S E C H S

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I just wanna know you, wanna know you, wanna know you better now.

[Everything has changed - Taylor Swift]

Es war ein verbotenes Spiel, dem er sich an diesem Morgen hingab. Niemand erfuhr davon, doch Elijah mied den Blick in den Spiegel, während er der Gefahr erlaubte, ihre Finger nach ihm auszustrecken.

Sie kam an diesem Morgen in neue Gewänder gehüllt. Hatte der Nacht erlaubt, ihr eine neue Maske darzubieten, die sie in ihrer vollkommenen Gnade, aufzuziehen, beschlossen hatte.

Er wusste nichts von ihr und gerade dieses Mysterium machte sie noch unwiderstehlicher, als sie je zuvor gewesen war. Es machte sie harmlos und zur gleichen Zeit zu seiner größten Schwäche. Ein Mädchen. Ein junges, menschliches Mädchen. Beinahe noch unschuldig. Erhaben in ihrer Sterblichkeit, getrieben von Emotionen, größer und stärker, schöner, als er die Strenge seiner Disziplin je empfinden könnte.

Sie stand im Nebel und durch ihn hindurch glimmte das Licht ihrer Augen. Elijah hatte ihren Blick gespürt und nicht mehr vergessen. Als er, lange nach ihr, den Garten verlassen hatte, war der Mond, waren die Sterne hinter feinen Wolken verborgen, die sie beinahe scheu vor seinem Blick verbargen.

Das Mädchen hatte nichts Scheues an sich gehabt. Im selben Atemzug gab sie alles her und zog sich zurück, bewahrte, was er längst verloren hatte, und traute sich, zu teilen, was ihm dafür zu lieb geworden war, weil es als Einziges unbedroht war durch das Leben, das er führte.

Seine Finger strichen über die Krawatte, bevor er sie wieder beiseite legte. Stattdessen drehte er an seinen Manschettenknöpfen und besann sich auf den Rhythmus der Musik. Wäre es nicht Kol, sondern Rebekah, die dieser Tage im Compound residierte, hätte er sich solche Sorglosigkeit nicht leisten könnten. Musik. Am frühen Morgen. Seine Schwester wäre noch auf die Idee gekommen, dass er sich Schwächen hingab, die ihm niemand verzeihen könnte.

Er schloss die Türen seines Schrankes und durchquerte den Raum, um die CD auszuschalten. Es war keine Schwäche, die ihn trieb. Nicht per se. Nicht, wenn er sich rechtzeitig als gewieften Spieler profilierte, der auch in Momenten des Rausches die Kontrolle behielt. In der Vergangenheit war ihm diese Kontrolle abhanden gekommen, weil er begonnen hatte, sie zu teilen. Dieses Mal wusste er es besser.

Amber, er zelebrierte den Gedanken an ihren Namen, war er doch alles Greifbare, das er von ihr hatte, durfte nichts davon erfahren. Brauchte nichts davon zu erfahren. Den Teil, den sie zu diesem Spiel beitrug, konnte sie auch in Unwissenheit spenden. Musste sie in Unwissenheit spenden, wenn das ihr Leben rettete, denn ihr Leben war es ja, das ihn so faszinierte.

Das ihn wieder und wieder die Augen aufschlagen ließ, wenn der Schlaf sich auf den letzten Metern doch erneut vom Gedanken an die Ehrlichkeit ihrer Regungen vertreiben ließ. Die vergangene Nacht war getränkt worden in ihren letzten Worte, ihrem Kampf, ihrem Ringen mit ihrer eigenen Menschlichkeit.

Es bot ein Bild für die Götter. Obwohl sie doch die leibhaftige Erinnerung daran war, dass eben diese ihn verlassen hatten. Dass er verloren hatte, was ihr so immerpräsent in der Brust schlummerte. Die Sehnsucht, die ihn ob dieser Erkenntnis heimgesucht hatte, war tiefer gegangen als der Schmerz der letzten Wochen, hatte seine verletzte Eitelkeit als Lügner, als Hochstapler verpöhnt. Die wahren Wunden, denen er all den Schmerz verdankte, der in Zyklen der Unendlichkeit in ihm zu erwachen wusste, lagen anderswo. Stammten aus anderen Gesichtern. Anderen Verlusten. Waren mehr und weniger, denn alles und nichts verband sich in ihnen wie nie zuvor.

Und seitdem nur in ihr.

Scheinbar nur in ihr.

Amber.

Wildest Dreams • Elijah Mikaelson [pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt