~ Träumen ist der Weg zu den Sternen. ~
Ich kniff meine Augen weiterhin zu, obwohl der leichte Schwindel, den diese Art zu reisen mit sich brachte, schon längst abgeebbt war. Meine Angst vor dem Unbekannten war zu groß, deshalb übernahmen meine Instinkte und machten einen auf kleines Kind. Sehe ich dich nicht, siehst du mich auch nicht.
»Decess, mein Guter, was hast du denn da hübsches mitgebracht?«, erklang eine selbstgefällige Stimme und ich traute mich dann doch die Augen zu öffnen. Ein paar Schritte von uns entfernt stand ein Junge, nur wenig älter als ich und musterte mich unverhohlen. Die blonden Haare waren mit viel Gel ordentlich frisiert und seine Kleidung ließ auf einen nicht gerade niedrigen Kontostand schließen. Falls es hier so etwas überhaupt gab.
»Sie ist mit mir hier«, erwiderte Nighe kalt. Der Junge schien ihn bis dahin nicht bemerkt zu haben und erschrak nun ziemlich stark.
»Ach, so ist das. Hast sie dir als erstes geschnappt. So hübsch ist sie nun auch wieder nicht, ein bisschen zu moppelig. Aber dass du Seelenspaltung benutzt, hätte ich nie von die gedacht, Nighe«, sagte der Fremde ruhig und ich konnte nicht erkennen, was er wirklich dachte. Seine Beleidigung perlte einfach an mir ab. Nighe wirkte so, als wäre er lieber ganz woanders.
»Pass auf, was du von dir gibst, du halbe Portion«, knurrte Nighe und ich musste ein Kichern unterdrücken. Woher kannten die beiden sich wohl?
»Halbe Portion? Ich bitte dich! Ich bin dir mindestens über zweihundert Jhare voraus und damit voll ausgewachsen«, entrüstete sich der Milchbubi. Zweihundert Jahre war für Wesen kein Alter, aber dann so mickrig und spießig? Irgendwie ein klein wenig traurig. Vielleicht täuschte der erste Eindruck auch nur.
»Und damit bist du trotzdem noch sehr jung und eigentlich auch für deine hohe Position noch nicht alt genug.« Nighe verwandelte sich wieder in seine menschliche Gestalt, was ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es war noch faszinierender als die bloße dämonische Gestalt. Wollte er jetzt damit angeben?
»Das kann dir herzlichst egal sein. Habt ihr wichtige Informationen? Wenn nicht, könnt ihr direkt wieder verschwinden«, sagte er scheinbar gleichgültig, doch ich konnte erstes Interesse in seinen Augen aufblitzen sehen.
»Du bekommst die Informationen - sehr wichtige, wohlgemerkt - wenn wir den Friedensvertrag erneuern«, mischte sich Decess rein geschäftlich ein. Ich verstand nicht so recht, was daran mehrere Tage dauern sollte.
»Ihr wisst, was ich von diesem Mist halte«, meinte der Blonde gereizt. Anscheinend nicht sehr viel. Nighe rückte näher an mich heran und legte locker einen Arm um meine Taille? Was sollte er Quatsch denn? Fragend sah ich in sein wieder menschliches Gesicht und suchte seinen Blick. »Aber mit einem Pfand, kann ich mich vorerst zufrieden geben. Dann unterschreibe ich und ihr rückt mit euren Informationen hervor.« Sein Blick schnellte auffordernd zu mir. Das meinte er doch nicht wirklich ernst? Wollte er mich wirklich als Pfand?
Nighes Griff verstärkte sich. Decess sah aus, als hätte er mit so etwas gerechnet.»Was willst du haben?«, erkundigte sich Decess, obwohl die Antwort auf der Hand lag.
»Ich nehme den Menschen als Pfand für die Informationen und meine Unterschrift auf dem Friedensvetrag.« Das würden Nighe und Decess niemals zulassen, oder? Fassungslos wanderte mein Blick zwischen den beiden hin und her. Sie tauschten sich stumm mit Blicken aus. Meine Hoffnung schwand, als Nighe resigniert die Augen schloss und seinen Griff lockerte.
»Mila, wir kommen wieder und holen dich. Du musst nichts machen, was du nicht willst. Alles wird gut, halte einfach nur durch«, flüsterte mir Nighe ins Ohr. Dann sagte er lauter: »Kylan, du bekommst Mila als Pfand für einen Zeitraum von maximal drei Tagen. Wenn du ihr irgendetwas antust, ist für mich jeder Friedensvetrag hinfällig.« Decess nickte bestätigend. Jetzt verstand ich, warum Nighe mit mir im Schlepptau herkommen sollte. Decess konnte keine Verhandlungen führen.
»Ich habe da auch noch mitzureden!«, fauchte ich dazwischen und entfernte mich von dem Geschehen. Das würde ich nicht so einfach mit mir machen lassen. Ich hatte mich gerade erst mit meiner neuen Situation abgefunden.
»Mila, bitte nimm uns das nicht übel«, versuchte Decess mich zu beschwichtigen, doch ich war bereits auf hundertachtzig. Nicht mit mir, dachte ich finster und beschleunigte meine Schritte.
»Ich bin euch aber böse!«, keifte ich und rannte zu einem Tor auf der anderen Seite des Raumes. Dieser Kylan schien sich prächtig zu amüsieren, während Decess und Nighe wie bestellt und nicht abgeholt dastanden. Schnell riss ich das Tor auf und lief in den dahinterliegenden Flur.
»Ergreift sie!«, hörte ich die Stimme des Fremden schreien. Meine Beine beschleunigten von alleine. Ich musste so schnell wie möglich einen Weg hier raus finden, sonst hätte ich ein richtig großes Problem. Meine Füße flogen über den dunklen Marmorboden und ich wählte meinen Weg, ohne lange darüber nachzudenken. Mal rechts, mal links, dann eine Treppe runter. Das Gepolter und die Rufe hinter mir spornten mich nur noch mehr an.
Ich rannte, wie ich noch nie in meinem Leben gerannt war. Allmählich verlor ich an Geschwindigkeit, die Anstrengung von heute und den letzten Tagen saß mir noch zu tief in den Knochen. Außerdem war meine Ausdauer noch nie die beste gewesen. Verzweifelt versuchte ich noch einen letzten Sprint hinzulegen, doch plötzlich knickten mir die Beine weg. Unsanft schlug ich auf dem Boden auf. Für einen Moment war ich noch ganz benommen vor Schmerz, im nächsten wollte ich mich fluchend aufrappeln. Eine schwere Hand hinderte mich daran. Ein Blick nach oben sagte mir, dass ich umzingelt war. Schon wurden meine Hände mit einem Seil zusammen gebunden.
»Je mehr du dich wehrst, desto unangenehmer wird es für dich«, fauchte dieser Kylan und zog mich ruckartig am Arm hoch. »Nighe, Decess, bis bald.« Entweder waren sie mir allesamt gefolgt oder ich war im Kreis gelaufen. Kylan nickte ihnen zu und sie entfernten sich mit entschuldigenden Mienen. Bestimmt war das von Anfang an so geplant gewesen. Sie ließen mich einfach im Stich, wie schon so viele. Meine Augen begannen zu brennen. Was das anging, war ich einfach viel zu empfindlich. Ich blinzelte stark, um die aufkommenden Tränen zu unterdrücken, aber ich spürte trotzdem, wie eine meinen Augenwinkel verließ.
»Du brauchst nicht weinen, hier ist niemand mehr, der sich bemitleidet. Ich bringe dich jetzt zu Priya, damit du nicht alleine bist und dann sehen wir weiter, einverstanden?« Ich war ganz und gar nicht einverstanden, aber mir blieb keine Wahl. »Falls du Ärger machst, kann ich jederzeit aus jeder Ecke eine Wache rufen, nur so als Info.« Die unterschwellige Drohung entging mir nicht. Er führte mich mit drei Wachmännern als Begleitung durch hohe, eindrucksvolle Gänge, die früher einmal in großen Glanz erstrahlt haben mussten, doch inzwischen heruntergekommen waren. Meine Hände waren weiterhin gefesselt und das Seil Schnitt mir unangenehm in die Haut. Vor einer abseitliegenden, unscheinbaren Tür stoppte er und öffnete sie, ohne anzuklopfen.
»Ich habe hier jemanden für dich. Sei so gut und putz sie ein bisschen heraus«, befahl er einem zarten eingeschüchterten Mädchen. Ängstlich nickte sie und hielt treu ergeben den Blick gesenkt. Ihre Aura fühlte sich menschlich an, vermutlich seine Sklavin. Bei Kylan konnte ich noch nicht ausmachen, was er war. Dafür war ich zu wenig Wesen persönlich begegnet. Kylan verließ beinahe fluchtartig den Raum. Vor der Tür hörte ich ihn mit den Sachen sprechen, dann entfernten sich mehrere Paar Schritte.
»Was war das denn?«, fragte ich das immer noch verängstigte Mädchen. Kylan musste ganz schön Eindruck bei ihr hinterlassen haben. Sie war jünger als ich.
»So ist es immer«, hauchte sie so leise, dass ich es fast nicht gehört hätte. Ich nickte verstehend, obwohl ich das nicht tat, und ging langsam auf sie zu. »Du bist eine Fee.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Verwundert hielt ich inne. Woher wusste sie das?
»Ich bin Priya, eine Luminos und Kylans Sklavin«, stellte sie sich vor und zwirbelte eine ihrer rotbraunen Haarsträhnen zwischen ihren Fingern. Ihre moosgrünen Augen funkelten mich scheu, aber freundlich an. Den Eindruck, den Kylan hinterlassen hatte, schien sie abgeschüttelt zu haben.
»Eine Luminos?«, wiederholte ich fragend. Sie deutete einladend auf eine kleine Sitzecke auf der anderen Seite des Raumes.
_________________________________________Was stellt ihr euch unter einer Luminos vor?
Moonstone_2
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Mondlichter
FantasíaWenn du auch mal nur die beste Freundin der eigentlichen Hauptperson bist. ~~~ Mila steht kurz vor ihrem 17. Geburtstag als sich ihr bis dahin langweiliges Leben dazu entscheidet, eine 180 Grad-Wendung einzulegen. Auf der ganzen Welt gibt es niemand...