41. Ocean

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Ich konnte es kaum glauben, als sie dort vor meinem Bett in meinem Schlafzimmer stand. Ich hatte es mir zwar erhofft, hatte aber nicht wirklich damit gerechnet, dass sie auf meinen Wunsch eingehen würde.

"Ich habe gar nichts dabei", sagte Sky plötzlich und drehte sich zu mir um. Ich hatte kein Licht gemacht, denn immer noch standen unten im Vorgarten einige Leute herum und ich wusste ja, wie sehr sie irgendwelche Gerüchte über uns vermeiden wollte. Obwohl es ihr Image nur verbessern würde, sollte rumgehen, dass sie eine Nacht mit mir verbracht hatte. Die Kerle an der Uni würden sich um sie reißen, nur um damit angeben zu können, dass sie eine von Ocean LaForges Eroberungen ebenfalls gehabt hatten. Bei diesem Gedanken flammte plötzlich ein merkwürdiges Gefühl in mir auf und ich biss die Zähne zusammen. Plötzlich wollte ich genauso wenig wie sie, dass die Leute über uns sprachen.

"Also keine Zahnbürste oder einen Schlafanzug."
Abwartend hefteten sich ihre hellblauen Augen auf mein Gesicht, als würde sie im selben Moment doch noch ihre Meinung ändern und nach Hause fahren wollen. Aber das würde ich nicht zulassen.
"Wir haben genug Zahnbürsten." Remsey kaufte immer alles mögliche auf Vorrat, denn er war felsenfest davon überzeugt, dass die Regierung tausend Dinge vor den Bürgern geheim hielt und der dritte Weltkrieg oder die Ankunft der Marsmenschen direkt vor der Tür standen. "Und du kannst gerne ein T-Shirt von mir haben." Ich trat auf meinen Schrank zu und zog wahllos ein einfarbiges, weißes T-Shirt heraus, das ich auch gerne zum Schlafen trug, da es selbst mir zu groß war. "Wird an dir eh aussehen, wie ein Nachthemd."
Ich drückte es ihr in die Hand und sie hielt es abschätzend mit ausgestrecktem Arm von sich weg. "Das ist weiß", bemerkte sie schließlich und warf mir einen niedlichen, peinlich berührten Augenaufschlag zu.
"Ja. Und?", erwiderte ich verdutzt, da ich keine Ahnung hatte, worauf sie hinaus wollte.
"Naja, es ist weiß und sehr dünner Stoff..." Sie machte eine bedeutungsschwere Pause, in der sie wohl darauf wartete, dass ich ihr Problem erkennen würde, doch ich schwieg. Ich zermarterte mir zwar das Hirn, aber für mich war an einem weißen T-Shirt absolut nichts auszusetzen. Es war ihr deutlich anzusehen, wie unangenehm ihr die ganze Situation war, denn sie wand sich unter meinem fragenden Blick und trat nervös von einem Fuß auf den Anderen.

"Es ist durchsichtig!", platzte sie schließlich heraus und ich hätte schwören können, dass ihr Gesicht wieder eine rötliche Färbung annahm, während ich nicht verhindern konnte, dass in meinem Kopf sogleich ein beeindruckendes Bild von ihr entstand. Sie in diesem T-Shirt, das wäre wie Schokoeis mit Browniestückchen, einfach köstlich. Ihr hingegen schien das alles unglaublich peinlich zu sein. Ich konnte bei ihrem unglücklichen Gesichtsausdruck nicht verhindern, dass meine Mundwinkel amüsiert zuckten.

"Na und? Mich stört das nicht."
"Aber mich!", quiekte Sky und stemmte aufgebracht die Hände in die Hüften.
"Dann lass eben deinen BH an." Ich fühlte mich wirklich intelligent bei diesem Ratschlag, jedoch nur bis ich ihren funkelnden Blick bemerkte. "Das kann wirklich nur ein Mann vorschlagen. Du hast ja keine Ahnung, was für ein Gefühl es ist, nach einem langen Tag endlich den BH auszuziehen. So fühlt sich Freiheit an."
Ich gluckste belustigt. "Welch ein Jammer, dass ich keine Frau bin."
"Ach egal, ich werde einfach meinen Pullover anlassen", beschloss sie wie aus dem Nichts, was mich augenblicklich auf den Boden der Tatsachen zurück holte. Ich hatte genug kitschige Liebesromane gelesen, nur um auf solche Situationen vorbereitet zu sein. Sie brauchte etwas von mir zum Anziehen, darauf standen alle Mädchen. Wenn sie mein T-Shirt nicht wollte, dann eben ein Sweatshirt.
"Nein, das geht doch nicht." Hastig zog ich ein Sweatshirt aus meinem Schrank und hielt es ihr entgegen. "Du kannst doch nicht den selben Pulli, den du morgen wieder anziehst, zum Schlafen tragen. Hier, du kannst auch ein  Sweatshirt nehmen."
"Nein danke, das geht schon...", wollte sie mein Angebot ablehnen, doch ich unterbrach sie. "Ich bestehe darauf."
Natürlich wollte ich ihr beweisen, dass ich doch ein anständiger Kerl war, aber sehr zu meinem Leidwesen musste ich zugeben, dass ich so gut wie nichts ohne Hintergedanken tat. In diesem Fall hatte ich sogar zwei: Erstens, sie würde in meinem schwarzen Sweatshirt absolut umwerfend aussehen und zweitens, würde es nach dieser Nacht nach ihr riechen. Wow, das klang fast so wahnsinnig, als wäre ich Grenouille aus 'das Parfüm'.

The Story of Ocean and SkyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt