Kapitel 83

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POV Tim
Bielefeld, eine Woche später
Lukas und ich sprachen noch viel über die Idee mit der gemeinsamen Wohnung und je öfter ich darüber nachdachte, dass ich bald nach Berlin ziehen würde, desto mehr Zweifel kamen mir, auch wenn ich anfangs fast enthusiastischer als Lukas war. Wollte ich das überhaupt? Hatte ich nicht immer schon Berlin abgrundtief gehasst? Oder würde Lukas das alles besser machen? Und was sollte ich überhaupt mit meinem Haus in Bielefeld machen? Da ich meine Gedanken nicht unbedingt mit Lukas teilen wollte, um ihn nicht zu verletzen, entschied ich mich, den Rat von Marcel und Luis zu suchen, vor allem, weil beide ja auch in Bielefeld waren, mich sowieso wahnsinnig gut kannten und ich noch dazu meine Ruhe von der lauten Großstadt hatte und mal richtig nachdenken konnte.
„Wieso hast du denn jetzt Zweifel, Timi? Ihr kennt euch doch schon lange, ihr tourt schon so wahnsinnig lange miteinander, da sollte es doch ein Kinderspiel sein, wenn ihr zusammenzieht", meinte Marcel, während er sich einen Joint rollte.
„Ja, schon, aber irgendwie...ich habe da kein gutes Gefühl. Eigentlich will ich ja hier bleiben. Ich liebe Bielefeld. Berlin ist mir einfach zu groß und zu laut."
„Das sagst du schon seit Jahren und trotzdem findet man dich immer wieder in Bielefeld's bekanntesten Clubs, wo die Musik gar nicht mal so leise ist und man fast jeden existenten Bielefelder antrifft, anstelle tagtäglich in den vielen schönen landschaftlichen Gegenden abzuhängen", sagte Luis und warf mir einen missbilligenden Blick zu.
„Ach, Mann, ich mag halt auch mal meine Ruhe haben und Lukas will das sowieso. Ich meine...ich habe es ja vorgeschlagen und er hat eingewilligt aber trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob das nicht vielleicht ein Schritt zu weit ist."
„Naja, wenn ihr jetzt heiraten würdet, dann wäre das etwas...überraschend. Aber es ist doch nichts Schlimmes, wenn man zusammenzieht. Es wird etwas ungewohnt sein, klar, aber ich denke, dass ihr beide das hinkriegt. Ihr seid erwachsene Männer, die sich schon so lange kennen, die schon seit Ewigkeiten miteinander touren und zusammen sind. Wirklich, Timi, da musst du dir keine Sorgen machen, das packt ihr schon." Marcel schaffte es wirklich immer, mich zu beruhigen, egal, in welcher Situation ich mich gerade befand. Es war das Gleiche damals, als ich meinen Eltern sagte, dass ich die Schule schmeißen würde, als wir unseren ersten Auftritt hatten, als ich versuchte, Lukas in Berlin zu finden, als ich mein erstes Meeting mit Basti hatte. Natürlich war Gras immer in diesen Situationen involviert, und doch denke ich, dass mir Marcels Beistand am meisten geholfen hatte.
„Ja, schon, aber...meinst du, wir kriegen das hin? Er hat mich betrogen, ich habe Nick geküsst, irgendwie stimmt da doch etwas nicht."
„Ich würde nicht gerade sagen, dass eure Beziehung gewöhnlich ist, was jetzt auch nicht gerade verwunderlich ist, wenn man euch beide anschaut, aber ich glaube trotzdem, dass ihr beide sehr wohl imstande seid, eine – " er machte mit Zeige- und Mittelfinger beider Hände Anführungszeichen in der Luft – „normale Beziehung zu führen."
„Wer redet denn von einer abnormalen Beziehung?"
„Du, Tim", meldete sich nun Luis zu Wort, nachdem er einen langen Zug von meiner Bong nahm, den Kopf in den Nacken warf und den Rauch in die Luft blies.

„Wieauchimmer, dir macht es doch auch keinen Spaß, immer wieder mit dem Zug nach Berlin zu fahren oder Lukas ständig vom Bahnhof abholen zu müssen, dass ihr euch in guten Fällen immer nur alle paar Tage seht, und in den viel häufigeren Fällen alle paar Wochen. Dass du keine Ahnung hast, was er macht, wenn du nicht da bist, dass du nicht weißt, ob er gerade mit wem anders..."
„Ok, ok, ich versteh schon. Dass ich einfach nicht genau weiß, was Lukas gerade ohne mich macht. Schon verstanden." Ich schnaubte verächtlich auf und erntete mir dadurch ein Augenrollen von Marcel, während mein Bruder sich voll und ganz auf meine Bong konzentrierte und anscheinend jegliche Details der Konversation dadurch verpasst hatte.
„Ich glaube –" meinte Luis und hustete verdächtig laut – „dass Timi Angst hat." Ich warf ihm einen empörten Blick zu und boxte dem laut auflachenden Marcel in den Oberschenkel.
„Das glaube ich allerdings auch", meinte dieser und wich mir diesmal geschickt aus.
„Wovor soll ich denn bitteschön Angst haben?"
„Dass es nicht klappt. Dass du am Ende doch lieber etwas Abstand zu Lukas gewinnen willst, dass ihr euch ständig streitet..."
„...dass du keine Drogen mehr nehmen kannst", fiel Luis Marcel ins Wort.
„Alter!"
„Stimmt doch. Du hast Angst, dass du nicht mehr so leben kannst, wie du es eben tust. Dass Lukas dich verändert. Egal, wie sehr du ihn liebst, so wie er willst du nicht sein, das weiß ich ganz genau, Tim."
„Darum geht es doch gar nicht!" Ich war auf einmal aufgesprungen und stand nun Arme überkreuzt vor den beiden, die mich leicht entsetzt anstarrten.

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