weswegen ich auch eigentlich hab kommen lassen..." Die Papiere knisterten, als Luzifer eine Karte hervorzog. "Die großen Steinfelder im Süden wurden zum Kriegsgebiet erklärt. Die oberste Regierung rät uns, das unter uns auszutragen. Es soll kein Außenstehender verletzt werden."

"Seit wann lässt du dir was von Ardas Regierung befehlen?" Decess lächelte kalt und ich begann mich immer unwohler zu fühlen.

"Lass das mal meine Angelegenheit sein. Kümmer dich lieber um deinen Gast." Die ganze Aufmerksamkeit lag auf mir. Unruhig trat ich von einem Fuß auf den anderen.

"Ich, eh..." Decess schüttelte den Kopf. Sollte ich jetzt etwa den Mund halten? Wo Luzifer doch beschlossen hatte, mich in den _Krieg_ zu schicken? Das würde ich bestimmt nicht so einfach auf mir sitzen lassen. "Warum sollte ich mein Leben für so etwas aufs Spiel setzen?" Alle Anwesenden sogen scharf Luft ein. Vielleicht war ich doch ein kleines bisschen zu weit gegangen.

"Das brauchst du nicht zu hinterfragen. Alles hat seine Gründe", lächelte Luzifer. Es war ein kaltes, durchaus grausames Lächeln und es jagte mir Angstschauer durch den Körper.

"Aber warum? Ich-"

"Es reicht. Du hast meine Antwort diesbezüglich gehört. Decess, bring das Mädchen fort!" Ich wurde von hinten umfasst und dann drehte sich alles. Wie ich es hasste, wenn man einfach über mich entschied!

"Es ist nur zu deinem Besten", flüsterte Decess und ließ mich allein in meinem Zimmer zurück.

"Ja ja! Rede nur weiter so einen Mist und belüg dich selbst! Ich werde jedenfalls nicht kampflos dabei zusehen!", rief ich wütend in das leere Zimmer hinein und trat frustriert gegen einen Bettpfosten. Das war allerdings nicht ganz so schlau, denn mein Fuß schmerzte danach höllisch und eigentlich konnte das Ding ja auch nichts für meine Wut.

Dieser Auftritt vor dem Höllenfürsten war ja mal sowas von schief gegangen! Meine vorlaute Klappe würde mir weiterhin nur Ärger einbringen und wer weiß, was Luzifer sich für meine Frechheit noch alles einfallen ließ? Selbst Decess schien enttäuscht von mir.

Schnell flitzte ich zur Tür, um sie zu überprüfen. Abgeschlossen, wie ich vermutet hatte.

Mit einem großen Seufzer ließ ich mich auf das erstaunlich bequeme Bett sinken und begann erneut über mein absurdes Leben nachzudenken. Ich hatte ja genug Zeit und es kam auch immer etwas neues dazu.

Irgendwie hätte ich es mich auch schlimmer treffen können. Ja, ich war eingesperrt und hab mich dem Teufel gegenüber unmöglich verhalten. Dass ich in den Krieg ziehen musste, kam mir immer noch zu unwirklich vor, als dass ich es ernst nehmen konnte. Nighe und Decess würden sich schon irgendwie drum kümmern.
Aber ich hatte auch endlich meine Kräfte erhalten - wenn auch in einem Keller, anstatt bei meiner Familie.

Bevor ich mich hier zu Tode langweilte, konnte ich ja mal schauen, was ich jetzt so alles anstellen konnte. Ein freches Grinsen bildete sich in meinem Gesicht und ich begann nach gut brennbaren Materialien zu suchen.

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