20.

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Ich weiß wirklich nicht wie es passieren konnte. Vermutlich hatte ich es so eilig, dass ich nicht rechtzeitig abbremsen konnte, als Michael aus einer Tür in den Flur hinaus trat. Ich prallte gegen seinen harten muskulösen Rücken und taumelte so schnell es ging ein paar Schritte zurück, während er erschrocken herumfuhr. Ich geriet ins Stolpern, meine Tasche rutschte mir von der Schulter und meine Bücher ergossen sich über den Boden. Ich ruderte mit den Armen durch die Luft, panisch versucht mein Gleichgewicht wieder zu erlangen, doch mein Rücken näherte sich bereits dem Boden, bis Michael geistesgegenwärtig nach vorne hechtete und nach meinen Schultern griff. Im nächsten Moment fand ich mich an seine Brust gepresst wieder, das Herz mir bis zum Halse schlagend. Meine Tollpatschigkeit hatte wieder zu geschlagen. Es war ja nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ich mich erneut vor jemandem blamierte und hier war ich nun.

"Alles in Ordnung?", hörte ich Michaels sanfte Stimme über mir, sein Atem huschte über meinen Scheitel. Für einen Moment kniff ich die Augen zu und hoffte, wenn ich sie wieder öffnete, Zuhause in meinem Bett zu liegen und aus diesem Albtraum zu erwachen, doch natürlich stand ich immer noch im Flur, in Oceans Haus, viel näher an einem fremden, jungen Mann, als ich es jemals von mir gedacht hätte, und rührte mich nicht.

"Sky?"

Er rückte ein wenig von mir ab, löste seine rechte Hand von meiner Schulter und  schob sie unter mein Kinn. Im nächsten Augenblick hob er meinen Kopf an und mein Blick  begegnete schüchtern seinen eisblauen Augen. Sie waren meinen sehr ähnlich, jedoch war die Form schmaler und auf eine attraktive Art und Weise listig, wie bei einem Wolf. Mein Gesicht musste inzwischen die Farbe eines blutroten Rubins angenommen haben und sein prüfender Blick, machte die Situation nicht gerade besser.

"Ja", piepste ich, jedoch immer noch unfähig mich zu bewegen. "Ja, es geht mir gut."
"Wirklich?", hakte Michael nach und ehe ich mich versah, strichen seine Finger über meine Wange. Geschockt starrte ich ihn an, mein Atem geriet ins Stocken. Ganz vorsichtig glitten seine Fingerkuppen über meine Haut und steckten mir schließlich eine Haarsträhne, die sich aus meinem Zopf gelöst hatte, hinter das Ohr. So etwas hatte ich noch nie erlebt, höchstens in einem meiner Bücher darüber gelesen. Nicht einmal Julian hatte mich so berührt wie Michael es gerade tat, bevor er seine Lippen auf Meine gepresst hatte. Und doch wäre es vermutlich noch 100 mal schöner, wenn Ocean statt Michael vor mir stehen würde.

"Äh ja", krächzte ich und zwang mich energisch den Blick von Michaels Augen loszureißen. Dann bückte ich mich eilig, um meine verstreuten Bücher aufzusammeln. Ein seltsames, beklemmendes Gefühl machte sich in meiner Brust breit, ich wollte nur noch von hier weg. Ich konnte Michael nicht mehr ansehen ohne puterrot anzulaufen. Sehr zu meinem Leidwesen war er jedoch ein Gentleman und kniete sich neben mich. Nervös begann ich an meiner Unterlippe zu nagen und versuchte seinem Blick auszuweichen, bis er plötzlich nach meiner Hand griff. Erschrocken schoss mein Kopf in die Höhe, doch Michael lächelte nur. "Tut mir Leid, dass ich dir im Weg stand. Wieso hattest du es denn so eilig? Es sah ja fast so aus, als würdest du vor Ocean flüchten." Er kicherte, mir hingegen blieb das Lachen im Halse stecken. Wenn Ocean wüsste, was hier gerade abging, würde er mit Sicherheit ausrasten. Und aus irgendeinem Grund machte mir das ein schlechtes Gewissen. Michael machte sich an mich heran, ganz eindeutig. Und ich? Ich war viel zu verdattert, um wirklich etwas dagegen zu unternehmen.

"Ja", stammelte ich, bis mir auffiel, dass 'ja' keine Antwort auf seine Frage war. Konnte dieses Gespräch noch unangenehmer werden? "Äh... Ich meine, Ocean und ich hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit und ich hatte keine Lust mehr auf seine Spielchen."
Das schien Michael zu überraschen, denn er zog interessiert die Augenbrauen in die Höhe. "Ach wirklich? Die meisten Mädchen, die Ocean mit hierher bringt, können von seinen Spielchen gar nicht genug bekommen."
Ich zuckte zusammen und fuhr zu ihm herum. "I-Ich bin keine von Oceans... üblichen Freundinnen."
Wenn es möglich war, rutschten Michaels Augenbrauen noch weiter in die Höhe. "Bist du nicht?"
"Nein!", verteidigte ich mich nachdrücklich und verstaute meine Bücher ordentlich in meiner Tasche.
"Dann bist du also nicht das Mädchen, das sich in den falschen Kurs verirrt hat?"
Ich erstarrte und bedachte Michael mit einem entgeisterten Blick. "Woher weißt du davon?"
"Also doch." Michaels Grinsen wirkte ein wenig enttäuscht. "Ocean und Remsey haben davon erzählt."
"Ach tatsächlich?" Mein Herz würde explodieren. Niemals konnte es es durchhalten so schnell zu schlagen. Ocean hatte seiner 'Familie' von mir erzählt. Dann war ich ihm doch wichtig, oder? Meine Hände waren vor Aufregung so schwitzig, dass ich sie an meiner Hose abwischen musste. "Was hat er gesagt?" Meine Stimme war kaum mehr als ein Hauchen.

The Story of Ocean and SkyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt