Ich konnte mich nicht zurück halten. Der Zorn brachte meine Hände zum Zittern und mir wurde schlecht, aber er machte mich auch mutig. Auch wenn ich dieses Zimmer eigentlich nie wieder betreten wollte, ließ meine Wut es nicht zu, dass ich Hals über Kopf davon rannte. Stattdessen stieß ich mit einem gewaltigen Ruck die Tür auf, sodass sie mit einem lauten RUMS gegen die Wand knallte und zurück schwang. Ocean fuhr herum und sein wirrer, gehetzter Blick, streifte mein Gesicht, während Kelly sich aufrichtete und einen spitzen Schrei ausstieß, doch ich kümmerte mich nicht weiter um sie.
"Das... das ist abartig, Ocean", stieß ich hervor und fand beinahe keine Worte mehr dafür, wie abstoßend, eklig und pervers ich die Situation fand. Kelly trug MEINEN Pullover, während sie sich von Ocean besteigen ließ?!
Ocean sagte gar nichts, er starrte mich einfach nur an. Sämtliches Blut war aus seinem Gesicht gewichen, dafür kreischte Kelly umso lauter.
"Verschwinde!", brüllte sie völlig außer sich. "Gäste haben hier oben nichts zu suchen und du erst recht nicht!" Erstaunlich wie sie es geschafft hatte, sich in den Pullover hineinzuquetschen. Er entblößte beinahe ihren ganzen Bauch, der Kragen lag eng um ihren Hals und die Ärmel reichten ihr gerade mal bis zu ihrem Ellbogen.
"Das war mein Lieblingspulli!"
Ich ignorierte ihr Gezeter weiterhin komplett. "Das... ich finde gar keine Worte dafür, das ist einfach..." Anstatt weiter zu sprechen, ruderte ich völlig außer mir mit den Armen durch die Luft, dann drehte ich mich um, warf die Tür hinter mir mit einem lauten Krachen ins Schloss und griff ohne nachzudenken, nach dem nächsten Türknauf. Wenn ich Cosma und Jordan endlich finden würde, konnten die beiden was erleben. Nur ihretwegen war das alles passiert, wäre ich doch einfach zu Hause geblieben.
Der nächste Raum entpuppte sich tatsächlich als Badezimmer. Ich hätte nur eine Tür weiter gehen müssen. Nur eine Tür, doch anstatt mich hier bei Cosma und Jordan verkriechen zu können, sah ich noch etwas, das ich besser nicht gesehen hätte. Es waren nämlich nicht Cosma und Jordan, die sich hier versteckten und es reierte sich auch niemand die Seele aus dem Leib. Stattdessen saß Marcia auf der Platte, in die das Waschbecken eingelassen war, die Beine um die Hüfte eines Kerls geschlungen, dessen T-Shirt bereits am Boden lag. Als sie die Tür aufschwingen hörte, riss sie sich von seinem Mund los und warf mir einen erschrockenen Blick zu.
"Sky!", entfuhr Marcia mein Name und Entsetzen schwang in ihrer Stimme mit, als sie fauchte: "Los, verschwinde! Nur Bewohner dieses Hauses dürfen hier hoch. Gäste der Party bleiben unten!" Ich war mir zwar ziemlich sicher, dass ihr Freund, mit dem sie sich gerade vergnügte, auch nicht hier wohnte, aber ich verkniff mir eine Bemerkung. Nachdem ich erfahren hatte, dass sie Oceans Schwester und nicht seine Freundin war, hatte ich sie eigentlich für ganz sympathisch gehalten, bis jetzt zumindest.
"Sorry", nuschelte ich hastig, "ich wollte nur..."
"Hau ab!", fiel Marcia mir giftig ins Wort, "und wehe, du erzählst Ocean etwas davon!"
Ich tat, wie mir geheißen und trat eilig ein paar Schritte zurück, bevor Marcia einen ihrer schwarzen Pumps nach mir werfen konnte. Das hätte ich ihr gerade wirklich zugetraut.
Nachdem ich Cosma und Jordan nun auch im Badezimmer nicht gefunden hatte, hielt mich hier nichts mehr. Als ich immer noch am ganzen Körper zitternd, an der Tür zu Kellys Zimmer vorbeilief, hörte ich dahinter gedämpfte Stimmen und als ich die von Ocean erkannte, beschleunigte ich meine Schritte noch mehr. Ich musste raus aus diesem Tollhaus und auch wenn ich Cosma und Jordan zurücklassen würde, ich hatte mein Bestes gegeben sie zu finden, jetzt reichte es. Als ich die Treppe nach unten rannte, machte ich mir nicht mehr die Mühe leise zu sein. Je weiter ich kam, desto mehr gingen meine Schritte in der Musik unter. Die Show war wohl vorbei, denn es standen wieder mehr Menschen im Flur, sodass es eine gefühlte Ewigkeit dauerte, bevor die Haustür in Sicht kam. Ich hatte sie fast erreicht, ich musste mich nur noch an einer Menschentraube vorbeidrücken, als ich einfach nur so, ohne erkennbaren Grund den Kopf nach rechts drehte. Keinen Meter von mir entfernt stand Michael. Sein Blick durchbohrte mich, vielleicht hatte ich das gespürt und mich deswegen zu ihm umgedreht. Heute trug er ein lässiges, weißes T-Shirt, sein kohlrabenschwarzes Haar war zerzaust und doch hätte ich ihn kaum erkannt. Sein Gesicht war so zugerichtet, dass mir augenblicklich noch einmal der Schreck in die Glieder fuhr. Sein linkes Auge zierte ein rot-blaues Veilchen, auf der Wange darunter prangte ein verschorfter Schnitt und seine Lippe war so dick angeschwollen, dass sie bei jedem Wort, das er von sich gab, höllisch weh tun musste.
Als er meinen Blick auffing, stieß er sich von der Wand ab und kam ein paar Schritte auf mich zu. Mein Plan wegzurennen, war augenblicklich wieder vergessen, ich wollte nur wissen, was ihm passiert war, obwohl ich es ohnehin schon ahnte.
"Hi Sky." Er versuchte zu lächeln, aber seine Lippe wollte das nicht zulassen.
"Wer war das?", fragte ich gerade laut genug, dass er mich verstehen konnte und er zuckte mit den Achseln. "Wer wohl?"
"Ocean", sprach ich meinen Verdacht aus, der sich hiermit bestätigt hatte.
"Das tut mir Leid." Natürlich konnte ich mich noch ganz genau daran erinnern, wie ich Michael dazu gedrängt hatte mir zu erzählen, was Ocean gesagt hatte, genauso gut wusste ich aber auch noch, was für ein kalter, zufriedener Ausdruck in seinen Augen gestanden hatte, als er Oceans Worte wiederholt hatte. "Aber kann es sein, dass dir das Spaß gemacht hat? Ich meine, mir das alles zu erzählen?"
Michaels Blick klärte sich auf, doch er antwortete mir nicht direkt auf meine Frage, sondern sagte nur: "Du darfst nicht mich für den Bösewicht der Geschichte halten."
"Glaub mir, ich weiß inzwischen ganz genau, was Ocean für ein Arschloch ist. Ich will ja nur wissen, was zwischen euch vorgefallen ist, dass es dir solchen Spaß macht, ihm in den Rücken zu fallen."
Michael zögerte kurz, dann beugte er sich so weit zu mir herunter, dass seine Wange mein Ohr berührte, als er flüsterte: "Ein Mädchen ist vorgefallen." Er richtete sich wieder auf und schenkte mir einen vielsagenden Blick, bevor etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich zog. "Da ist er ja. Der Mann der Stunde."
Ich war zwar zu klein, um über die Köpfe der anderen Studenten hinweg zu blicken, aber mir war trotzdem klar, dass er von Ocean sprach. "Das war mein Stichwort. Nimm es mir nicht übel, aber ich hoffe, dass ich dieses Haus kein einziges Mal wieder betreten muss, also werden wir uns wohl nie wieder sehen." Ich hob zum Abschied kurz die Hand und wieder versuchte Michael zu lächeln. "Das glaube ich nicht, Sky. Wir werden uns auf jeden Fall wieder sehen, aber bis dahin, mach's gut."
-Ende von Kapitel 32.- Wahnsinn! Seit gestern sind es 1000 Reads! Vielen, vielen Dank an alle, die sich die Zeit nehmen, diese Gesichte zu lesen und vielleicht auch hin und wieder für ein Kapitel voten. Und Achtung: Nächstes Mal wird es heiß, also seid gespannt... ;)
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The Story of Ocean and Sky
Teen Fiction"Aber du würdest mich gerne kennen." Himmel, war dieser Kerl eingebildet. "Davon träumst du", spottete ich und klopfte mir innerlich vor Stolz auf die Schulter. Sein Lächeln war jedoch nicht die Reaktion, die ich darauf erwartete hatte. "Ja, viellei...