Kapitel 98

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POV Lukas
Berlin, jetzt
Völlig außer Atem lagen mein Freund und ich nebeneinander.
„Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht", murmelte ich und strich über Tims nackten Bauch. Tim antwortete nicht, sondern zog nur lange an seiner Zigarette und starrte an die Decke. Eigentlich mochte ich es nicht, wenn er in der Wohnung rauchte, schon gar nicht im Bett. Jedoch fand ich ihn unglaublich sexy, wenn er so an der Kippe zog, die Augenbrauchen ein wenig zusammenzog und den Rauch dann ausblies. Vor allem wenn Tim das alles nackt machte. Ich spürte wie es sich angenehm in meiner unteren Magengegend zusammenzog und merkte, dass ich schon wieder erregt war. Tim setzte sich kurz auf, streckte seinen Arm über mich und schnappte sich seine Brille, die er klugerweise auf dem Nachttisch abgelegt hatte (wir hatten selten Sex im Bett während Tim seine Brille aufbehielt. In manchen Situationen hatte er jedoch keine Zeit die Brille abzulegen). Bevor er sich wieder zurücklegte, warf er mir einen Blick zu und strich mir liebevoll über die Wange.

„Ich liebe dich, Lukas."
„Ich liebe dich auch." Tim stellte sich mit meiner Antwort zufrieden und legte sich wieder hin.
„Wieso machen wir das so selten?"
„Was denn?"
„Einfach so untertags Sex haben."
„Weil wir schon seit über fünf Jahren zusammen sind? Weil wir immer zu müde sind? Weil wir uns zu sehr an Blümchensex gewohnt haben? Weil wir im Alltag stecken geblieben sind?" Weil du zu oft drauf bist...
„Findest du, dass wir Blümchensex haben?"
„Für schwule Verhältnisse schon." Tim grinste mich frech an und küsste sich dann schnell an meinem Bauch entlang. Ich bin ganz schön kitzelig und musste laut auflachen. Die romantische Atmosphäre war damit hinüber.

„Was denn? Was denn? Ist der Herr etwa kitzelig? Ist das etwa zu viel?", fragte mich Tim lachend und legte sich zwischen meine Beine, sodass seine Brust auf meinem Bauch lag. Lächelnd sah ich ihn und fuhr ihm ein paar Mal durch die Haare.
„Heirate mich."
„Was?"
„Heirate mich", wiederholte ich und zuckte kurz zusammen, weil die Asche die Zigarette meines Freundes auf meinen Arm fiel.
„Oh, Scheisse, sorry Lukas. Alles ok?", fragte Tim während er schnell die Asche wegstrich.
„Alles gut", antwortete ich ruhig.
„Meintest du das ernst?"
„Was denn?", fragte ich grinsend. Mein Freund rollte die Augen und tippte einmal kurz auf mein Herz.
„Das mit dem Heiraten."
„Schon." Ich konnte förmlich sehen, wie es in Tims Kopf ratterte und wie er versuchte, meinen Worten einen Sinn zu geben. Und wie er versuchte, nichts Falsches zu sagen.
„Wie meinst du das?", fragte er mich noch einmal.
„Ich will dich heiraten, Tim. Ich liebe dich so unendlich und irgendwie...wir passen doch zusammen. Wir gehören doch zusammen." Auf einmal fing Tim an, immer mehr zu grinsen.
„Ja", sagte er nach einer gefühlten Ewigkeit. Ich sah ihn nur fragend an.
„Ja, ich...will?", fragte er anschließend, so als wäre er sich nicht sicher, ob das die richtige Antwort war.
„War das jetzt ein Ja, oder bist du dir nicht sicher?", fragte ich lachend. Eine richtige Antwort bekam ich nicht. Tim nahm lediglich mein Gesicht in seine Hände und sah mir tief in die Augen.
„Schaffen wir das? Nur du und ich, kein anderer? Kein Matthias und kein Nick? Sex nur zwischen uns beiden, für immer und ewig? Ich...also, wenn ich versuche mich zu bessern und weniger Drogen zu nehmen...zumindest weniger harte Droge. Für dich." Den letzten Satz fügte Tim etwas leiser mit gesenktem Blick hinzu. Er ließ mein Gesicht los und setzte sich auf. Ein paar Minuten, oder Sekunden, ich wusste es nicht mehr, sahen wir uns einfach nur an. Bis ich mich aufsetzte und es mir auf Tims Schoß gemütlich machte. Wir saßen wieder einfach nur so da, bis ich meinen Freund leidenschaftlich und sehr, sehr lange küsste.

POV Tim
Lukas überraschte mich sehr. Ich wusste immer schon, dass er das traditionelle Zusammenleben schätzte, doch Heiraten? Das hätte ich ihm nicht zugetraut. Ich sah kurz zu meinem Freund auf, der sich umständlicher Weise auf meinem Schoß gemütlich gemacht hatte und seine lange Nase an meinem Hals eingenistet hatte.
„Na, du?", fragte ich ihn mit weicher Stimme. Zufrieden lächelte er mich an und schloss dann die Augen, bevor er sich wieder an mich kuschelte.
„Machen wir das jetzt öffentlich?", murmelte Lukas gegen meinen Hals. Ich seufzte lautlos auf und wusste nicht, was ich sagen sollte. Basti lachte uns eh immer aus, den würde solche Nachrichten auch nicht umhauen. Steven würde vermutlich nur: „Yeah, geil, Alter!" schreien und uns teuren Vodka mit Goldblättchen zur Hochzeit schicken. Und Igor? Ich hatte das Gefühl, dass Igor der Einzige wäre, der uns aufrichtig gratulieren würde und der uns ein richtiges Geschenk machen würde. Er würde es uns vermutlich nach der Hochzeit überreichen, wenn keiner gerade zusah und uns jeweils kurz auf die Schulter klopfen und gleichzeitig einen Blick à la „Ich bin stolz auf euch. Ihr macht das schon richtig" zuwerfen.

Lächelnd dachte ich darüber nach, wie Lukas und ich heiraten, wie es ganz im Ruhigen wäre, nur mit unseren Familien und es dann Basti und den anderen erst sagen, wenn alles vorbei wäre, damit die die Feier nicht ruinieren würden. Oder wir müssten Basti einen Crashkurs im Benehmen geben, damit er sich nicht daneben benahm. Kopfschüttelnd lachte ich kurz auf, als ich daran dachte, wie Basti einen richtigen Anzug trug, Rotwein soff und mit Lukas Vater darüber philosophierte, ob die Asylbewerber nun auch in andere Länder gehen sollten, oder ob Deutschland sich revanchieren sollte und weiterhin alle aufnehmen sollte.
„Woran denkst du?", unterbrach Lukas meine Gedanken.
„An die Asylanten." Mein Freund sah mich verwirrt an und wartete geduldig auf eine Erläuterung. Ich räusperte mich und erzählte ihm von meinem seltsamen Tagtraum. An dem Abend hatten wir noch dreimal Sex. Und Lukas zeigte mir eine Seite, die ich noch nie gesehen hatte, aber an die ich mich gewöhnen konnte.

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