TEIL 61

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Alexander entfuhr ein leises seufzen. Es tat ihm leid, dass er ihr nicht das geben konnte, was sie erwartet hatte. Für ihn kam alles unvorhersehbar. Er hatte eigentlich vor, sie so auszubeuten, wie er andere Frauen ausbeutet.

Er raubt ihnen nicht irgendwelche kostbaren Gegenstände, sondern das kostbarste von allen. Ihre Freiheit. Zunächst die Freiheit, dann nach und nach den Verstand, die Hoffnung und irgendwann das eigene Leben.
Er musste die Kontrolle haben, er musste dominant sein, aber bei Helene war alles so anders gewesen.

Vielleicht lag es daran, dass sie ihm sein Herz so ausschüttete. Er hatte eine Bindung zu ihr aufgebaut. Er begehrte sie. Er wollte sie.

Seine Fingerspitzen kribbelten, er wollte sie jetzt unbedingt berühren, aber er hielt sich stark zurück, weshalb er aufstand. Schließlich konnte er sich jedoch nicht mehr dagegen wehren, dass er ihr zumindest ihre Hand hinstreckte, um ihr aufzuhelfen. Er fühlte sich vollkommen, als sich ihre Hände berührten.

Sie stand ihm gegenüber. Mit ihren kalten blicken schaffte sie es, seine Haut regelrecht in brand zu setzen.

"Jetzt tu mir den Gefallen und komm mit zum Essen, carmen."

Helene musste sich selbst eingestehen, dass sie es mehr als nötig hätte, mal wieder eine vernünftige Mahlzeit zu sich zu nehmen, weshalb sie kurz darauf einwilligte.

Alexander fühlte sich daraufhin unglaublich stark.

Er musterte sie einmal, ohne sie dabei verletzten zu wollen.

"Ich will, dass du dir etwas anderes anziehst.", sagte er mit bedacht in der Stimme und deutete auf den großen Schrank.

Wenn man Helene so ansprach, dann fühlte sie sich wieder wie ein billiges Objekt.

"Darf ich dann bitte telefonieren?", fragte sie ihn mit einem starken zittern in der melodischen Stimme.

Er seufzte.

"Ausnahmsweise."

Er möchte es eigentlich nicht, aber diesen Wunsch konnte er ihr nicht abschlagen.

"Ich zieh' mich dann um.", hauchte sie leise und schritt langsam auf den schrank zu, was Alexander als Zeichen reichte, dass er sie alleine lassen sollte.

Sie drehte sich extra nochmal um, um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich nicht beobachtet wurde.

Als sie die Türen des Schranks öffnete, wurde sie beinahe von der Pracht darin erschlagen. Für sie war es ungewohnt so viele Kleider zu sehen, die mädchenhaft und elfengleich wirkten.

Alleine In diesem Schrank musste ein Vermögen stecken.

Sie zog ein etwas längeres schwarzes Kleid hervor, welches am dekoltée mit Pailletten verziert war und zog es sich über. Vor dem großen Spiegel musterte sie sich eindringlich. Zwar gefiel sie sich recht gut, fand aber, dass ihr das Kleid besser stehen würde, hätte sie ein paar weiblichere Konturen.

Sie richtete kurz ihre Haare. Es wird unangenehm werden, ständig die Perücke zu tragen, aber er kannte sie immerhin nur als carmen. Wer dahinter steckte wusste er nicht.

Als sie auch mit ihren Haaren zufrieden war, schlüpfte sie in ein paar schwarze High-Heels, die einzige Art Schuh, in der sie sich wirklich stark fühlte.

"Bist du fertig?" Er klopfte an die Tür, so wie ein normaler Mensch und nicht wie eine wild gewordene Bestie, die jeden Moment die Tür einschlug.

"Ja."

Die Tür ging auf und war Helene war wieder den Blicken ausgesetzt, denen nichts entgeht.

"Schwarz? Warum so einige traurige Farbe?", fragte er, als er um sie herum Schlich.

"Mir stand der Sinn danach.", entgegnete sie ihm und schaute unter sich.

"Ich sollte mich nicht beschweren."

Er zückte sein Handy.

"Hier."

Dankend nahm Helene es  entgegen.

"Eine Minute."

Sie nickte. Er war gerade so sanft, das wollte sie sich nicht verscherzen.

Ihre Hände zitterten so strak, dass sie Kaum Daniels Nummer tippen konnte.

Alexander hingegen machte keine Anstalten, den Raum verlassen zu wollen, weshalb sie sich ein gutes Stück von ihm entferte.

Ihr Herz hörte beinahe auf zu schlagen, als ein eisernes 'ja' durch die Leitung raste. Sie erschrak sich. Daniels Stimme klang rau und gequält, leise und von Tränen erstickt.

"Daniel.", hauchte sie leise und biss sich auf die Unterlippe um nicht wieder weinen zu müssen.

"Helene? Bist du's?", schrie er so aufgeregt durch die Leitung, dass sie Angst hatte, Alexander hätte es gehört.

"Du hast geweint, oder?", forschte sie traurig, ohne auf seine Frage einzugehen.

Er blieb still, er fühlte sich ertappt.

"Wegen mir? Weil ich weg bin?"

Ein schluchzen dröhnte in ihr Ohr.

"Ja, ich vermisse dich."

"Ich vermisse dich auch."

Bei diesen Worten wurde Alexander etwas aufmerksamer.

"Wo bist du?"

"Das darf ich dir nicht sagen."

"Und wie geht es dir?"

"Mir geht es gut."

"Wann kommst du wieder?"

Helene seufzte.

"Ich weiss es nicht, es tut mir leid."

Auch Helene musste jetzt immer stärker mit den Tränen kämpfen.

"Ich liebe dich.", sagte Daniel schließlich leise, mit einer sehr starken Verzweiflung in der Stimme.

"Ich liebe dich auch."

Alexander hatte von allem genug. Er konnte es nicht anhaben, dass es irgendwo einen Mann gab, der sie genau so sehr liebte, wie er sie liebte und dass sie diese Liebe noch erwiderte.

Helenes letzte Worte hatten ihn stark getroffen, weshalb er ihr das Handy aus der Hand riss. Es machte ihn rasend, zu wissen, dass er niemals die Chance haben könnte, mit ihr glücklich zu werden.
Er wurde ubgeheure wütend, als wäre in Trance und diesem Zustand hat er der ein oder anderen schon kaum erdenklich schwere Schmerzen zugefügt, ohne dass er es eigentlich wollte.

CARMEN - A woman's StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt