Kapitel 8 - Dars descende

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Für Kati

„Warum zum Teufel, Kol, steht hier dein Name an der Wand?!"

1. Kentos. Einige Minuten standen wir sprachlos vor dem einzelnen Wort in der felsigen Wand. Kentos. Was machte mein Name in einer mehrere Jahrhunderte alten Tropfsteinhöhle, auf einer verlassenen Insel mitten im Ozean, fern von meiner Heimat und der Verwitterung nach zu schließen schon Ewigkeiten vor meiner Geburt darin eingeritzt? Ich wusste es nicht. Dars war der Erste der seine Sprache wiederfand: „Das ist gruselig. Da hat sich doch irgendjemand einen Scherz erlaubt." – „Zufall", murmelte Jorn, in dessen Augen sich jedoch Zweifel spiegelten, „die Schrift ist zu alt, es muss Zufall sein. Mehr nicht." Ich schüttelte langsam den Kopf: „Kein Zufall. Seht nur, der Kompass." Alle wandten ihren Kopf dem kleinen silbernen Kompass zu. Die Nadel zeigte starr auf die Wand. Dann, plötzlich, begann sie sich wie wild im Kreis zu drehen, bis sie schließlich wieder starr stehen blieb, die Spitze jedoch dieses Mal fest auf mich gerichtet. „Es muss ein Zeichen sein." Ich war mir sicher. „Irgendjemand hat gewusst, dass ich kommen würde, hat gewusst dass ich auserwählt sein würde. Es ist eine Bestätigung, dass ich tatsächlich der Richtige bin, dass ich es schaffen kann." Plötzlich spürte ich eine gewaltige Zuversicht. Die Schriftzeichen an der Wand zogen mich magisch an. Wie in Trance streckte ich die Hand aus nach dem unsichtbaren Magnet, der mich zu rufen schien. Meine Hand berührte den Stein und auf einmal durchfuhren mich tausend Erinnerungen.

 Meine Hand berührte den Stein und auf einmal durchfuhren mich tausend Erinnerungen

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Ich schwebte über dem Wasser. Unter mir breitete sich eine blühende grüne Insel aus. Zwei freundliche goldene Kinderaugen lachten mich an. – Ich stand in einer Höhle, meine Finger, die Finger eines Kindes, schrieben ein Wort in die Felswand: Kentos. – Ich sah leuchtend grüne Augen und einen Mann, der in einem heruntergekommenen Haus für kleine Kinder bunte Lichter scheinen ließ. – Ich spürte gewaltigen Schmerz und große Verzweiflung, fühlte, wie mein Herz brach. – Ich blickte über ein Schlachtfeld. Unter mir metzelte sich ein einzelner Krieger, einem Dämon gleich durch die Reihen beider Seiten. – Vor mir erstreckte sich eine große Stadt. Im Zentrum der Stadt eine schwarze Burg. Ein Mann in einer Rüstung, mit einer dunklen Maske vor dem Gesicht; hinter den Schlitzen glomm es golden. Neben ihm ein weiterer Mann mit hellgrünen traurigen Augen. Vor ihm Reihen um Reihen von Kriegern, die vor ihm niederknieten. – Wieder die Insel. Der Mond hatte sich vor die Sonne geschoben. Zwei Gestalten, beide maskiert kämpften mit vier weiteren, zwei davon geflügelt. Einer nach dem Anderen fiel. – Die Männer, unmaskiert, vor zwei anderen. Der Grünäugige blickte den Braunäugigen Begleiter des Engels voller Trauer an. – Der Engel mit den goldenen Augen, voller Schmerz, kniend über einer Leiche. Dann stand er auf. Ich blickte auf einen Engel mit silbernen Augen, der besiegt auf dem Boden lag. Der goldäugige Mann schrie etwas, ein helles Licht, der Engel wurde von ihm eingesogen, schwere Türen schlossen sich hinter ihm. – Wieder ein Szenenwechsel. Jetzt erblickte ich eine Reihe von Gesichtern, männliche und weibliche, von Personen mit Engelsflügeln. Nach jedem Gesicht eine Katastrophe: Menschen, die krank daniederlagen, Dürren, Flutwellen, Stürme, Hoffnungslosigkeit. Zehn Gesichter sah ich, auf die Hoffnungslosigkeit ein elftes, das mich aus wahnsinnigen goldenen Augen verzweifelt ansah. – Schließlich stand ich in einer weißen Gefängniszelle. Ein alter Mann saß auf einer Pritsche und hob den Kopf in meine Richtung. Stechende silberne Augen blickten mich an. Er bewegte seine Lippen: Höre meinen Ruf. Hilf mir. Hilf uns allen. Rette mich, rette uns, rette die Welt. Du bist unsere letzte Hoffnung. Die Worte, die ich bereits schon einmal in meinen Träumen gehört hatte. Die Zelle verschwand im Licht. Ich riss die Augen auf.

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