30. - Zwischenebene

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~ Nirgendwo ist der, der überall ist. ~

Zu unserem beider Wohl tat es auch nicht weh. Wenige Sekunden später stand ich vollkommen unversehrt neben ihm, weiterhin in einem Nichts, das sich jedoch völlig anders anfühlte als die raue Einsamkeit der doppelten Zwischenebene. Nighes schiefes Grinsen entging mir nicht, es wirkte fast ein wenig entschuldigend.

»Bist du an diesem Unfall schuld?«, fragte ich gerade heraus. Ein bisschen saß mir der Schock noch in den Knochen, was ich aber niemals laut aussprechen würde.

»An welchen Unfall denn?«, stellte er eine scheinheilige Gegenfrage.

»Bei dem ich zufälligerweise in dieser doppelten Zwischenebene gelandet bin und nur mit deine Hilfe heraus kam«, erklärte ich augenrollend und verschränkte die Arme vor der Brust, bevor er nach meinen Händen greifen konnte.

»Das könnte ganz eventuell möglich sein. Tut mir ehrlich leid.« Verlegen rieb er sich den Nacken. Mit diesem albernen entschuldigenden Blick sah er aus wie ein kleiner Junge. Zugegeben, ein kleiner Dämonenjunge. Die unnatürlich starke Behaarung und die ledrigen Schwingen waren einfach nicht zu übersehen. Aber für mich gehörten sie schon zu ihm wie Ketchup zu Mayo. Magische Wesen gehörten schon immer zu meiner verdrehten Welt, auch wenn Dämonen eigentlich nicht dazu zählten. Schlecht sah er ja alle Mal nicht aus.

Glücklicherweise konnte er keine Gedanken lesen so wie Decess. Zumindest soweit ich wusste. So selbstgefällig wie er jedoch guckte könnte es durchaus möglich sein.

»Woran denkst du?« Sein breites Grinsen weckte in mir die Vermutung, dass er wirklich wusste, an was ich dachte und gerne noch eine laute Betätigung hätte. Eingebildeter Idiot. Sein Grinsen verrutschte ein wenig. Er konnte also tatsächlich Gedanken lesen.

»Ich kann eher die Stimmung der Gedanken auffangen, als sie wirklich verstehen. Decess ist ein wahrer Meister auf diesem Gebiet und hat mir ein paar Tricks beigebracht. Er meinte, es würde mir im möglichen Krieg zugute kommen.« Ich nickte, ehe mir das volle Ausmaß seiner Wirte bewusst wurde. Abrupt hielt ich inne.

»Kylan hat uns Krieg erklärt. Wir müssen uns entsprechend vorbereiten und dich und Annie da raus holen. Das ist das Schlimmste, was uns in unserer jetzigen Situation passieren konnte.«

»Warum?«, hakte ich mich angespannt nach. Die ausgelassene Atmosphäre hatte. Die Tatsache, dass ich eigentlich alleine in einem Keller eingesperrt war, hatte ich schon längst verdrängt.

»Angeblich werden die Welten aufeinander prallen. Der Mond wird Erlöschen und da er die einzige Barriere zwischen der magischen Welt und der Normalen bildet, wird alles Leben vernichtet werden. Aber sicher ist sich niemand. Kennst du dich mit Ardas Weltenaufteilung aus? Wobei, wieso frage ich eigentlich? Du kennst ja nicht einmal die Geschichte unseres Heimatplaneten.« Er feixte. Eingeschnappt verschränkte ich die Arme vor der Brust und bedachte ihn mit einem bitterbösen Blick. Wofür brauchte man schon ultra langweilige Geschichtskenntnisse?

»Heißt das, du kennst dich mit der Weltenaufteilung aus oder etwa doch nicht?«

»Das wird uns von klein auf beigebracht, weil das tatsächlich wichtig ist. Also kenne ich mich natürlich damit aus!«

»Gut, dann erzähl mir mal alles, was du darüber weißt. So als wäre ich ein völlig unwissende Wesen«, forderte er mich auf, unbeeindruckt von meinem kleinen Anfall.

»Arda ist der Heimatplanet aller magischer Wesen. Dazu gibt es noch den Himmel und die Hölle, die so wie die Mensche glauben nicht über der Erde existieren, sondern beide Planeten vereinen. Arda an sich ist eine neutrale Zone«, gab ich wichtigtuerisch mein Wissen zum Besten.

»Ich bin beeindruckt. Scheinbar weißt du doch ein kleines bisschen über unsere Welt«, erwiderte er gespielt erstaunt.

»Hab ich doch gesagt«, grummelte ich beleidigt. »Und warum musste ich dir das jetzt erklären? Sag bloß, du wusstest es selbst nicht mehr!« Ich grinste verschlagen und lobte mich innerlich dafür, dass mir dieser kleine Konter eingefallen war, der auch prompt Wirkung zeigte.

»Ich wollte nur testen, ob du wirklich etwas über Arda weißt. Wesen, die auf der Erde leben oder sogar dort geboren werden sind hier nicht gerne gesehen und deswegen solltest du zumindest ein bisschen Allgemeinbildung besitzen. Aber das ist jetzt erst einmal nicht ganz so wichtig. Weißt du, wo du - also dein Körper - sich zurzeit in Kylans Reich befindet? In einem Keller reicht nicht«, fügte er noch hinzu, nachdem er meinen Blick bemerkte.

»Genaueres kann ich dir aber nicht sagen, weil ich es selbst nicht weiß. Ich sage weiterhin in einen Kerker unter seinem Schloss oder was auch immer, aber theoretisch kann ich überall eingesperrt sein.«
 
»Kylan meinte zu uns, du wärst an einem Ort, an dem wir dich niemals finden würden. Das könnte er jedoch auch einfach nur so gesagt haben.« Nachdenklich und mit einem Hauch von Verzweiflung rieb ich mir mit der Hand über mein Gesicht.

»Irgendwie bezweifle ich, dass ich weit von ihm entfernt bin. Dann hätte man Priya nicht so einfach bringen und wieder weg holen können. Sie ist eine Freundin, Mitgefangene und im Grunde liebt sie Kylan«, setzte ich erklärend hinzu.

»Es könnte auch sein, dass er dich in einen seiner privaten Räume gesperrt hat und dessen Aussehen einem Keller angeglichen hat«, sponn Nighe meinen Einfall weiter. Priya hatte für ihn keine Priorität.

»Dann könnte ich ja wirklich überall sein!« Verzweifelt rang ich die Hände. Meine Angst kehrte mit aller Macht zurück. Wir hatten keine Chance, mich dort raus zu holen. Ich könnte sogar auf der Erde sein. »Und was machen wir jetzt?« Er musste einfach eine Lösung parat haben.

»Du könntest das Wesen, das dir deine Mahlzeiten bringt erweichen oder bedrohen«, schlug er selbst nicht überzeugt vor. »Du bekommst doch Mahlzeiten?« Erst schüttelte ich den Kopf, dann nickte ich. Mal davon abgesehen, dass niemand zu mir kam, konnte er so etwas doch niemals von mir verlangen!

»Ich habe nur gesagt bedrohen und nicht umbringen«, wiederholte er sich finster. »Wäre ja noch schöner, wenn man vor dem eigentlichen Krieg unnötig Blut vergießt.« Verwirrt kniff ich die Augen zusammen. Wieso hatte ich das so falsch verstanden und mich schon mit einem Messer an jemandes Kehle gesehen? »Dir geht's nicht mehr so gut, hab ich Recht oder hab ich Recht?« Er wartete mein schwaches Nicken erst gar nicht ab.

»Ich schicke dich jetzt zurück, damit du dich ausruhen kannst. Vielleicht findest du ja doch noch heraus, wo du dich befindest. Decess und ich werden alles uns mögliche tun, um dich und Annie nach Hause zu bringen«, versicherte er mir. Zuhause. Das erschien mir seltsam weit weg. Bevor ich etwas erwidern konnte, das ich später bereuen könnte, schickte er mich zurück. Wie zum Beispiel, dass ich vielleicht gar nicht mehr nach Hause wollte.

Einen Wimpernschlag später befand ich mich wieder in meiner Zelle, die nach neuesten Erkenntnissen vielleicht gar keine Zelle war. Ich fühlte mich doppelt hintergangen. Nighe und Decess hätten mich niemals Kylan übergeben dürfen. Da mir das Essenstablett mit Magie serviert wurde, konnte ich nicht einmal sicher sein, dass sich jemand in meiner Nähe aufhielt.

Am liebsten würde ich probieren, ob ich schon ein bisschen Magie wirken konnte, selbst wenn meine Kräfte erst morgen erwachen sollten. Mit etwas Glück zeigte sich heute schon ein kleiner Funken und wäre dann morgen nicht so überrumpelt von der geballten Kraft. Falls meine Magie überhaupt stark war.

Dabei war ich so müde. Meine Magie musste warten. Erschöpft lehnte ich gegen eine kalte Wand und schloss die Augen, ehe mich ein Gedanken wieder hoch scheuchte. Nighe würde mich nicht sofort wieder auf diese komischen Ebenen holen, oder? Musste ich jetzt immer damit rechnen, wenn ich kurz vorm Einschlafen war? Zweifelnd entspannte ich mich gezwungenermaßen. Ich würde es gleich herausfinden. Auch wenn ich mir nicht erklären konnte, woher diese Müdigkeit stammte, wo ich doch die ganze Nacht durchgeschlafen hatte.

Ich driftete schneller friedlich ins Land der Träume ab, als ich gedacht hatte.

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