6. - Glücksmomente

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~ Es gibt magische Momente, die dauern Sekunden; und es gibt Sekunden, die dauern Stunden. ~

Mein Wecker riss mich mit einem schrillen Klingeln aus meinen mal wieder sehr lebhaften Träumen. In meinem Kopf herrschte Stille, alle Probleme waren vergessen und ich genoss es. Bis ich mit einem Schlag in die Realität zurückkehrte. Als meine Mutter mich aus dem Bett rief, kehrten alle Erinnerungen zurück.
Heute würde ich alleine sein, hilflos.

Meine Decke wurde zurück geschlagen und meine Mutter blickte mich mit einem Todesblick an. Ich war wohl wieder eingenickt.

»Warum bist du nicht schon längst angezogen? Komm gar nicht erst auf die Idee, Schule zu schwänzen! Mio hat vorhin angerufen, er kommt heute Abend zu Besuch. Wegen der Prophezeiung oder so etwas in der Art. Wärst du früher aufgestanden, hättest du mit ihm sprechen können«, schnaubte sie abfällig. Selbst als sie von Mio, ihrem Liebling sprach, schrie sie noch. Und sie spuckte. Angeekelt wischte ich mir mit dem Handrücken über mein Gesicht.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, stand ich auf, um mir Klamotten aus dem kleinen Schrank zu suchen. Groß war meine Auswahl ja nicht unbedingt. Es nervte mich, dass ich nicht mit Mio hatte sprechen können. Im Grunde hatte ich es mir selbst zu zu schreiben, obwohl ich vermutete, dass meine Mutter mir nicht mal den Hörer überlassen hätte.

Genervt, weil meine Mutter sich erst nach langem Starren verzogen hatte, zog ich mir einen alten, grauen Oversize-Pullover von Mio und eine einfache blaue Stoffhose an. Die Treppen knarzten und ächzten unter mir, als ich die Treppe runter ging, was bei dem Alter des Hauses kein Wunder war.

Ein köstlicher Duft wehte mir entgegen, als ich die Küchentür aufdrückte. Verwundert hielt ich inne. Meine Mutter wandte sich gerade summend einen Pfannkuchen, der kurze Streit mit mir war ich nicht anzumerken. Neben ihr stand ein ganzer Berg davon auf einem Teller. Mios geplanter Besuch hat sie wohl in Hochstimmung versetzt, denn normalerweise konnte ich mich glücklich schätzen, wenn sie mir überhaupt ein Brötchen schmierte. Hoffentlich durfte ich welche von den Pfannkuchen haben.

Meine Mutter stellte die noch dampfenden Pfannkuchen in die Mitte des bereits gedeckten Tisches und fast augenblicklich wollte ich mir einen nehmen. Der Duft war einfach zu verlockend. Doch meine Mutter schlug mir auch die Hand und blickte mich mahnend an.

»Nicht so gierig, junge Dame! Ohne Fleiß, kein Preis. Geh noch neue Milch aus dem Keller holen.« Etwas irritiert befolgte ich ihre Anweisung. In der Küche standen zwar noch eine Packung Milch, aber bestimmt war diese leer. Oder sie wollte mich triezen, da sie wusste wie sehr ich den Keller hasste.

Mit halb geschlossenen Augen tastete ich mich blitzschnell vorwärts und rannte mit der Packung Milch nach oben. Wispernde Stimmen schienen mich zu verfolgen, die ich mit dem Schließen der Kellertür verstummen ließ.

Mein Tag war gelaufen. Heute würde alles schiefgehen, wenn es schon so anfing. Selbst die Pfannkuchen besserten meine Laune kaum. Einer nach dem anderen landete dick mit Schokosahne beschichtet in meinem Mund. Die Kalorienanzahl war mir herzlich egal, um nicht mehr in meine Hosen passen zu können, musste ich schon etwas mehr als die paar Pfannkuchen verdrücken. Auf das eine Kuschelpölsterchen mehr kam es auch nicht an.

Im Stillen dankte ich Mio dafür, dass er uns endlich mal wieder besuchen kommen würde. Er kam viel zu selten seit er beim Rat arbeitete. Silas, mein anderer Bruder, war im Ausland für die Geheimhaltung magischer Wesen tätig und war demnachnoch seltener bei seiner Familie.

Nur wenig später hatte ich die Hälfte des Pfannkuchenberges weggeputzt. Ich bedankte mich bei meiner Mutter und versuchte mich an einem ehrlichen Lächeln, was sie distanziert erwiderte. Aller Anfang ist schwer, lieber spät als nie. Sprichwörter, die hoffentlich der Wahrheit entsprachen. Seufzend erhob ich mich, brachte meinen Teller in die Küche und schnappte mir meine Tasche, die schon griffbereit an der Tür lag.

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