Kapitel 79

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POV Lukas
Berlin, jetzt
„Habt ihr euch jetzt endlich vertragen?"
„Ja, Basti..."
„Sicher? Weil Tim's Album echt bald raus muss und ich auch schon lange keine Liedersamples weder von ihm noch von dir bekommen habe. Arbeitest du überhaupt noch? Machst du überhaupt noch irgendetwas Produktives, was mir in der kleinsten Weise Geld einbringen könnte? Oder fickt ihr euch nur gegenseitig so oft in den Arsch, dass ihr viel zu wund seid um euch hinzusetzen und somit keine Zeit mehr für die Arbeit habt?"
„Mann, Basti! Wir arbeiten ja beide an unseren Alben, aber es kam halt so viel dazwischen in letzter Zeit und..."
„Jaja, blabla. Liebt ihr euch jetzt wieder oder was ist los?"
„Ja, schon."
„Wie, ja schon?"
„Ja, Mann! Wir lieben uns, wir arbeiten an unseren Alben, wir streiten uns nicht mehr, alles ist bestens. Was willst du denn noch hören, du fette Qualle?"
„Alter!" Daraufhin legte Basti auf und ich biss mir beschämt auf die Unterlippe. Ich wusste, dass ich gerade etwas Falsches gesagt hatte, etwas, was ich hätte vermeiden können, würde ich Bastis Wutausbruch nicht so ernst nehmen. Natürlich neckten wir uns innerhalb der Band immer wieder – manchmal konnten wir sogar richtig fies zueinander sein – aber wenn jemand Basti fett nannte, dann hatte derjenige echt mit ihm verschissen. Auch, wenn es eigentlich als Witz gemeint war, würde es lange dauern, bis Basti einem wieder verzeihen würde. Doch ich wusste ganz genau, dass ich Bastis Gefühle so richtig verletzt hatte – so absurd es auch klang. Wie ich das wieder richten würde, wusste ich jedoch nicht. Seufzend legte ich mein Handy neben mich und sah rüber zu Tim, welcher mich mit hochgezogenen Augenbrauen musterte.
„Alles ok?"
„Ja, schon. Basti stresst halt und..."
„Wegen den Alben?"
„Ja, genau."
„Ist doch egal. Du hast doch eh schon ziemlich viel fertig oder? Hast ja noch drei Monate. Ich hingegen – " Er sah auf sein Handy – „nur noch ein paar Wochen." Wäre ich Tim, hätte ich vermutlich einen Herzkasper erlitten und hätte mich so schnell wie möglich an das Album gesetzt. Doch Tim war mal wieder die Ruhe in Person und widmete sich weiterhin seinem Buch, während ich mittlerweile wortlos aufgesprungen war und auf dem Weg in mein Büro war.

„Wohin gehst du?", fragte mich Tim und ich drehte mich zu ihm um.
„Arbeiten?!" Er sah mich ungläubig an.
„Jetzt?"
„Ja, wieso nicht?"
„Aber in unserem Beruf braucht man dafür Inspiration. Das kommt von selber, das kann man nicht erzwingen." Ich machte eine genervte Grimasse und warf die Hände zur Seite, um zu zeigen, dass ich doch selber nicht wusste, was ich machen sollte. Tim jedoch zog die Mundwinkel nach unten und zuckte nur die Schultern. Natürlich war es nicht gerade die feine, englische Art meinen Gast einfach so alleine zu lassen, doch Bastis Worte hatten mir definitiv zu schaffen gemacht und leichte Panik breitete sich in mir aus. Ich seufzte, bevor ich mich hinsetzte und die Datei Musik ist keine Lösung öffnete. Bis jetzt waren meine Alben immer Konzeptalben gewesen, es gab immer einen roten Faden, der sich durch die einzelnen Lieder zog – nur leider war das Konzept meines neuen Albums nicht Liebe, so wie bei Triebwerke – denn dann würde mir das Produzieren um einiges einfacher fallen. Also, Liebe und Herzschmerz und das alles, was dazu gehörte, eben alles, was ich in den letzten Monaten erlebt hatte. Andererseits könnte es mir etwas schwierig fallen, das alles so schnell wie möglich zu produzieren, wenn das Konzept des Albums nur Liebe wäre. Ich schüttelte den Kopf, um die verwirrenden Gedanken zu beseitigen und schloss erstmal die Augen, um mich voll und ganz auf das Album konzentrieren zu können, bevor ich anfing, zu arbeiten.

POV Tim
Dass Lukas sofort Panik schob, nur weil Basti ihm die Hölle heiß gemacht hatte, hätte ich nicht gedacht. Deshalb ging ich ihm auch gar nicht nach, als er sich in seinem Büro verkroch, sondern blieb auf seiner Couch sitzen und grübelte vor mich hin. Ich hatte ja schon vor einiger Zeit angefangen, an meinem Album zu arbeiten. Ich hatte mich auch immer wieder mit Marcel, Bjet und Elch hingesetzt, Konzepte besprochen, irgendwelche Beats kreiert und mir Gedanken gemacht, ob ich überhaupt so eine Fanbox machen sollte. Am Ende kam ich zu dem Entschluss, dass ja, eine Fanbox wäre doch ganz nett, für mein erstes, richtiges Soloalbum. Außerdem standen die Kiddies drauf und es brachte mächtig Kohle rein. Also arbeitete ich auch immer wieder an Ideen, die ich oft wieder verwarf. Natürlich hatte mir die ganze Situation mit Lukas einerseits nicht geholfen – das, was zwischen uns passiert war, war nicht gerade ideal und hatte auch meine Arbeitspläne in die Ecke gedrängt. Andererseits brachte mich das Arbeiten auf andere Gedanken, vor allem da ich ja keinerlei Gefühle in meinen Songs verarbeiten wollte (auch wenn mir das vermutlich mehr geholfen hätte, als sämtliche Drogen zu nehmen). Ich seufzte und stand auf, mich in Lukas' Wohnzimmer umsehend, bis mir ein paar Fotos ins Auge fielen. Fotos von vor vielen Jahren, als Lukas und ich uns kennengelernt hatten, das erste Bandfoto mit Basti, Sudden und Vortex, auf welchem Letzterer mal wieder verpeilt durch die Gegend sah, Sudden, der mit der Sonnenbrille nach unten gezogen, in die Kamera grinste, Basti mal wieder rumfluchte, da er im richtigen Moment sein Bier über sich geschüttet hatte. Und Lukas und ich? Ich war kurz bevor das Foto gemacht worden war auf seinen Rücken gesprungen und hatte ihm meine Hände auf die Augen gelegt und seinen Nacken geküsst, während er blind in der Gegend rumstolperte. Lächelnd fuhr ich den Rahmen entlang, an diesen Abend zurückdenkend.
„Wir sind schon eine verrückte Crew", murmelte ich grinsend.

Daneben war noch ein Foto. Es zeigte mich schlafend auf der Couch, Heisenberg lag direkt neben meinem Kopf und hatte sich auf meiner Schulter zusammengerollt, obwohl er viel zu groß dafür war und Igors Katze lag ausgestreckt auf meinem Bauch. An dem Abend hatten wir aus irgendeinem (vermutlich keinem) Grund bei Igor gefeiert und natürlich war ich als Erster eingepennt. Ich lächelte, als ich dieses Bild erblickte, da es eigentlich ziemlich rar war, einzelne Fotos von mir in Lukas Wohnung zu finden. Jedes der wenigen Fotos zeigte immer nur uns beide, oder mit den anderen Jungs, oder Lukas und seine Familie. Auf einmal musste ich laut auflachen, als ich Fotos von unserem Poo Tang Clan-Shooting sah, in welchem wir uns alle in lächerliche Kostüme zwängen mussten. Lukas hatte es dabei am schlimmsten erwischt, denn er wurde als die Venus dargestellt, mit (fast) nichts, außer dieser blonden Perücke um seinen nackten Körper gewickelt.
„Alles ok?", hörte ich Lukas Stimme mich durch einen Spalt in seiner Bürotür fragen.
„Ja, ja klar, ich habe nur gerade dieses wunderschöne Exemplar hier entdeckt." Ich hielt das Foto hoch und zauberte somit ein Grinsen auf Lukas' Gesicht.
„Ja, das...das war ein interessanter Videodreh."
„Sehr sexy. Steht dir wirklich ausgesprochen gut. Schade, dass du das nicht öfters trägst", murmelte ich, als ich auf ihn zuging und ihm einen Kuss auf den Mund drückte.
„Tja. Ich würde ja gerne, aber dafür musst du dich schon öfters in deiner wunderschönen Schürze mit nichts drunter präsentieren." Ich runzelte die Stirn verwirrt und fragte dann:
„Hä? Schürze? Welche Schürze? Wovon redest du denn?"
„Na, hier." Er zückte sein Handy und zeigte mir ein Foto, auf welchem ich splitterfasernackt, nur in einer Schürze gekleidet durch meinen Garten lief. Ich schnappte mir das Handy und starrte ungläubig drauf.
„Wann war das denn?"
„Du kannst dich echt nicht mehr dran erinnern?"
„Nee?!"
„Vor zwei Jahren, bei Sudden war das, glaub ich. Du und Igor, ihr habt ein paar Pillen geschluckt und gekokst und seid dann erst nackt und später eben mit den Schürzen von Sudden's Mutter durch den Garten gerannt." Ich grinste, konnte mich aber bei besten Willen nicht an diese Nacht erinnern. Es schien jedoch so, als wäre es ziemlich witzig gewesen – ausnahmsweise für alle Beteiligten.
„Ach, Luki-Schatz, wir haben schon viel durchgemacht, ne?" Ich tätschelte seine Wange, welche er an meine Hand schmiegte.
„Ja, schon. Irgendwie bin ich schon froh, euch Verrückten kennengelernt zu haben."
„Nur irgendwie?"
„Ja, sonst wäre ich vermutlich jetzt mit einem Arzt verheiratet oder würde einen Regisseur poppen", meinte er grinsend.
„Das glaubst du doch selber nicht!" Wir brachen beide in schallendes Gelächter aus, ehe wir uns leidenschaftlich ansahen und wild knutschend irgendwann im Bett landeten. Ich konnte mich definitiv glücklich schätzen, diesen Mann meinen Freund nennen zu können.

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