Kapitel 17

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POV Tim

Berlin, April 2012
Nach der gemeinsamen Dusche hatten Lukas und ich noch einige Zeit miteinander verbracht. Drei Tage, um genauer zu sein. Anders als bei One-Night-Stands hatten wir Telefonnummern und Adressen ausgetauscht. Am letzten Tag saßen wir gemeinsam auf Lukas' Balkon und genossen die Frühlingssonne, als ich ihn auf seinen Beruf ansprach.
„Wir haben noch gar keine Details voneinander ausgetauscht."
„Was meinst du?"
„Was machst du eigentlich beruflich?"
„Oh." Er schien zu überlegen, was mich vollkommen verwirrte. Ich begann am Stuhl rumzuzupfen, bis er endlich den Mund aufmachte.
„Musik. Und Schauspiel. Also eigentlich Rap. Also..."
„Ja, was denn jetzt?", lachte ich.
„Ja, das alles halt. Und du?"
„Rap. Lustigerweise, eigentlich." Lukas sah mich mit großen Augen an, so als hätte er endlich das gefunden, was er schon seit Jahren suchte.
„Jetzt echt?"
„Ja, Mann! Deshalb lach ich ja grad so." Vielleicht war es wirklich Schicksal, dass wir uns kennengelernt haben.

POV Lukas
Jetzt
Auch wenn ich es nicht für möglich gehalten hatte: den Fans schien unser Bühnenkuss gefallen zu haben. Sie jubelten und schrien und Tage danach gab es immer noch Tausende von Kommentaren und Likes auf dem Video. Klar gab es Spekulationen, ob Tim und ich zusammen seien, doch wir wollten sie immer noch im Dunkeln tapsen lassen. Eigentlich war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt so viel von meinem Privatleben verraten wollte. Basti war glücklich, Sudden fand die ganze Aktion immer noch unglaublich witzig und Igor war so stolz auf sein kleines Filmchen, dass er es jedem, der es sehen wollte und jedem, der es nicht sehen wollte, zeigte. Irgendwann hatte ich genug von dem ganzen Theater und zog mich – wie so oft auf Tour – zurück. Ich wusste, dass Timi bald wieder gehen musste, und es tat so weh. Dieses ständige Hin- und Her, dass er immer nach Berlin fahren musste oder ich nach Bielefeld machte mich wahnsinnig. Ich rollte mich in meiner Kabine im Bus zusammen und musste nur wenige Minuten warten, bis Tim sich zu mir legte.

„Ich liebe dich, Lukas."
„Ich dich auch." Er küsste meine Wange und rutschte umständlich näher an mich ran, mit einer Hand den Vorhang schließend. Ich starrte die graue Stoffwand an, während mein Freund mir über den Arm strich, immer und immer wieder. Man hörte zwar Lärm von den Jungs vorne, jedoch waren sie respektvoll genug, um zu wissen, dass wenn einer mal alleine sein wollte, er den Vorhang zuzog und dann einfach nicht gestört werden will. Sogar Basti hatte manchmal solche Phasen. Sie waren selten, aber sie existierten.

Wir sahen sicherlich seltsam aus, wenn man bedachte, dass ich der Größere von uns beiden war und dann der „kleine Löffel" war, während Tim außen lag. Und doch war es angenehm. Meine Lieblingsposition. Also, zum Kuscheln. Wie ich seine Knie in meinen Kniekehlen spüren konnte, seinen Atem an meinem Nacken, sein Arm um mich geschlungen, seine Füße zwischen meinen. Ich wusste, dass wir uns ein paar Wochen lang nicht sehen konnten. Die ersten Tränen rollten über mein Gesicht und tropften auf Tims Arm.
„Hey!", sagte er sanft, mich zu ihm drehend.
„Wein' doch nicht. Ist doch nicht für lange." Er wischte mir mit dem Daumen über die Wange und ich schluckte, damit nicht noch mehr Tränen kommen würden. Ich wollte das nicht, ich wollte nicht ständig weinen, wenn einer von uns mal wieder gehen musste.
„Ich heule nicht." Er lächelte mich kopfschüttelnd an und drückte mir einen langen Kuss auf den Mund.

POV Tim
Im Bus, kurz vor Bielefeld
„Ich will nicht, dass du wieder gehst." Lukas drückte sich so fest er konnte an mich und ich spürte, wie mein Hemd nass wurde.
„Ich will doch auch nicht gehen, Schatz, aber ich muss!"
„Wieso eigentlich? Ich mein, seit Jahren machen wir jetzt dieses Hin-und Hergefahre, mal bist du hier, mal bin ich in Bielefeld. Das ist doch Scheisse. Bleib doch hier." Ich dachte an Lukas' Wohnung in Berlin. Seitdem wir zusammen waren, war er dreimal umgezogen. Die Wohnungen waren immer größer geworden, immer schöner, mit immer weniger Mitbewohnern. Aber mir gefiel auch mein Haus, zu dem mir mein Großvater vor nicht allzu langer Zeit die Schlüssel übergeben hatte. Ich liebte ihn, meinen Großvater. Er war so ein liebenswerter Mensch, er hatte mich immer verstanden, war immer für mich da gewesen und war auch jetzt immer für mich da.

„Liebling, du weißt doch, dass ich das nicht kann."
„Du sagst immer wegen deiner Arbeit, aber du machst doch eh den ganzen Tag nichts!" Kurz darauf schlug er die Hände vor den Mund, ging ein paar Schritte zurück und starrte mich an. Ich war sprachlos. Normalerweise war er nicht so gehässig.
„Na, vielen Dank auch, Herr Großverdiener!"
„Tim, ich..." Er machte einen Schritt auf mich zu, doch ich wehrte ihn ab.
„Fass mich jetzt ja nicht an! Ich muss mein Zeug zusammenpacken."

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