Kapitel 22 - Deliah

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Steh nicht am Grab in verzweifelter Not,

ich bin nicht da - ich bin nicht tot!

Irisches Grabgedicht

1. Der Mann stand in der Mitte eines kreisrunden verdunkelten Raumes. Die Fenster waren mit dicken Tüchern verhängt worden, sodass nur dämmriges Licht in den Raum fiel. In seiner Hand hielt er eine schwarze Rose, deren Dornen blutige Male an seinen Händen hinterließen, je verkrampfter er sie umklammerte. Seine schwarzen Haare hingen ihm unordentlich ins Gesicht, während er der Blume einzeln ihre Blätter ausriss: „Er kommt zurück." Seine Mundwinkel wanderten leicht nach oben zu einem fast manischen Lächeln. Ein weiteres Blatt fiel auf den Boden. „Er kommt nicht zurück." Ein Wimmern entfloh seinem Mund, als sich seine Mundwinkel zu einer Grimasse verzerrten. Ein Tropfen Blut lief seinen Arm hinab und wurde auf halbem Weg von einem weiteren Blütenblatt überholt. „Er kommt!" Mit einem leisen Lachen wischte er sich eine einzelne Träne aus dem Augenwinkel und hinterließ einen roten Streifen auf seiner Wange. „Er kommt nicht." Das letzte Blatt berührte den Boden. „Er kommt nicht!", schrie der Mann. In seinen goldenen Augen leuchtete ein zorniges Feuer. „Er hat mich alleingelassen? Wieso?!" Er brach zusammen und rammte seine Faust in den Boden, dessen Fließen mit einem lauten Splittern sprangen, dann vergrub er das Gesicht in den Händen. „Warum weinst du?" Die Stimme durchdrang ihn wie hundert Messerspitzen. Seine Hände zitterten, als er sie aus seinem Gesicht nahm und aufblickte. „Du... du bist zurückgekommen...?" – „Ich habe es dir versprochen. Ich folge dir. Letztendlich bist du meine Wahl, meine Zukunft, mein Schicksal. Noch sind wir nicht fertig. Steh aufrecht!" Der Heilige Ritter erhob sich: „Wirst du mir... bis zum Ende folgen... Merry?" – „Dieses Mal. Für immer."

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2. Die Kugel auf dem Samtkissen vor ihm zeigte keine Reaktion. Einzig das schwache Leuchten unterschied sie von einem banalen runden Stein. Salazar selbst zweifelte bereits langsam an seinem Verstand. Vielleicht war es gar nicht derselbe Gegenstand, der ihn hierher gebracht hatte. Angestrengt starrte er auf das Artefakt, wie schon seit Tagen oder Wochen sogar. Selbst im Leuchtturm war er gewesen, doch auch in der Einfassung an der Leuchtturmspitze hatte der Stein keine Reaktion gezeigt. Er fluchte frustriert und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Eine weiche Hand legte sich auf seine Schultern: „Du bist so versessen mit dieser Kugel. Warum quält es dich so?" Er warf einen Blick auf seine schwangere Frau, die ihn besorgt ansah. Es hatte seine Vorteile, der Schwiegersohn des Bürgermeisters zu sein, wie in dessen Villa zu leben und sich nicht mehr um seine Mahlzeiten kümmern zu müssen. Im Tausch gegen den Stein hatte er allerdings auch einen Teil seiner Freiheit eingebüßt. „Du solltest dir das Fluchen abgewöhnen, wenn Finnis erst einmal auf die Welt gekommen ist", meinte seine Frau und strich sich über den Bauch. „Verzeih mir...", murmelte er und wollte sich gerade wieder dem eigentlichen Objekt seiner Begierde zuwenden, als sein Schwager und Kommandant hereinkam: „Salazar, deine Schicht beginnt bald. Sie warten bereits auf Ablösung." Er seufzte leise: „Ich komme schon." Mit einem letzten Blick auf den Stein folgte er Kommandant Alleron. Während sie durch die Gänge liefen, meinte dieser vertraulich zu ihm: „Ich weiß ja, dass dieser Stein dir aus irgendeinem Grund viel bedeutet, aber vernachlässige dein restliches Leben darüber nicht. Du bist mein bester Mann und ich halte große Stücke auf dich, also sorg bitte nicht dafür, dass ich gezwungen werde, dich zu bestrafen. Gerade dir als Mann meiner Schwester darf ich keine Nachlässigkeiten durchgehen lassen." Salazar nickte nur als Zeichen, dass er verstanden hatte. Der Kommandant packte ihn an den Schultern und sah ihm tief in die Augen: „Wenn dich dieser Stein wirklich so sehr beschäftigt und du nicht weiter weißt, dann frag nach Hen! Denk an meine Worte." Mit diesen Worten ließ er ihn auf dem Gang zurück.

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