Noch immer hatte ich mich nicht beruhigt, obgleich das Haus mit seinen verfluchten Bewohnern immer weiter hinter mir zurück blieb. Die Wut oder der Schmerz waren nicht mal das Schlimmste an dem Gefühlschaos, das in mir tobte. Es war viel mehr die Enttäuschung, die mir die Tränen in die Augen trieb. Ich hatte Ocean geglaubt, ich hatte ihm trotz all meiner Zweifel versucht eine Chance zu geben. Jetzt musste ich einsehen, dass alle meine Befürchtungen berechtigt gewesen waren. Ich hätte vernünftig sein sollen. Warum nur hatte ich mich von meinem Herzen leiten lassen?
Die Scheibenwischer arbeiteten unaufhörlich. Ich zitterte, während um mich herum der Sturm tobte. Bunte Blätter wirbelten durch die Luft, eines von ihnen klatschte nass und glitschig gegen die Windschutzscheibe. Ich fuhr schneller, als es wegen der schlechten Wetterverhältnisse ratsam gewesen wäre, dazu kamen noch die Tränen, die meine Sicht verschleierten, so dass ich das Reh nicht bemerkte, das neugierig den Kopf aus dem Dickicht neben der Straße heraus streckte. Ich war abgelenkt, meine Gedanken drehten sich einzig und allein um Ocean, bis ich eine Bewegung direkt vor mir wahrnahm. Reflexartig trat ich auf die Bremse, der Pick-up geriet auf der nassen Fahrbahn ins Schlingern und ich wurde nach vorne in den Gurt geworfen. Das Reh warf mir aus weit aufgerissenen braunen Augen einen schockierten Blick zu, bevor es auf die andere Straßenseite flüchtete. Ich realisierte erst langsam, dass ich es nicht erwischt hatte, doch dass der erste Schreck nachließ machte es nicht besser. Unkontrollierbar begann ich am ganzen Körper zu beben, mein Herz raste und ich wurde von tiefen Schluchzern geschüttelt, die selbst das laute Trommeln der Regentropfen übertönten. Ich war so sehr mit Ocean beschäftigt gewesen, dass ich beinahe ein unschuldiges Reh überfahren hätte. So etwas war mir noch nie passiert, normalerweise war ich eine sehr achtsame und vorsichtige Fahrerin. Ocean raubte mir das letzte bissen Verstand. Ich war am Ende mit den Nerven, so hatte ich mich noch nie gefühlt. Im Internat hatte man uns vor solchen Gefühlsausbrüchen bewahrt, ich war mit der Situation also völlig überfordert. Was sollte ich tun, um mich wieder zu fangen?
Einer plötzlichen Eingebung folgend, beugte ich mich hinüber zum Beifahrersitz und angelte mein Handy aus meiner Tasche. Dann rief ich Cosmas Kontakt auf und wartete. Erst nach dem vierten Klingeln hob sie ab und quietschte mir mit ihrer gewohnten Fröhlichkeit ins Ohr: "Hi Sky! Rufst du an, um mir mitzuteilen, dass wir morgen auf die coolste Party überhaupt gehen werden?"
Oh Gott, die Party. Daran hatte ich während des gesamten Nachmittages keinen einzigen Gedanken mehr verschwendet.
"Wohl kaum", antwortete ich verschnupft und sofort veränderte sich Cosmas Tonlage ins Besorgte. "Du meine Güte Sky, weinst du etwa? Ist etwas passiert?"
"Nichts weiter", schniefte ich, "außer, dass ihr alle Recht hattet mit Ocean. Er ist ein verdammter Mistkerl."
"Ach wirklich?" Cosma klang so überrascht, als ob nicht sie es gewesen wäre, die mich vor Ocean gewarnt hatte.
"Ja, wirklich. Er hat mit seinen bescheuerten Freunden über mich geredet, als wäre ich ein Sexobjekt. Ich wurde noch nie so erniedrigt, Cosma." Ich schluchzte auf. "Er wollte mich von Anfang an nur ins Bett kriegen, dabei dachte ich... also ich habe geglaubt..."
"Oh Scheiße", flüsterte Cosma, "es hat dich erwischt. Du hast dich in ihn verknallt."
"Was? Quatsch, es ist nur... er war so nett zu mir, weißt du? Ich dachte, ich hätte etwas anderes an ihm entdeckt, eine andere Seite. Er liest Bücher, Cosma, wusstest du das? Er hat ein ganzes Regal voll mit Klassikern von Charles Dickens, Jane Austen oder Michael Ende."
"Ach Süße." Cosma seufzte mitleidig.
"Ich habe das noch nie erlebt. In den ganzen Jahren, die ich nun schon auf dieser Welt herumlaufe, hat sich noch nie jemand so für mich interessiert wie Ocean. Ich dachte, das wäre echt. Ich dachte, er würde mich mögen. Aber es ist wohl eher so, dass Ocean gar nicht fähig ist irgendjemanden zu mögen, weil sein Schwanz nämlich die Kontrolle über seinen Körper übernommen hat."
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The Story of Ocean and Sky
Teen Fiction"Aber du würdest mich gerne kennen." Himmel, war dieser Kerl eingebildet. "Davon träumst du", spottete ich und klopfte mir innerlich vor Stolz auf die Schulter. Sein Lächeln war jedoch nicht die Reaktion, die ich darauf erwartete hatte. "Ja, viellei...