So, here I am in my new apartment, in a big city.
[Never Grow Up - Taylor Swift]
Amber Washington dankte ihrem zukünftigen Vermieter und drehte sich schon von der Tür weg, als sie noch nicht einmal ins Schloss gefallen war. Mit geschlossenen Augen stand sie einen Moment einfach so da, öffnete sie jedoch wieder, sobald seine dumpfen Schritte im Treppenhaus nicht mehr zu hören waren. Kurz fragte sie sich, ob die Mutter mit ihren Kindern wohl über ihr wohnte und ob, wenn ja, sie im Schichtdienst arbeitete. Aber Amber beschloss, dass sie das noch früh genug herausfände, vor allem, da sie vorhatte, hier zu bleiben.
Was auch immer sie sich dabei dachte.
Seufzend fuhr sie sich durch die blonden Haare, die ihr in sanften Wellen über die Schultern fielen und damit eigentlich längst wieder zu lang waren. Doch dieser Moment war für Veränderungen in etwa so richtig wie sie für diese Wohnung und Stephen hatte die Länge gemocht, also lebte sie damit – auch wenn die Metereologen im Radio einen heißen Sommer prognostizierten.
Wie auf ein Stichwort kam durchs geöffnete Fenster ein Windstoß und trug Gerüche nach Thailändischem Essen und die Musik aus der Kneipe nebenan zu ihr herauf. Das Lächeln war noch etwas unsicher auf ihren Lippen, als sie sich die Hände in die Hosentaschen schob und den Flur verließ.
Als sie in der Zeitungsannonce gelesen hatte, dass sie das Zimmer möbliert übernehmen könnte, hatte sie angenommen, dass unter Mobiliar mehr fiel als ein ausgeblichenes Schlafsofa, das bereits einer ungewissen Anzahl von Menschen als Bett gedient hatte, und ein klappriger Esstisch mit deutlichen Gebrauchsspuren. Aber vermutlich erklärte dieser Umstand auch den beinahe sorgenvollen Blick von Mr. Atlon, als er sie vor einer halben Stunde in die Wohnung gelassen und durch sie hindurch geführt hatte.
Am Telefon war Amber noch überrascht gewesen, dass er so spontan auf ihre Besichtigungsanfrage reagierte, aber jetzt kam ihr die Schlussfolgerung fast notwendig vor: Sie war nicht die erste und damit auch nicht die einzige Interessentin gewesen.
Etwas quietschte, als sie sich auf dem Sofa niederließ und mit gespreizten Finger über den Stoff fuhr. Einst hatten die Farben sicher ein Muster ergeben, aber heute waren es nur noch verschieden intensive Grauschattierungen. Als draußen jemand sein Motorrad aufheulen ließ, hob sie den Blick wieder. Die wie vielte Interessentin sie auch war, sie war die Erste, die zugesagt hatte. Nicht gänzlich aus der Güte ihres Herzens, wie sie bemerkte, als sie ein Blick aus dem Fenster heraus warf, an dessen Seiten die kahlen Wände über den Mangel an Vorhängen nicht hinweg täuschen konnten. Mr. Atlon und sie hatten sich lediglich in einem Moment gefunden, der für beide ausgesprochen günstig war.
Schon, als sie am Morgen aus dem Zug gestiegen war, hatte kein Zweifel daran bestanden, dass sie die Wohnung nähme. Und wenn auch eine Wand halb abgerissen gewesen und der Wasserschaden in der Küche nicht von der Gesundheitsbehörde als ungefährlich eingestuft worden wäre. Zu ihrer anfänglichen Überraschung lagen Ein-Zimmer-Apartments hier nicht wie Muscheln am Strand nur auf der Lauer, um von ihr gefunden zu werden. Inzwischen lebte sie mit der Alternativlosigkeit der Situation.
Immerhin hätte der Ort, den sie zurückgelassen hatte, auch nicht mehr zu bieten gehabt. Jetzt nicht mehr. Dementsprechend war es wohl auch nicht ganz fair, einzig Brianne die Schuld an diesem Umzug zuzuschreiben, aber es war so angenehm einfach. Und erlöste sie von dem Wunsch, Stephen die Schuld zu geben.
Mit zusammen gepressten Lippen und ohne Lächeln ließ sie sich auf den Rücken sinken und starrte an die Decke. Sie war genauso verputzt wie die Wände. Weiß.
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Wildest Dreams • Elijah Mikaelson [pausiert]
Fanfiction❝say you'll see me again, even if it's just in your wildest dreams.❞ Neunzehn Jahre ist Amber Washington alt, als sie nach New Orleans kommt. Keine Woche dort und jeder ist sich sicher: die Zwanzig wird sie nicht erreichen, wenn sie so weiter macht...