Kapitel 9

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POV Tim
Berlin, Ende Mai 2012
„Komm, Basti, jetzt sei doch nicht so! Ich glaub, der hat echt viel Potenzial. Ich hab' mir schon viele seiner Videos angeschaut und..."
„Du willst ihn doch nur dabei haben, weil du ihn vögelst!"
„Nein! Überhaupt nicht! Der hat Talent, der ist was Anderes, was Besonderes, und ich glaub, dass er zu uns passen würde. Wann hab' ich denn jemals einen meinen Partner –"
„ – Sexpartner."
„Ja, ok, wann hab' ich jemals einen meiner Sexpartner mit in die Band bringen wollen, hmmm?"
„Naja", knurrte Basti und seufzte dann auf. Er wusste ja, dass ich recht hatte.
„Schau mal, Tim. Theoretisch hab' ich ja nichts dagegen. Aber was, wenn ihr euch streitet? So ein paar kleine Streitereien werden schon kein Problem sein, aber was, wenn es etwas richtig Schlimmes zwischen euch gibt? Was, wenn einer den anderen betrügt?"
„Das wird nicht passieren!"
„Das sagst du jetzt." Und somit war das Thema erstmal gegessen, weil ich nicht darüber nachdenken wollte, was passieren würde, wenn Lukas mit einem anderen vögeln würde.

POV Basti
Berlin, Ende Mai 2012
Ich dachte daran, wie enttäuscht Tim war, als ich keinerlei Überzeugung von seiner Idee, Lukas mit in die Band zu bringen, zeigte. Tage danach dachte ich noch an die Möglichkeit, einen weiteren Rapper miteinzubringen. Eigentlich wäre das nicht schlecht. Skinny hatte eh keinen Bock mehr, weil er jetzt zu einem studierenden Schnösel ummutiert war und Beatmasta auch nicht. Ich setzte mich an meinen Laptop um ein wenig Recherche über diesen Alligatoah zu betreiben. Eigentlich kannte ich ihn ja schon – ich hatte ein paar Songs seinerseits gesehen und war auch begeistert gewesen. Jedoch wollte ich nicht, dass Tim so schnell seinen Willen bekam – der würde dann noch nerviger sein und es mir täglich unter die Nase reiben, wie recht er doch hatte, wie toll sein Bumskaninchen sei und ich würde wieder als der Wichser dastehen, der ihm nicht geglaubt hatte. Also ließ ich ihn ein paar Tage warten, genauer gesagt, eine Woche, in welcher er nach Berlin pilgern musste, bis ich ihm mein endgültiges Ja gab.
„Nun, gut", hatte ich ihn angeknurrt.
„Ist das ein Ja, Basti?", fragte er mich mit großen Augen.
„Ja, bring ihn rein, aber nur unter ein paar Bedingungen: es wird hier nicht rumgeleckt, alles wird professionell abgehen, ich werde ihn nicht anders behandeln, nur weil du ihn fickst, ist das klar?"
„Danke, Basti!"
„Und wehe, ich erwische euch beim ficken!"
„BASTI! Komm mal wieder runter."
„Jaja, schon gut, jetzt verpiss dich."

POV Tim

Berlin, jetzt, noch im Studio

„Basti kann manchmal echt so ein Rüpel sein."
„Ja, schon, aber zumindest hat er dich dann akzeptiert – und zwar sofort! Und das fand ich echt erstaunlich."
„Du redest von mir, als wäre ich ein neues Haustier, das noch nicht stubenrein ist!"
„Du warst ja auch mein neues Haustier – bisschen bissig, braucht Streicheleinheiten...", grinste ich ihn an und er zwickte mich in die Seite.
„Naja, aber bis jetzt sind wir doch alles relativ professionell angegangen." Wir machten gerade Pause und lehnten draußen an der Wand, mal wieder in Erinnerungen schwelgend. Ich mochte das sehr gerne – die alten Geschichten aufzugraben, über die guten und die schlechten Zeiten zu reden – es machte mir wirklich Spaß.
„Eigentlich war es generell erstaunlich, dass er das alles akzeptiert hat. Also, dass ich – beziehungsweise, dass wir beide – schwul sind und...ja."
„Auch wenn er eben oft ein richtiges Arschloch sein kann, glaub ich, dass er trotzdem zumindest einen Hauch von Moral hat."
„Hmm, vielleicht hast du recht."
„Es bringt ja auch nichts, darüber zu philosophieren", meinte Lukas und strich mir über die Wange.
„Sag mal, ansonsten weiß ja keiner davon, oder? Ich mein jetzt, außer unseren Freunden und Familien." Ich zog die Augenbrauen hoch und nahm einen langen Zug meiner Zigarette.
„Ja, aber...ich mein...müssen das denn alle wissen?" Lukas fing an, an seinem Daumen zu kauen und sah mich mit unschuldigem Blick an.
„Naja, also..."
„Ok, ich versteh dich schon, wir sind seit zwei Jahren zusammen und vielleicht sollte ich mal...mein Coming Out haben, aber irgendwie...ist mir nicht wohl dabei. Ich weiß nicht, wie das Trailerpark und Alligatoah beeinflussen wird, weißt du? Beide werden gerade richtig berühmt und...und ich hab' irgendwie Angst, dass wir dadurch Fans verlieren würden und..."
„Das ist doch dann deren Problem, wenn die so homophob sind."
„Ja, schon, aber..." Genervt drückte ich meine Zigarette aus.
„Du musst es ja wissen." Ich zog die Studiotür mit einem Schwung auf und stürmte hinein. Lukas folgte mir erst mal nicht.

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