Fürsorge und/oder Eifersucht?

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"Ihre Hand wurde wirklich vorbildlich behandelt und verarztet. Ich hätte es selbst nicht besser machen können.", entgegnete mir die Schwester. Triumphierend grinste ich Nathan an. "Siehst du! Alles gut. Er hat mir nichts getan und mich sogar noch ordnungsgemäß versorgt, Nathan." "Hätte aber durchaus sein können, dass er einen Fehler gemacht haben könnte.", beharrte Nathanaël. "Ach das waren gar nicht Sie, der ihr die Hand verbunden hat?", fragte die Schwester spitz und sah Nathan eindringlich an. "Nein das war... Das war... Monsieur du Mont." Mir war ganz entfallen, dass er ja noch gar keine Gelegenheit hatte, sich mir vorzustellen. Verdutzt sah die Schwester mich an. "Monsieur du Mont? Ich wusste gar nicht, dass wir einen neuen Tutor hier an der Uni haben." Ich kicherte. "Nein, er ist ein neuer Student und in meinem - ähm unseren - Kunstkurs." "Meinen Sie den hübschen jungen Mann, der gerade gegangen ist?" "Ja!", lächelte ich. Dass der Neue hübsch war stimmte, das musste man ihm zu Gute halten. Entschuldigend sah ich zu Nathan, der sich beleidigt, die Arme verschränkt, wegdrehte. "Mhgh!" "Da ist wohl jemand eifersüchtig!", stichelte die Schwester.m und stieß mich dabei leicht mit dem Ellenbogen an. "Ja!", stimmte ich zu und lachte herzhaft. "Bin ich gar nicht. - Ich geh zurück zur nächsten Vorlesung." Er drehte sich um und wollte den Raum verlassen als ich ihn bat zu warten. "Gute Idee, ich komm' mit!" "Du bleibst schön hier und ruhst dich aus!", befahl er mir. "Es ist wirklich besser, wenn Sie noch eine Stunde hier bleiben und sich ausruhen, Mademoiselle.", pflichtete mir auch die Schwester bei. Ich ließ mich also wieder nach hinten in die Kissen fallen. "Na schön!" "Ich komm' dich dann später abholen." Mit einem letzten Kuss verließ er den Raum. "Ein sehr fürsorglicher Junge.", stellte die Schwester fest, während sie in Ihren Schränken Medikamente suchte. "Manchmal zu fürsorglich.", antwortete ich genervt und rollte die Augen. Sie setzte sich wieder zu mir und reichte mir einen Plastebecher und eine Tablette. "Nehmen Sie das, meine Liebe. Das ist gegen die Schmerzen, dann geht es Ihnen besser." Ich nahm die Tablette in den Mund und schluckte sie mit einem großen Schluck Wasser runter.
"Hoffentlich gehören Sie nicht zu den wenigen Glücklichen, deren dominante Hand die Linke ist. Das könnnte sonst   bei allen möglichen Bewegungen,
die erste Zeit zumindest, leicht brennen." Mitfühlend sah sie mich an.  "Nein, ich gehöre zum Glück zu den, glaube 95% der Weltbevölkerung, die mit rechts schreiben.", lächelte ich. "Dann ist ja gut." Sie warf den Becher weg und war bereit den Raum zu verlassen. "Schlafen Sie gut, Mademoiselle."
Schon sehr bald begann die Müdigkeit mich zu übermannen. Von fern konnte die Stimmen zweier Leute wahrnehmen, die sich wohl unterhielten. Was sie sagten, verstand ich jedoch nicht. Meine Augenlider wurden immer schwerer und bald konnte ich sie nicht mehr offen halten und driftete in den Schlaf ab.

Wieder mal war ich im Waschraum. Diesmal aber, um die Kaffeeflecken auf meinen Kleidern los zu werden.
Doch es war sinnlos. Letztendlich ließ ich Hemd und Pullunder von den elektronischen Handtrocknern trocknen und begutachtete meinen Bauch, auf dem ich eine leichte Rötung feststellte. Das mussten Verbrennungen von dem heißen Kaffee sein. Mit dem Zeigefinger fuhr ich über die Rötung. Das brannte nun doch ganz schön. Bis eben hatte ich davon nichts gespürt, weil für mich, außer Marinette, alles andere total nebensächlich gewesen war.
Ich zog meine Klamotten, sie waren wieder halbwegs trocken, wieder an. Oberkörperfrei, nur mit Mantel, war dann doch etwas kalt. Anschliesend wollte ich noch mal nach Marinette sehen.
Als ich die Krankensration betrat, wollte die Schwester gerade gehen. "Sieh an. Sie wollte ich gerade suchen.  Monsieur du Mont, richtig?" Woher wusste sie meinen Namen? "Ziehen Sie Ihr Hemd aus.", sagte sie ganz unverblümt. "Was? Nein!", rief ich entsetzt aus. "Als Ärztin muss ich sehen, dass Sie sich durch den heißen Kaffee keine schweren Verbrennungen zugezogen haben." Überrascht sah ich sie an. Das hatte Sie vemerkt? Den Moment nutzte sie und schon hatte sie mir zumindest den Mantel abgenommen. "Woher...?", fragte ich und zog dann doch bereitwillig Pollunder und Hemd aus. "Ich kann eins und eins zusammenzählen. Madame Ganay hat mir erzählt, was in der Mensa passiert ist. Und der große Kaffeefleck auf Ihrer Kleidung, Monsieur, war und ist immer noch nicht zu übersehen.", meinte sie und kam näher, um sich meine Verbrennung zu betrachten. Mit zwei Fingern drückte sie vorsichtig darauf rum und ich biss die Zähne zusammen, presste einen unterdrückten Schmerzlaut zwischen diesen hindurch. "Ich werde Ihnen eine Kühlsalbe auf die Rötung auftupfen und Ihnen einen kleinen Eisbeutel auf den Bauch legen." Gesagt getan.
"Sie bleiben jetzt noch für eine Viertelstunde hier und kühlen die Rötung  Dannach können Sie gehen. Die nächsten Tage kommen Sie zur Kontrolle bei mir vorbei. Die Salbe gebe ich Ihnen mit." Ich zog mein Hemd wieder an und nahm dann Salbe und Eisbeutel entgegen. Sie machte sich zum Gehen fertig. "Bin bald wieder da. - Übrigens, wie Sie die Hand von Mademoiselle behandelt haben..." Mit schockgeweiteten Augen sah ich sie an. Habe ich einen Fehler gemacht? "Das haben Sie gut gemacht.", lobte sie  Erleichtert atmete ich aus. Mir fiel ein Stein vom Herzen. "Merci!", bedankte ich mich höflich und sah verlegen weg. "Wenn Sie möchten, können Sie sich zu ihr setzen. Sie müsste bereits schlafen oder zumindest kurz davor sein. Das Schmerzmittel ist leicht narkotisierend. Lassen Sie sie also bitte schlafen und verhalten Sie sich, auch ihrer Verletzungen wegen, ruhig. - Ich bin dann bald wieder da." Sie ging und ich setzte mich zu Marinette ans Bett.
Das letzte mal als ich bei ihr am Bett saß, hatte ich gerade herausgefunden dass sie Ladybug war. Aber ich kam leider nie dazu ihr zu offenbaren, wer ich wirklich war.
Sie hatte sich vom Aussehen her verändert - war mutiger geworden und setzte sich mehr durch, aber ansonsten war sie mir gegenüber immer noch genauso tollpatschig. Doch das liebte ich an ihr. "Marinette, ich bin wieder da. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich dich vermisst habe.", flüsterte ich. Dann nahm ich ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss darauf. "Ich werde dich nie wieder verlassen."

Während der Vorlesung konnte ich mich nicht wirklich konzentrieren. Meine Gedanken kreisten nur um Marinette und den Neuen. Was wollte er von ihr?
Schließlich täuschte ich vor, das mir schlecht wäre und lief zum Krankenflügel zurück. Und da sah ich ihn. Er saß an ihrem Bett und hielt ihre Hand. Das wäre beziehungsweise das ist meine Aufgabe, nicht seine. Wutentbrannt lief ich auf ihn zu. "Nimm' deine Finger von ihr und wage es nicht nochmal, sie anzufassen."

Nathanaëls Stimme klang gefährlich und ich empfand es fürs erste besser, zu kapitulieren und das Weite zu suchen. Die Eiswürfel waren bereits geschmolzen und die Viertelstunde war sicherlich auch schon vorbei. Resigniert seufzend, stand ich auf und ging, ohne mich noch mal umzudrehen.

So, mehr als sein Nachname ist immer noch nicht bekannt. Wann wird Monsieur du Mont wohl die Gelegenheit haben, sich Marinette in Ruhe vorzustellen?

Was lange währt wird endlich gut!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt