Kassandra
Die erste Nacht nach der Trennung ist die Hölle. Sobald ich die Augen schließe, sehe ich ihn. Er dringt in meinen Schlaf, lässt mich von ihm träumen. Christian ist mir so nah, als ob er vor mir steht. Ich kann ihn spüren, ihn riechen, ihn berühren. Dann verändert sich sein Gesichtsausdruck. Zuneigung und Begehren weicht Hass und Eckel. Er schreit mich an. Schreit wie sehr er mich verachtet. Ich habe ihn angelogen und jetzt bin ich nur noch Abschaum für ihn.
Der Samstag verläuft nicht besser. Ich reagiere nicht, wenn mich einer anspricht. Innerlich bin ich tot. Einfach ausgelöscht. Meine jetzt schwarzen langen Haare, lassen mich noch verletzter aussehen. Mein Spiegelbild lacht mich aus.
"Du bist so jämmerlich." Lacht es und ich gebe ihr Recht.
Ich muss Christian vergessen. Er hat es bestimmt schon längst. Aber wie soll ich das schaffen? In meiner Brust schmerzt es und wenn ich mich nicht mit allen verbleibenden Kräften zusammen reiße, kommen die Tränen und ich kann sie nicht mehr stoppen.
Es sind zwar alle nett und versuchen mich aufzumuntern, aber das will ich gar nicht. Der Schmerz von meinem Rücken, überwältigt mich und zeigt mir, dass ich noch lebe. Tiefe blutige Striemen sind quer über mein Rücken verteilt. Aber warum ist Christian weg gelaufen? Er sollte es doch tun. Es war mein Wille. Wille nach Erlösung und Vergebung.
José ruft mich zum Abendessen, aber wie die letzten Male, bekomme ich eh nichts runter. Ich bleibe im Bett und weine. Das Verlangen einfach nur einzuschlafen und Christian nah zu sein, ist zu groß.
Als ich wieder einmal von einem heftigen Alptraum unsanft geweckt werde, stehe ich auf. Ich brauche Luft. Ohne weiter darüber nachzudenken, stecke ich mir die Stöpsel in die Ohren, schalte die Musik auf volle Lautstärke und gehe joggen. How deep is your Love von Calvin Harris & Disciples dröhnen laut und basslastig durch meinen Körper. Dieses Lied klingt so flehend. Ich stelle auf Wiederholung.
Es ist noch dunkel, die Uhr zeigte 6 Uhr früh, als ich losgelaufen bin. Ich beschleunige mein Tempo, renne durch den Wald, am Fluss entlang und dann neben dem großen Maisfeld, welches bald geerntet werden kann. Alles ist so friedlich, so ruhig und vollkommen im Gleichgewicht. Genau das Gegenteil von mir. Alles dreht sich, alles hat sich verändert.
'Open up my eyes and tell me who I am. Let me in on all your secrets, no inhibition, no sin.'
Ja, wie gerne hätte ich mich ihm geöffnet und ihm alles gesagt. Alles anvertraut. Aber er würde mich hassen, zum Teufel jagen und sich wünschen, mich nie kennengelernt zu haben.
Wie kann ein einzelner Mensch mit einem anderen eine intime Bindung führen, ohne ihn wirklich zu kennen. Ich habe Christian von Anfang an belogen. Ihm nur gezeigt, was er sehen sollte. Jetzt bin ich wieder feige weggerannt. Habe ihn einfach verlassen. Ich kann nur hoffen, er verkraftet es besser als ich. Trauert mir nicht hinterher oder sucht mich.
Doch dieser Gedanke, er könne mich suchen, wird zur schrecklichen Wahrheit, als ich den schwarzen SUV in der Einfahrt sehe. Renne ich weg? Laufe ich ihm in die Arme? Warum ist er überhaupt hier? Wie hat er mich gefunden? Schließlich bin ich in Montesano und nicht mehr in Seattle.
Christian steigt aus dem Wagen. Seine Haltung ist gesenkt, seine Bewegungen wirken gequält und schmerzhaft. Sein ganzes Erscheinungsbild sieht verletzt aus und ich sehe ihn nur von hinten.
"Christian." Es ist nur ein Flüstern, aber er dreht sich erschrocken um.
Seine grauen Augen haben ihren Glanz verloren, werden umrahmt von dunklen Augenringen. Er ist nicht rasiert, sein Gesicht wirkt dadurch noch eingefallener.
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Touch me like you do
RomanceIch weiß, was es heißt sich zu unterwerfen. Weiß, wie es ist geschlagen zu werden. Als ich es nicht mehr ausgehalten habe, es mich fast umgebracht hat, habe ich mein altes Leben verbrannt. Ein neuer Name, neue Stadt, neues Leben. Mit dieser Lüge leb...