Kapitel 23

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POV Tim
Bielefeld, August 2004
Ich war alleine ausgegangen, um mal jemanden für eine Nacht zu finden – so lief mein Leben momentan: kiffen, ficken (wenn ich mich überhaupt dazu aufraffen konnte, nach draußen zu gehen), (andere) Drogen nehmen, abschalten. Marcel wollte ich nicht dabeihaben, wie ich versuchte, mit Männern zu flirten. Wie gesagt: es machte ihm ja wirklich nichts aus, und doch kam es mir seltsam vor, meinen besten Freund, der, dem ich alles erzählen konnte, mit in „so eine" Bar zu nehmen. Also zog ich noch eine Line bevor ich mich aufmachte und am Ende hing ich leicht deprimiert an der Bar, mein inzwischen drittes Bier leerend und darauf wartend, dass mich jemand ansprach. Warum ich manchmal so scheu war, konnte ich mir nicht erklären. Es passierte einfach immer wieder. Dies war vor allem der Fall, wenn ich wusste, was (oder wen) ich wollte. Dann überkam mich eine Art Schüchternheit, die ich sonst nie hatte, da ich normalerweise ziemlich exzentrisch und aufgeschlossen war.

„Hi." Bingo. Der Mann, der mich ansprach, war höchstens fünfundzwanzig, hatte dunkle Haare und ein paar Tätowierungen. Eigentlich mein Typ.
„Hey."
„Darf ich mich zu dir setzen?"
„Na klar!" Wir fingen an, uns zu unterhalten, über unsere Hobbies, Berufe und Lebensstile. Und dann nahm ich ihn mit nachhause.

Berlin, jetzt
„Wann war eigentlich dein erstes Mal?", fragte mich Lukas, als wir aneinander gekuschelt im Bett lagen.
„Als ich fünfzehn war. Aber...mit nem Mädchen."
„Oh?"
„Ja, keine Ahnung. Sie wollte ihre Jungfräuligkeit verlieren, ich meine und dann hat sich das halt so ergeben. Sie war eine Freundin von mir, oder eher Bekannte. Und es war ziemlich...schwer für mich. Sie hat mich einfach nicht angemacht."
„War ja klar!"
„Ja, ich musste halt...ähm...naja. Sagen wir mal so: es kam mir ganz gelegen, dass sie Poster von ihren Lieblingsschauspielern an den Wänden hatte. Sonst hätte ich wahrscheinlich keinen hochgekriegt und dann einen Porno anschauen müssen. Oder so." Lukas sah mich an und bekam einen Lachkrampf.
„Wieso hast du sie dann gevögelt, wenn es so schwer für dich war? Oder eher, wie hast du sie dann gefickt?"
„Ähhh..." Ich musste nun selber schmunzeln.
„Ich hab' sie umgedreht."
„Nice." Ich dachte an den Abend zurück und schüttelte mich.

„Es war echt so seltsam gewesen. Sie wollte, dass ich ihr...helfe, damit es nicht so wehtut. Also, dass ich sie erstmal fingere und so weiter und ich fand das so eklig und falsch und...ja. Einfach falsch." Lukas lachte immer noch und langsam war mir das Ganze unangenehm.
„Hast du...hast du noch nie was mit ner Frau gehabt?"
„Nee, dazu bin ich zu schwul, ey."

POV Lukas
Neuenwalde, Mai 2005
„Alles ok?"
„Ja, klar." Ich zog mich an und wollte eigentlich so schnell wie möglich aus Marks Haus verschwinden. Weshalb, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass mir der Arsch wahnsinnig wehtat und ich auch keine Lust hatte, noch mehr zu machen. Eigentlich sollte er ja derjenige sein, der nun flüchtete, aber das ging ja schlecht, da wir in seinem Haus waren.
„Wieso gehst du dann?"
„Weil ich...noch Hausaufgaben machen muss."
„Lüg nicht."
„Mann, Mark! Willst du mich wirklich noch als Freund haben?"
„Ja, natürlich, wieso denn nicht? Wo kommt das denn jetzt her? Komm wieder zu mir, Lukas." Er stützte sich auf seinem Arm ab und sah mich fragend an. Vielleicht hatte ich etwas überreagiert.„Ähh...ich...ähh..."
„Dachtest du wirklich, dass ich dich, nachdem wir miteinander geschlafen haben, rausschmeißen würde?" Ich schluckte und sah zu Boden. Mark seufzte und stand auf. Ich sah erst auf, als er seine Hand unter mein Kinn schob.
„Das würde ich doch nie machen."
„Würdest du nicht?"
„Nein. Für wen hältst du mich eigentlich? Komm wieder ins Bett. Bitte." Wir waren noch sechs Monate zusammen und trennten uns schließlich, als wir uns entliebt hatten und als ich ehrlich gesagt die Schnauze voll hatte: von Marks dominanter Seite, von seiner Selbstliebe und seiner Arroganz, die immer präsent war, und nicht nur ein Hauch davon.

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