Kapitel 26

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POV Lukas
Berlin, jetzt
Tim grinste mich an und stand dann auf, um etwas aus seiner Tasche zu holen. Die Aufregung machte sich in meiner Brust breit – ich war ganz schön gespannt, was er mir geben würde. Die letzten Jahre waren ein ziemliches Hit-and-Miss mit uns beiden und Geschenken gewesen: mal gab er mir etwas Wunderbares, und ich ihm etwas, was ihn nicht gerade begeisterte, und mal war es umgekehrt. Tim hielt mir schließlich ein mittelgroßes Päckchen hin, welches sehr männerhaft eingepackt wurde – nicht gerade liebevoll, ein bisschen Geschenkpapier, eine farblose Schnur, nur das Nötigste eben. Ich sah ihn fragend an, als ich das Päckchen entgegennahm und zog langsam an der Schnur, während mein Freund ungeduldig auf den Tisch trommelte. Mehrere Sachen fielen in meinen Schoß: ein kleines Fotoalbum, ein Notizbuch und eine CD.
„Alles für mich?"
„Natürlich." Ich sah mir die CD genauer an: sie schien selbstgemacht, wahrscheinlich Lieder, die Tim komponiert hatte. Seltsam, normalerweise macht er nur so etwas, wenn er Geld braucht und es sich verkaufen lässt.
„Ähm...hör dir die CD an, wenn ich weg bin."
„Wieso?"
„Weil einfach." Ich hob die Augenbrauen und sah mir dann das Fotoalbum an. Es war voll mit Fotos von uns beiden, von den Anfängen, bis über vergangene Geburtstage, Jahrestage, Weihnachten. Es war richtig schön gemacht: Tims Kunst verzierte jede Seite und mir stiegen Tränen in die Augen, als ich über die gemeinsamen Fotos strich.

„Lukas! Was...was ist denn los? Wein'...wein' doch nicht. Hab' ich...irgendwas falsch gemacht?" Besorgt ging er auf mich zu und kniete sich vor mich, beide Hände um meine legend. Sein Daumen strich über meine heißgewordene Wange, über meinen Bart, die Tränen von meinen Lippen entfernend.
„Nee, es ist...es ist nichts." Ich wischte mir über die Augen und starrte konzentriert auf die Sachen in meinem Schoß. Noch ein Geschenk, das Notizbuch. Ich öffnete es. Es schien eine Art Tagebuch zu sein, mit dem Datum, an dem wir uns kennengelernt hatten, anfangend. Ich las durch Tims Gedanken, seine Sorgen, dass er mich nie wieder sehen würde, wie schön er mich gefunden hatte, dass er mich finden wollte.

Montag, 12. Dezember 2011
Dann fang ich mal an. Erstens: das hier sind Notizen – es ist kein Tagebuch, nur damit das klar ist! Zweitens, hab' ich mich verliebt. Und drittens: ich habe heute den schönsten Mann, den ich je gesehen habe, kennengelernt. Er hat helle Haare, richtig süße Hasenzähne und ist ziemlich groß (also, von seiner Körpergröße her. Was sein bestes Stück betrifft, weiß ich leider noch nichts). Ich glaube, er heißt Lukas und scheint in Berlin zu leben.
Dort hab' ich ihn getroffen. Ich hab' ihn einige Zeit lang beobachtet, bevor ich mich getraut hatte, auf ihn zuzugehen. Er schien so nervös und dann dieser Typ, auf den er zuging. Der schien irgendwie komisch. Hoffentlich werde ich ihn bald wieder sehen. Ich vermisse ihn jetzt schon.

Samstag, 30. Dezember 2011
Bald ist Neujahr und ich bin wieder mal alleine. Klar, Marcel ist da, aber der genügt mir nicht als sozialer Kontakt. Ich will Lukas. Ich will ihn endlich kennenlernen, ich will ihn bei mir haben. Er ist so wunderschön. Ich liebe seine Stimme, seine Augen, seine Haare. Wie werde ich ihn wieder finden?

Freitag, 19. Januar 2012
Ich werde heute nach Berlin fahren. Marcel – der gute Mann – hat mir ein Ticket gebucht, damit ich Lukas finden kann. Eigentlich lächerlich: in einer drei Millionen Stadt die Liebe meines Lebens finden zu wollen...Vielleicht klappt es ja doch. Ich wünsche mir nichts sehnlicher.

Ich blätterte etwas vor und spürte Tims leicht nervösen Blick auf mir ruhen.

Donnerstag, 7. März 2012

Ich war jetzt zum zweiten Mal in Berlin und hab ihn nicht finden können. Noch nicht mal Basti konnte mir helfen – wozu ist der eigentlich gut? Der kokst und kommandiert nur rum. Ich will Lukas finden. Ich glaube, nein, ich weiß, dass ich mich in ihn verliebt habe – so richtig, so, als würde ich ihn kennen. Was macht er eigentlich? Er kam mir so vor, als wäre er Schauspieler. Theaterschauspieler. Vielleicht ist er auch Künstler. Ich habe ihn letztens gemalt...also, so, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Es sah leider nicht besonders gut aus.

„Timi, das ist..."
„Ein bisschen peinlich? Ja, sorry...ich...ich dachte nur, dass es dir...also...vielleicht gefallen würde. Ich mein...ähm...du musst es ja auch nicht lesen." Er griff nach dem Buch, welches ich nach hinten von ihm wegzog.
„Wieso denn nicht?"
„Weil...weil das doch nicht so interessant ist."
„Ich finde es schon interessant." Tim war total rot angelaufen und schluckte mehrmals, während er panisch in meiner Küche umher sah.
„Ich finde dein Geschenk total schön." Ich lächelte ihn an und zog ihn zu mir.
„Ich finde dich total schön." Tim erwiderte mein Lächeln und drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Das hier ist kein Wettbewerb!"
„Weiß ich doch."
„Ich liebe dich."

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