Der Gang

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Liams Sicht

Ein erneuter Hustenanfall packte mich. Es hörte sich furchtbar an. Ich wurde durchgeschüttelt und es fühlte sich an, als würde ich alles auskotzen was ich jemals gegessen hätte. Ich musste würgen und auf einmal war meine Luftröhre wie zugeschnürt. Ich fühlte wie ich rot anlief, ich wurde panisch. Verzweifelt probierte ich Luft zu holen. Vor meinen Augen wurde es immer schwärzer. Meine Lunge presste sich zusammen und ich musste röcheln. Das letzte was ich sah, war die Angst in Manus Augen... Angst um mich?

Manus Sicht

Scheiße! durchzuckte es mich. Liam

sah aus als würde er jeden Moment sterben. Auf einmal verdrehte er die Augen und sank zu Boden. "Liam!" schrie ich panisch. Ich sprang zu ihm und rüttelte ihn an seinen Schultern. Nein! Tränen fingen an mir über die Wangen zu laufen.

Lass mich hier nicht alleine!

Aufeinmal fing Liam wieder an zu atmen. Fast gleichzeitig sprang die Projektion über meinem Bett an und ich sah die unheimliche Gestalt des Mannes mit dem schwarzem Umhang. Liam keuchte und ich drehte mich schnell zu ihm um. "Liam?" Er blickte mit weit geöffneten Augen an mir vorbei. "Wollt ihr, dass das nocheinmal passiert?"

Die kalte Stimme des Mannes ließ mich zusammenzucken.

"Ihr habt noch genau 1 Minute um euch zu beraten: Ihr habt die Wahl! Entweder sterben oder leben, denn Ich kann über Leben und Tod bestimmen. Willst du, liebes Kind..." Ich hatte das Gefühl dass er mir direkt ins Gesicht schaute, mit kalten, gefühllosen Augen, die mich durchbohrten.

"Willst du, dass er stirbt? Wenn nicht, dann stell dich in genau 1 Minute auf die Luke. Ansonsten verabschiede dich schon einmal von deinem Freund!"

Das Bild flimmerte und verschwand dann. Ich hatte vergessen zu atmen und sog jetzt gierig die Luft ein. Ich stand auf und wollte zur geschlossenen Luke gehen, als Liam mich am Arm festhielt."Nein!" Er funkelte mich mit seinen braunen Augen an und ich fühlte in meinem Bauch eine Wärme hochkriechen, die meinen ganzen Körper erfüllte. Schon allein deshalb kann ich dich nicht sterben lassen, Liam!

"Nein!" wiederholte er. "Du wirst das nicht machen! Bitte! Komm schon! Wer weiß was die mit dir machen?"

Panik schoss in mir auf. Aber ich bemerkte mit Staunen, dass diese Panik nicht annähernd so schmerzhaft war, wie gerade eben, als Liam seinen Hustenanfall bekommen hatte und ich gedacht hatte er stirbt. Mann...was ist mit mir los?

Liams Sicht

Ein Gong ertönte. "Noch 30 Sekunden" schnarrte eine Stimme und man hörte ein gleichmäßiges Ticken. Sie darf das nicht machen. Scheiße! Sie kennt mich noch nichtmal 3 Tage und jetzt will sie sowas machen? Ich sah sie an, ihre Augen waren entschlossen zusammen gekniffen und in ihrem Blick war eine panische Verzweiflung. Als ich daran dachte, dass dieses zierliche Mädchen bei den Launen eines Entführers mitspielen musste, machte mich wütend. Sie wollte mich retten? Das war meine Rolle! Ich wollte SIE beschützen und nicht umgekehrt.

Manus Sicht

Die Uhr tickte. Noch 20 Sekunden... Liam konnte mich jetzt von nichts mehr abbringen. Ich stellte mich auf die Luke. Er stöhnte auf. "Nein..!" Seine Hand fasste meine und wollte mich zurückziehen. Ich wehrte mich. "LASS DAS!" schrie ich ihn an. "Ich will nicht dass du STIRBST! Ich schaffe das! Ich..." meine Stimme versagte und ich fing an zu weinen. "Manu!" Entsetzt umfasste Liam meine Schultern. Noch 10 Sekunden.

Doch auf einmal biss Liam die Zähne zusammen und zog mich an sich. Er drückte mich an sich, so fest dass ich keine Luft mehr bekam. Als wollte er mich nie mehr loslassen. Mein Herz klopfte, als würde es gleich in viele kleine Teile zerspringen. "Liam..." flüstere ich und wollte ihm nur sagen, dass alles gut werden würde, doch da ruckte die Platte der Luke auf der wir standen. Plötzlich verlor ich den Boden unter den Füßen. Liam packte mich. Ich schrie. Unter mir war nur noch schwarze Dunkelheit! "Neiiin! Liam! HILFE!" brüllte ich verzweifelt doch ich hörte nur noch eine kalte Stimme die rief: "Lass sie los!" und dann wurde Liam von einem rasenden Husten gepackt. Seine Hand rutschte aus meiner und dann fiel ich in das schwarze Loch. Ich hörte noch Liams Husten und einen schwachen Ruf: "Manu!"

Andrenalin floss durch meinen Bauch, ich wusste nicht mehr wo oben und wo unten war. Alles war nur noch schwarz und ich sauste immer weiter in die Tiefe. Ich konnte nicht mehr denken... Plötzlich prallte ich hart auf eine Wasserfläche auf. Ich kreischte und Wellen schlugen über mir zusammen. Das Wasser war eisig und dreckig. Mühsam schwamm ich nach oben. Wasser und Schlamm tropfte aus meinen Haaren. Wo bin ich? 

Da flackerte ein schwaches Licht auf und ich erkannte eine erhöhte Plattform, zu der ich schwamm. Erschöpft sank ich nieder und blickte mich um. Ich war in einem Kanal und direkt hinter mir begann ein dunkler Gang; ein gähnendes schwarzes Loch. Mit einem Schaudern bemerkte ich einen roten Pfeil, der zum Eingang zeigte...

EntführtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt