D R E I

412 20 5
                                    

You're the kind of reckless that should send me running, but I kinda know that I won't get far.

[Sparks Fly - Taylor Swift]

Nach dem Zwischenfall mit dem Anzugträger – inzwischen war sie sich fast sicher, dass es sich bei ihm um Elijah handelte – hatte Amber sich noch drei Tage gestattet, aber als sie an diesem Morgen aufgestanden war und Nachrichten von Brianne ihr Telefon verstopft hatten, hatte sie gewusst, dass dies der Tag sein musste, an dem ihr Versteckspiel ein Ende hatte.

Sie war nicht hier, um Buch zu führen über die sonderbaren Vorlieben der Originals für heiße Getränke im beginnenden Hochsommer. Sie war hier für Informationen. Informationen, die auf den Straßen von New Orleans sonst niemand hatte.

Und so stand sie, nach einem morgendlichen Training, um sich die eigene Substanz vor Augen zu führen – und ein bisschen auch um sich der Illusion hingeben zu können, dass sie einem Original mehr entgegen zu setzen hätte als die bloße physische Kraft, die es bräuchte, ihre Knochen zu brechen – vor dem Compound, wie er gemeinhin von allen genannt wurde: dem Hauptsitz der Originals in New Orleans.

Er entbehrte nicht einer gewissen Anmut, verlor aber den Großteilseines Reizes an seinen Größenwahn. So prunktvoll wie er dort stand, meterhohe Wände aus hartem Stein, eine Festung inmitten dieser Stadt ... Amber kam nicht umhin, es lächerlich zu finden, mit welchem vermeintlichen Recht sich die Urfamilie hier als Herrscherschicht aufspielte. Auch wenn das womöglich in ihrem eigenen Unvermögen begründet lag, mit Autoritäten angemessen umzugehen, und nicht in der Begründung ihres Machtanspruchs.

Sie atmete noch dreimal tief durch, wischte sich an der Hose den Schweiß von den Händen und betrat den Compound. Eine atmosphärische Stille lag über dem Gemäuer – anscheinend war sie die einzige Lebende, die dieser Tage innerhalb seiner Mauern wandelte. Mit gestrafften Schultern und in die Höhe gerecktem Kinn ignorierte sie das Echo ihrer Schritte und zählte die Atemzüge, die es brauchte, bis ein Vampir sich von der Balustrade des Balkons, der sich um den gesamten Innenhof zog, vor ihre Füße fallen ließ.

Sie kam noch nicht einmal bis Zehn.

Den Vampir, der sich vor ihre Füße fallen ließ, hatte sie noch nie gesehen – und sie war dankbar dafür. In den letzten Tagen hatte sie sich einige Feinde in der Vampirgesellschaft gemacht – und wenn es auch nicht immer die Originals gewesen waren, die ihr in solchen Situationen mit ihrer sonderbar unantastbaren Autorität den Arsch retteten, vertraute sie doch nicht darauf, gegen einen aufgebrachten Vampir und den Überraschungseffekt ankommen zu können.

»Was willst du hier, Mensch?«, knurrte er und sah unter seiner bedrohlichen Körperhaltung eigentlich viel zu nett aus für diese Art von Job. Ein breites Gesicht, aber freundliche Augen, dunkel, aber nicht hart. Lippen, die ein Lächeln besser getragen hätte, als die strenge Linie, die wohl unbestechlich und kaltblütig wirken sollte. Obwohl der Schreck ihr scharf in die Knochen fuhr, glaubte sie ihm seine Tödlichkeit nicht.

Ein Fehler, wenn man es mit Vampiren zu tun hatte, aber einer, den sie immer schon begangen hatte, der sonst nur eben von Stephen korrigiert worden war. Stephen, der nicht mehr hier war. Stephen, der sie hierher geschickt hatte. Amber verkniff sich ein weiteres Urteil und stählerte lediglich ihre Stimme, bevor sie zur Antwort ansetzte.

»Ich bin hier, um mit Klaus zu sprechen.«

Für den schmerzhaften Bruchteil einer Sekunde herrschte Stille zwischen ihnen, dann begann der Vampir vor ihr zu lachen. Es klang ungewöhnlich befreit. Als hätte er etwas anderes erwartet. Amber stockte der Atem in der Kehle. Vielleicht war er noch nicht besonders lang Vampir und klammerte sich entsprechend noch an seine Menschlichkeit?

Wildest Dreams • Elijah Mikaelson [pausiert]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt