15.

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"Verdammt Michael", fluchte ein Mädchen, "steh da doch nicht nur so dumm rum, sondern hilf mit! Du bist ja fast schlimmer als Ocean!"
Ich schaffte es gerade noch einen kurzen Blick durch das schlicht eingerichtete Wohnzimmer zu werfen, bevor wir auf die offene Küche zu steuerten. Vor den großen Fenstern, hingen bodenlange, weiße Vorhänge, die sich im Wind, der zu den immer noch geöffneten Fenstern hereinströmte, aufblähten und um das große braune Ledersofa herum spielten. Vor der Couch lag ein hellgrauer Teppich auf dem weißen Fliesenboden, davor stand eine kleine Kommode, in der zahlreiche DVDs und CDs einsortiert waren. Auf ihr thronte ein breiter Flachbildfernseher, der von zwei kleinen Stehlampen eingerahmt wurde. Etwa zwei Meter entfernt des Teppichs, stand ein brauner, langer Esstisch mit dazu passenden, braunen Holzstühlen. Allerdings war, zu dem Entsetzen einer ordentlichen Seele wie meiner, die Tischplatte mit einem Berg an Kleidungsstücken übersät. Bevor ich mir weiter den Kopf über diese Unmengen an Wäsche zerbrechen konnte, hatten wir die Küche erreicht und ein paar Personen erschienen in meinem Blickfeld. Ich erkannte die meisten von ihnen sofort wieder: die Blonde, mit dem katzenhaften Gesicht, der spitzen Nase, den dünnen Lippen und der schlanken, aber dennoch muskulösen Figur, stand am Spülbecken und sah mit einem Teller in den Händen zu uns auf. Hinter ihr stand das andere Mädchen mit den geflochtenen Zöpfen und den leuchtenden, roten Haarsträhnen am Herd und rubbelte eifrig mit einem grell gelben Lappen über einen hartnäckigen Fleck. Ihr Hautton war viel dunkler, als der der Blonden, der beinahe an Porzellan erinnerte.
An der Wand neben dem Ofen lehnte ein großer Mann mit einem sanften Gesicht, um das sich kurze, hellbraune Locken kringelten. Sein Arm war um die Schultern eines winzigen, zierlichen Mädchens gelegt. Alles an ihr erinnerte an eine Elfe, von ihren stufigen, dunklen Haaren, über ihre türkis-blauen Augen und ihre blau-violette Bluse. Auf der anderen Seite des Mannes, einen guten Meter entfernt, stand ein weiterer Mann, die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt und mit einem tiefen Grinsen im Gesicht. Seine schwarzen, verwuschelten Haare ließen ihn blasser wirken, als er eigentlich war und bildeten einen heftigen Kontrast zu seinen eisblauen Augen. Vor den dreien, auf die Arbeitsplatte neben dem Herd gestüzt, hatte sich zu guter Letzt, Remsey positioniert. Im Mittelpunkt, und von niemandem zu übersehen.
"Oh nein", verteidigte sich der Kerl mit den schwarzen Haaren gerade und ich vermutete, dass es sich bei ihm um Michael handelte. Er war der einzige, den ich auf einem der Motorräder am Montag entdeckt hatte. "Niemand ist so faul wie Ocean. Aber ihr seid ja selbst Schuld, wenn ihr ihm jeden Wunsch von den Augen ablest."
Ohne jegliche Vorwarnung, holte Ocean mit dem Arm aus und ließ ihn auf Michaels Nacken hinunter klatschen, der vor Schreck und bestimmt auch Schmerz, aufkeuchte.
"Pass bloß auf was du sagst, mein Freund." Ocean grinste, als Michael ihm einen wütenden Blick zuwarf und fluchte: "Du Mistkerl!" Seine hellblauen Augen huschten zu mir und weiteten sich ein wenig. Nicht gerade unauffällig ließ er den Blick über meinen Körper gleiten, dann tauchte ein charmantes Lächeln auf seinem Gesicht auf. "Oh hallo", schnurrte er und sein Schmerz schien wie weggeblasen, "wer bist du denn?"
"Das ist Sky", stellte Remsey mich vor, bevor ich auch nur den Mund öffnen konnte. Bisher hatte ich noch kein einziges Wort mit Remsey gewechselt und doch kannte er meinen Namen. Hatte Ocean etwa mit ihm über mich gesprochen? In meinem Magen bäumte sich ein Kribbeln auf, als würde ich eine rasend schnelle Achterbahn nach unten fahren, doch dann bremste ich mich selbst hastig. Vermutlich hatten sich meine peinlichen Erlebnisse einfach genauso in seinen Kopf eingebrannt, wie in meinen auch.

"Hi Sky." Remsey hob zum Gruß kurz die Hand, bevor er sie in einer Tüte Erdnussflips versenkte und Michael erneut meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war mir, als wäre bei der Erwähnung meines Namens etwas über sein Gesicht gehuscht, ein Funkeln der Erkenntnis vielleicht? Oder war es am Ende doch nur Einbildung gewesen?
"Ocean und Sky", sagte er langsam, als würde er über etwas nachdenken. "Was für ein Zufall." Seine Worte klangen wie ein Rätsel und sein Blick war dabei so fordernd, als wollte er mir etwas mitteilen, doch ich verstand nicht was. Vielleicht hätte ich ihn nicht so anstarren und meinen Blick abwenden sollen, doch ich rührte mich nicht, es war als hätte er mich hypnotisiert. Nicht mal Ocean hatte mich bisher mit nur einem Blick derart an sich binden können. Ich beobachtete ihn bei jedem seiner Schritte, die er langsam auf mich zumachte. Seine Schultern waren deutlich schmaler als die von Ocean, aber trotzdem konnte man seine Muskeln durch sein hellblaues Hemd hindurch deutlich erkennen, er blieb erst so knapp vor mir stehen, dass sich sein Geruch in meine Nase grub und ich den Geruch des Deos, der den Flur eingehüllt hatte, wiedererkannte.
"Sky..." Er flüsterte fast, mit einer so rauen Stimme, die jedes Mädchen zum dahinschmelzen gebracht hätte. "Ich bin Michael. Michael Westmoore."
"Äh... H-Hallo", stammelte ich unbeholfen und lief prompt rot an. Michael lachte leise, ein Geräusch, das mir die Nackenhaare aufstellte. "Hallo Sky." Seine Stimme erinnerte mich an süßen Rauch. Es war als krieche sie durch meine Ohren in meinen Kopf und benebelte dort alle meine Sinne. Es klang verheißungsvoll, verführerisch und wäre ich nicht ich selbst, hätte ich ihn vermutlich irgendwo hingeschleift, wo wir ungestört gewesen wären.
"Es freut mich außerordentlich dich kennenzulernen." Er wollte noch etwas sagen, als sich plötzlich eine Hand zwischen uns schob, sich auf seine Brust legte und ihn von mir wegdrückte.
"Das reicht", knurrte Ocean und augenblicklich war der Bann, in den Michael mich kurzzeitig gezogen hatte gebrochen. Mit wirrem Blick sah ich zu Ocean auf, während ich versuchte zu begreifen was gerade passiert war. Was hatte dieser Michael mit mir gemacht?
"Ganz ruhig, Ocean." Michael grinste spitzbübisch. "Ich nehme dir die Kleine schon nicht weg."
"Das will ich auch hoffen." Er brummte es so leise, das ich mir nicht sicher war, ob ich es richtig verstanden hatte. Ich warf ihm einen prüfenden Blick zu. Seine Stirn war immer noch gerunzelt und seine Augen düster auf Michael gerichtet.

- Ende von Kapitel 15.- Jetzt hat Sky also Oceans 'Familie' kennengelernt. Wir findet Ihr sie? Und was haltet ihr von Michael? Ist Ocean etwa eifersüchtig auf ihn? Vielen Dank für's Lesen, ich hoffe es gefällt Euch immer noch. Wenn ja, hinterlasst mir gerne ein Sternchen.

The Story of Ocean and SkyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt