An diesem Abend ging ich nicht zum Essen ins Wohnzimmer hinunter. Ich hatte mich nach der kurzen, heftigen Konversation mit Ocean noch dazu gezwungen zu duschen und war dann mit nassen Haaren unter die Bettdecke geschlüpft. Seitdem starte ich in die unheimliche Dunkelheit meines stillen Zimmers und versuchte an etwas anderes zu denken. Etwa, das nicht Ocean betraf. Doch es war, als hätte er sich in meinem Kopf ein gemütliches Nest gebaut und hätte nicht vor, jemals wieder daraus zu verschwinden. Und mit ihm der bittere, dumpfe Schmerz der Enttäuschung.
Meine Mutter hatte inzwischen schon über fünf Mal meinen Namen gerufen, doch ich stellte mich konsequent tot. Schließlich hörte ich schwere Schritte die Treppe nach oben poltern und Sekunden später riss Jackson die Tür zu meinem Zimmer auf.
"Sky, bist du jetzt auch noch taub, oder was?", rief er patzig vor Ungeduld, wurde aber leiser, als er feststellte, dass meine Vorhänge geschlossen waren. Er trat weiter in den Raum hinein und die Tür schwang mit seiner Bewegung auf. Ein heller Lichtschein fiel vom Flur her auf mein Gesicht, doch ich blickte einfach weiter gerade aus.
"Ich weiß, dass du nicht schläfst", teilte er mir vorwurfsvoll mit, dann legte er den Kopf schief und erkundigte sich unsicher: "Heulst du?"
"Nein", antwortete ich, jedoch klang meine Stimme so rau und zittrig, dass er mir wohl nicht glaubte. Er lief zurück auf den Flur und brüllte, lauter als es notwendig gewesen wäre, durch das ganze Treppenhaus: "MUM! SIE HEULT!"
Daraufhin brachte mir meine Mutter eine warme Milch mit Honig und strich mir einmal über das Haar. Sie wusste, dass ich nicht reden wollte und so stellte sie mir keine Fragen. Im Türrahmen drehte sie sich jedoch noch einmal um und sagte mit einem fürsorglichen Unterton in der Stimme: "Wenn du irgendetwas brauchst, ich bin hier. Und falls es wegen einem Jungen ist, ist er mit Sicherheit keine deiner Tränen wert."
Wie sie das so sagte klang es, als würde sie annehmen, ich hätte Liebeskummer. Ich benahm mich vermutlich auch so, als hätte ich welchen. Aber konnte man wirklich Liebeskummer haben, wenn man die Person überhaupt nicht richtig kannte? Wenn man nicht mal wirkliche Gefühle für sie entwickelt hatte? Nein. Mein Verhalten war also völlig übertrieben. Aber dennoch fühlte es sich so an, als würde mein Leben geradewegs den Bach runter gehen. Als würde der Regen draußen, vor dem Fenster, es einfach mit sich durch einen Abfluss in die Kanalisation spülen.
Am nächsten Morgen erwachte ich sehr früh, noch vor dem ersten Klingeln meines Weckers, und augenblicklich ergriff wieder dieses schwere, traurige Gefühl von mir Besitz, doch diesmal hatte ich nicht vor, mich so davon überwältigen zu lassen, wie gestern Abend. Stattdessen wurde ich wieder wütend. Ocean hatte kein Recht, mir das anzutun. Überhaupt gar keines. Ab heute würde ich ihn gnadenlos ignorieren. Vielleicht würde ihm das zeigen, wie wütend und verletzt ich war, aber das wusste er mit Sicherheit ohnehin schon. Vermutlich würde er nicht mal versuchen mit mir zu sprechen, aber wenn doch, würde ich ihn einfach wie Luft behandeln.
Mit diesem starken Vorsatz betrat ich drei Stunden später das Campusgelände und sah Cosma und Jordan an der Eingangstür des Hauptgebäudes auf mich warten. Cosmas schrilles Lachen drang schon aus fünf Metern Entfernung an meine Ohren, doch glücklicherweise verstummte sie, als ich mich ihnen näherte. Nach Lachen war mir gerade am allerwenigsten zu Mute.
"Hey Sky", begrüßte sie mich und setzte ihren mitfühlendsten Blick auf. "Wie geht es dir?"
"Toll", erwiderte ich trocken, "Ganz toll. Ehrlich, es macht mir nicht mehr das Geringste aus, dass Ocean das alles gesagt hat. Es stört mich überhaupt nicht. Denn er ist mir egal. Ich konnte ihn ja sowieso von Anfang an nicht ausstehen, also warum sollte mich das interessieren?"
"Süße", unterbrach mich Cosma und hakte sich bei mir unter. "Hör auf so viel zu reden. Das macht es unglaubwürdig."
"Ich finde so schlecht sieht sie gar nicht aus", entfuhr es Jordan, die meine andere Seite flankierte.
"Hm, danke", murmelte ich, wurde jedoch sofort von Cosma übertönt. "Sie sieht nie schlecht aus."
"Naja, ein bisschen Make-up würde ihr sicher nicht schaden, aber ich hätte irgendwie geschwollene Augen, zerzauste Haare und gerötete Wangen erwartet."
"Es ist nicht ihr Hund gestorben, sondern Ocean hat ein paar eklige Sachen über sie gesagt, was, aber mal ganz unter uns, zu erwarten war. Er ist eben Ocean LaForge."
"Aber du hast selbst gesagt, dass es dich überrascht hat. Wegen den Blicken, die er Sky immer zugeworfen hat. Außerdem hat sie viel zu wenig Erfahrung, um seine Anmachen zu durchschauen. Sie ist unser kleines, naives und leider auch viel zu sensibles Küken."
"Chrm-chrm." Ich räusperte mich laut. "Ich bin hier. Ich kann euch hören."
"Oh ja natürlich. Entschuldige, Liebes." Jordan tätschelte mir den Arm, doch es war kaum zu überhören, dass es ihr nicht im mindesten Leid tat. Auch Cosma ließ sich durch mich nicht am Weitersprechen hindern. "Na und? Wäre es dir etwa lieber sie würde den Kopf in den Sand stecken und sich wieder mal frustriert auf der Toilette verkriechen?"
Jordan schüttelte den Kopf. "Nein, aber wenn es ihr offensichtlich gar nicht so viel ausmacht, könnte sie doch eigentlich mit uns auf die Party gehen."
Sie blinzelte mir lockend zu, doch ich lehnte sofort ab. "Oh nein! Das könnt ihr vergessen."
"Wieso denn?", quengelte Jordan, "wir sind doch da. Wir können dich immer noch vor Ocean beschützen."
"Ich muss nicht vor ihm beschützt werden", fauchte ich erzürnt. Sie behandelten mich wie ein dummes, kleines Kind. "Ich will einfach nichts mehr mit ihm zu tun haben! Also werde ich auch nicht auf diese bescheuerte Party gehen. Schlagt euch das aus euren Köpfen!" Damit entzog ich mich den Griffen der Beiden und flüchtete mich in meinen Vorlesungsraum.
-Ende von Kapitel 26.- Maaaaan, irgendwie will ich, dass Sky auf diese Party geht, was meint Ihr? Sie scheint ja fest entschlossen zu sein... Da hilft nur noch das Schicksal, oder...? Vielen Dank fürs Lesen, auch wenn es wieder ein etwas kürzeres Kapitel war. Gebt mir ein Sternchen, wenn es Euch trotzdem gefallen hat!
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The Story of Ocean and Sky
Teen Fiction"Aber du würdest mich gerne kennen." Himmel, war dieser Kerl eingebildet. "Davon träumst du", spottete ich und klopfte mir innerlich vor Stolz auf die Schulter. Sein Lächeln war jedoch nicht die Reaktion, die ich darauf erwartete hatte. "Ja, viellei...