Entführt

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Schwarz. Vor meinen Augen war alles schwarz. Ich hatte keine Ahnung wo ich war. Mein Kopf dröhnte und mein Atem ging schwer. Verzweifelt probierte ich mich zu errinern, was passiert war. Langsam kam mir alles wieder in den Sinn...

5 Stunden zuvor

"Geh jetzt endlich mit dem Hund raus, Manu!!" schrie meine Mutter wütend. Cookie, der Terrier meiner kleinen Schwester bellte erwartungsvoll. Mit einem kleinen Stoß schupste ich ihn von mir weg.

"Geh du doch mit ihm!" brüllte ich zurück. "Ich hab anderes zu tun als mit dem Hund meiner Schwester rumzulatschen, nur weil die auf Klasenfahrt ist!" "Manu!" schrie Mama. Sie riss die Tür auf und starrte mich ärgerlich an. Ich war unglaublich wütend. Heute war einfach alles schief gelaufen: Mathearbeit, Physik und dann noch mein dämlicher Bruder, der unseren Internetempfang geschrottet hatte, nur weil er unbedingt alle Knöpfe an unserer Festplatte  ausprobieren wollte.

Ich war echt total fertig. Außerdem hatte Cookie grade meine Lieblingsschuhe im Maul, was meine Laune nicht gerade besser machte. Ich hätte heulen können! Stattdessen schnappte ich mir meine Jacke und rannte einfach aus dem Haus - ohne Cookie. Ich hörte ihn hinter der Haustür enttäuscht bellen. Meine Mutter rief mir etwas hinterher, aber da war ich schon auf der anderen Straßenseite.

Ich lief immer weiter. Erst ganz oben auf einem Hügel von dem man die ganze Stadt sehen konnte, blieb ich erschöpft stehen und setzte mich auf einen Stein. Ich wollte einfach nur allein sein. Tief durchatmend schloss ich die Augen. Plötzlich hörte ich hinter mir eine Stimme die flüstere: "Ist sie das?" Sofort drehte ich mich um, doch da wurde mir ein Tuch mit einem merkwürdigen Geruch vor die Nase gedrückt.  Verzweifelt probierte ich, mich zu wehren und schlug um mich. Doch auf dem Tuch musste Betäubungsmittel sein, denn meine Arme wurden immer schwächer. Kurz bevor ich das Bewusstsein verlor merkte ich, wie jemand mich packte und hochhob. Dann fiel ich in ein schwarzes Loch.

5 Stunden später

Noch immer hielt ich die Augen geschlossen. Ich war entführt worden. Entführt! Ich würde sterben! Ermordet werden! Bilder schossen durch meinen Kopf: Zeitungsartikel, voll von Berichten über Entführer die Leute ohne Grund ermordeten, Kidnapper, Vergewaltiger, Leichen die im Wald gefunden wurden....

Momentmal! Wald? Das hier fühlte sich eher an wie ein Bett. Zwar nicht ganz weich, aber es war trotzdem ein Bett. Gerade als ich meine Augen öffnen wollte, hörte ich ein Geräusch. Ich hielt den Atem an. Langsam brach Panik in mir aus. Schritte kamen näher. Jemand beugte sich über mich. Ich hörte jemanden regelmäßig atmen. Mein Herz raste wie verrückt. "Jetzt passiert es." dachte ich.

"Ich werde ermordet ich.." Da spürte ich auf einmal eine warme Hand sanft über meine Stirn strich. Das kam so unerwartet, dass ich zusammenzuckte und die Augen aufriss. Ich lag in einem winzigen Zimmer ohne Fenster. Die Wände waren gelblich und beschmutzt, zwei Betten standen links und rechts an der Wand. Auf dem linken lag ich. Ansonsten standen keine weiteren Möbel mehr im Raum. Es war kalt und ungemütlich. Doch das alles realisierte ich nicht.

Denn vor mir stand ein Junge in meinem Alter. Er musste es gewesen sein, der mir über die Stirn gestrichen hatte. Als ich hochgefahren war, war er erschrocken zurückgewichen. So stand er da, die Hand leicht erhoben und die Augen geweitet. Er blickte mir voll ins Gesicht und ich ihm und ich konnte meinen Blick nicht abwenden: Er war der hübscheste Junge der mir je begegnet war.

Als sein Blick mich regelrecht durchbohrte schaute ich auf den Boden. War das mein Entführer?  Was hatte er mit mir vor? Ich fing an zu zittern. Angstvoll blickte ich wieder zu ihm auf. Er ging ein paar Schritte zurück bis er auf das andere Bett stieß. Dann räusperte er sich: "Hallo!" Beim Klang seiner Stimme zuckte ich zusammen. Heiser suchte ich nach Worten. "Ich..hast du...bist du...warum hast du mich entführt? Was willst du von mir? Ich habe dir nichts getan! Bitte.." Meine Stimme versagte. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich blickte zur Seite und schlang die Arme um meinen Körper. "Du denkst ICH habe dich entführt?" fing der Junge an. Er sah ehrlich bestürzt aus. Natürlich dachte ich das. Er hatte mich entführt. Wer sonst? Eine Träne rollte meine Wange hinunter. Sofort schnappte der Junge nach Luft.

"Hey!! Weinst du? Ich.. Du brauchst nicht weinen!" Er blickte mich entsetzt an. Doch eine neue Träne folgte der ersten und ich begann zu schluchzen. Der Junge blickte mich an. "Ich habe niemanden entführt. Ich gehöre selber zu den Opfern." sagte er bitter. "Was?" Ich unterbrach mein Heulen um in verwirrt anzustarren. Er grinste schwach. "Wenn du aufhörst zu weinen erklär ich es dir." Er setzte sich aufs Bett, das unter seinem Gewicht quietschte. "Und, ach ja: ich bin übrigens Liam."

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