V I E R

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Walls of insincerity, shifting eyes and vancancy vanished when I saw your face.

[Enchanted - Taylor Swift]

Zu behaupten, Elijah wäre nicht nach Feierlichkeiten zumute, gälte wohl als Untertreibung. Wenn nicht sogar als Lüge.

Stattdessen kam es ihm vor, als habe er jegliches Gefühl für die Diplomatie, die hier und überall sonst von ihm erwartet wurde, irgendwo in seiner Vergangenheit verlegt und jeglichen Zugang dazu verloren. Aber es war nicht nur die Heuchelei, die ihm zuwider war und die es doch so dringend benötigte, um einst feierlich geschworenen Feinden in der falschen Maske einer reibungslosen Freundschaft zu begegnen. Jeder in diesem Raum wusste sich einer Partei zugehörig, die lediglich mit einem Vorhaben an diesem Abend im Compound Gesicht zeigte: Um den anderen Parteien einen Schleier vor die Augen zu spannen, der sie davon abhalten sollte, zu sehen, dass sie ebenso fleißig dabei waren, einen Putsch zu planen, wie Niklaus und seine Vampire dabei waren, zu solch einem vernichtenden Schlag anzusetzen, dass keine Energie übrig bliebe, fortgesetzt gegen seine Autorität zu rebellieren. Elijah ahnte, welcher Fraktion er sich zugehörig fühlen sollte, und tat es nicht. Denn alles, worum er sich Gedanken machte, war Niklaus' Gespür dafür, Situationen zu ruinieren.

Ins Besondere dadurch, Hayley einzuladen.

Sie konnte aus keinem anderen Grund gekommen sein. Anscheinend war das Risiko, seine Einladungen auszuschlagen, momentan selbst für die Königin der Wölfe zu hoch. Andernfalls wäre sie nicht hier. Nicht die Hayley, die er kannte und die nie auch nur das geringste Interesse an dieser beinahe höfischen Hierarchie gezeigt hatte – sie wäre glücklicher gewesen, ließe man sie einfach im Wald bei ihren Wölfen verweilen.

Immerhin waren sie es, die bei ihr neuerdings über allem anderen standen.

Elijah riss den Blick von ihr los, von dieser brünetten Schönheit, die selbst ihren allumfassenden Trotz in Eleganz zu kleiden verstand, und stürzte in einer Manier den Chapamgner herunter, die seinerseits jeder Eleganz entbehrte. Die Bitterkeit, die sie in seine Gedanken zwang, stieß ihm so sauer auf, dass es ihm danach verlangte, sich zu entschuldigen und diese ganze Veranstaltung mit seiner Abwesenheit aufzuwerten. Aber bevor der Gedanke in ihm Gestalt annehmen konnte und damit seinen Reiz entfaltet hätte, fing er den Blick seines Bruders auf. Mehr aus Gewohnheit als aus gegebenem Anlass entdeckte er darin die Warnung, nur ja nicht zu vergessen, dass es nur seine Unterwürfigkeit war, die ihm den Dolch ersparte.

Niklaus hatte ihm noch nicht vergeben, so viel war unstrittig, aber so gern Elijah es ihm auch unterstellte, in den letzten Wochen hatte sich herauskristallisiert, dass dennoch nicht länger jeder Schachzug seines Bruders gegen ihn gerichtet war.

Was im Prinzip nicht mehr hieß, als dass es Zeit wurde, damit aufzuhören, sich einzureden, er verstünde noch etwas von Hayleys Glück. Denn wenn Niklaus sie nicht eingeladen hatte, um Elijah aus der Reserve zu locken und in aller Öffentlichkeit zu quälen, war dies mit Sicherheit der Beginn einer neuen Ära.

So lange es nämlich gegolten haben mochte, dass er sich in ihrem Glück stärker verpflichtet fühlte als sonst jemand aus seiner Familie, diese Zeiten schienen inzwischen verstrichen zu sein. Immerhin war er es gewesen, der fehlerhafter Weise davon ausgegangen war, dass... Aber nein, Hayley hatte neue Prioritäten. Andere Bedürfnisse.

So hatte sie es formuliert.

Noch immer fiel es ihm schwer, ihr auch nur ein Wort zu glauben. Es half nicht, zu wissen, dass der einzige, der ihm im Weg stand, sein eigener Stolz war. Sein eigener, gekränkter, tief verletzter Stolz, der mit einer so gänzlich anderen Reaktion gerechnet hätte.

Wildest Dreams • Elijah Mikaelson [pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt