Manchmal ist das Schicksal eine widerwärtige Kreatur. Sei es das junge Mädchen, das seiner tödlichen Krankheit erliegt, im Herzen voller Verbitterung, sei es der Soldat, der auf der Suche nach Größe seiner Machtgier erliegt und letztendlich, in Geda...
1. Der Junge schritt über die Insel. Wohin sein Weg ihn führte, erwachte die Natur zum Leben. Die Felsmassen machten ihm Platz, schufen ihm Durchgänge und überall um seine Füße wuchsen wundersame Kristalle aus dem Boden. Er legte seine Hände auf die Felsen und um ihn herum bildete sich ein klarer See, von dessen Grund er einen Kieselstein nahm. In seiner kleinen weichen Hand wurde der Stein kugelrund und ebenmäßig und leuchtete kurz, fast freudig auf. Der Junge lächelte und steckte ihn ein. Weiter schritt er über die Insel, bis sie ein wahres Paradies geworden war, dann ging er auf eine kleine Felswand zu, die sich für ihn öffnete und um ihn herum zu einer Höhle formte. Dort ging er bedächtig in den Schneidersitz und schloss die Augen. Nur die Zeit weiß, wie lange der Junge dort saß, ehe er zufrieden wieder aufstand und weiterging in den Fels. Am Ende des neuen Stollens bot sich ihm eine Tropfsteinhöhle dar. Man konnte leise das Tropfen des Wassers hören, kleine eisblaue Kristalle spendeten schummriges Licht. Der Engel der Hoffnung legte seinen Zeigefinger an die Wand und schrieb ein Wort hinein: Kentos.
-
Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
Sie hörte ihre Mutter wieder weinen - bittere Tränen der Verzweiflung, fast jeden Tag seit jenem Tag. Sie klammerte sich an ihren Vater undweinte, sie klammerte sich an den Arzt und fragte verzweifelt: „Gibt es denn gar nichts, was Sie für meine Tochter tun können?" - Nein, bedauerlicherweise nichts, gar nichts. Am besten sie bereitete sich darauf vor Abschied zu nehmen, aber das konnte sie nicht. Hoffnung. Sie hatte stets Hoffnung. Einen jämmerlichen kleinen Strohhalm, an den sie sich klammerte, dass ihre über alles geliebte Tochter vielleicht eines Tages wieder gesund werden könnte. Krankheiten sind etwas Grausames. Nicht für die Erkrankten selbst - die finden sich früher oder später mit der Endlichkeit ihres Daseins ab und, wenn sie einmal tot sind, so sind sie befreit - nein, für die Angehörigen, die Freunde, die Familie, die einen geliebten Menschen verlieren müssen. Ihm dabei zusehenmüssen, wie er dahinsiecht. Gewiss zum Tode verdammt, und sie danach noch dazu ohne ihn weiterzuleben. Ich höre ihre Stimme wieder und wieder, diese einfältige Frau, die einfältigeCountessElizabethvanVeißten, meine einfältige über Alles geliebte Mutter, wie sie den Earl von Winterstaveanfleht es zu versuchen. Dort im fernenLandwirdmansieheilen können, ganz bestimmt. Und wie er mit gramzerfurchtem Gesicht müde nickt und den Heiler ruft. Gewiss, wir würden bald aufbrechen in den Süden. Damit es mir bessergehe. Dabei bin ich doch bereits verloren...
2. „Mylady! Mylady?" Valeé van Veißten schreckte jäh aus ihrem Gedanken hoch und zuckte zusammen, als sie den gräfischen Heiler von Winterstave vor sich erblickte. „Du weißt, was ich von Mylady halte, Julian?" - „Sicherlich, Mylady und dennoch ist es eurem Stand zu schulden, dass ich euch so nenne. Es ist Zeit für eure Medizin. Wie geht es euch? Wie bekommt euch die Schifffahrt?" - „Wenn das hier die Fähre über den Fluss der Toten ist, dann bin ich auf dem besten Weg", antwortete sie zynisch und fing sich sofort einen missbilligenden Blick von ihrem Arzt und Aufpasser ein. „Noch seid ihr nicht tot, Mylady!" - „Wäre ja auch schrecklich, wenn ich an deiner Arbeitslosigkeit schuld wäre", brummte sie resigniert und strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht. „Mit 18 ist noch nicht die Zeit zu sterben. Mit 18 ist die Zeit sich zu verlieben und glücklich zu sein, Mylady", meinte der Heiler nur und überreichte ihr ihre tägliche Dosis Medizin. Valeé verdrehte ihre lila Augen, schluckte den Krankheitshemmer und meinte dann: „Welcher Jüngling würde sich denn bitte in ein Mädchen verlieben wollen, dass in unter einem Jahr stirbt? Das wäre ja selten dämlich. Ich muss nicht noch einem Menschen dadurch wehtun." - „Nehmt ihr nur täglich gewissenhaft eure Medizin ein!", mahnte Julian. „Und wie viel Zeit gibt mir das?", rief sie aufgebracht, „einen Tag, eine Woche, einen Monat? Diese ganze Reise bringt doch nichts. Ich will bei meiner Familie sterben und nicht auf einem dämlichen Schiff!" Die Augen die Heilers färbten sich dunkel und traurig murmelte er: „So viel Zeit wie wir kriegen können, Mylady, so viel Zeit, wie wir kriegen können."