Kapitel 12 - Tamperra

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„Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein" – Es ist alles eitel, Andreas Gryphius (1663)

1. In der Stadt waren die Spuren des Kampfes noch deutlich zu sehen, jedoch schienen die Angreifer besiegt worden zu sein. Salazar Even folgte der Tochter des Bürgermeisters durch die aufgeregte Menge, die sich vor dem Rathaus versammelt hatte. Die Stadt war verwüstet, aber nicht so zerstört, wie er befürchtet hatte. Dennoch waren die Menschen in Sorge. Soldaten hasteten durch die Gassen auf der Suche nach eventuell zurückgebliebenen Piraten. Sie kämpften sich weiter durch die Leute bis zum Eingang des Rathauses, wo ihnen zwei Wachen mit gekreuzten Speeren den Durchgang verwehrten. „Ihr da Halt! Moment. Mylady?" Ardebil nickte: „Lasst uns durch. Dieser Mann hier hat mich gerettet. Wir müssen mit meinem Vater sprechen." Die Soldaten senkten ihre Waffen und gewährten ihnen Einlass. Sie gelangten in eine prächtige holzvertäfelte Eingangshalle und von dort aus über eine Wendeltreppe ins Obergeschoss, wo sie ein dicker roter Teppich einen Gang hinabführte. Das Mädchen steuerte die letzte Tür des Ganges an und öffnete ohne zu klopfen. Sie befanden sich in einem erstaunlich schlichten Büro. Ein großer Schreibtisch, einige Stühle, ein Abstelltischchen mit Getränken, mehr nicht. Um den Tisch waren einige ältere Männer versammelt, die sich aufgeregt besprachen. Als sie eintraten hoben sie die Köpfe. Plötzlich sprang ein rundlicher Mann mit lichtem grauen Haar und einer Art goldenen Abzeichen auf der Brust auf und rannte auf sie zu. „Ardebil!" – „Vater!" – „Ich dachte du wärst entführt oder schlimmer noch tot." Das Mädchen umarmte seinen Vater, dann erklärte sie: „Dieser Mann hier hat mich aus den Fängen der Piraten gerettet, Papa" Der Bürgermeister sah zum ersten Mal Salazar an und schüttelte ihm dann aufgeregt die Hand. „Oh, ist das so? Vielen Dank, Herr, vielen, vielen Dank. Ihr habt einen alten Vater sehr glücklich gemacht. Ich bin Albart, der Bürgermeister von Tamperra." Salazar verbeugte sich leicht: „Salazar Even, sehr erfreut." – „Ihr seid ein großer Mann, Meister Even. Euch allein den Piraten zu stellen. Ihr seid kein Soldat, das weiß ich. Ihr seid mir fremd." – „Oh ja, ich bin nicht von hier. Ich lebe im Leuchtturm beim Wärter und seinem Sohn." Der Bürgermeister strahlte: „Ah, mein guter alter Freund. Dann müsst ihr wahrlich ein großartiger Kerl sein, Meister Even. Einen wie euch kann Tamperra gut gebrauchen. Die Piratenangriffe nehmen überhand in letzter Zeit. Je mehr es bei uns floriert, desto dreister werden sie. Glücklicherweise haben wir einen guten Gardekommandant." Er schien recht stolz zu sein. „Sagt, ihr habt kein eigenes Haus, nicht wahr? Ich würde mich sehr gerne erkenntlich zeigen für eure Taten." Er drückte Salazar einen kleinen Beutel in die Hand, in dem es verdächtig klimperte. „Und überdies, hier!" Ihm wurde ein kleiner Schlüsselbund mit einem silbernen Schlüssel überreicht. „Der öffnet euch ein Haus am Stadtplatz, das zum Verkauf stand. Es soll euch gehören. Ich kann euch gar nicht genug danken!" – „Vielen Dank, Herr", meinte Salazar verblüfft. Mit so viel hatte er nicht gerechnet. „Euch muss ich danken." Er verabschiedete sich vom Bürgermeister und seiner Tochter und verließ das Rathaus, um sich sein neues Eigenheim anzusehen. Die Leute hatten sich mittlerweile wieder einigermaßen beruhigt und waren mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Nach etwas Herumfragen hatte er sein Haus gefunden, sperrte erwartungsvoll auf und wurde nicht enttäuscht. Mehrere Zimmer, eine Küche, sogar ein richtiges Bad mit Bronzewanne, überdies eine Treppe in ein Obergeschoss mit einem geräumigen Dachboden. Hier ließ es sich wohnen. Doch zum Schlafen war es noch zu früh. So entschied er sich, zum Leuchtturm zurückzukehren, um sich von seinen Freunden zu verabschieden. Die Arbeit im Hafen fiel heute aus, also verbrachte Salazar den restlichen Tag, nachdem er in die Stadt zurückgekehrt war damit, den Stadtbewohnern beim Reparieren ihrer Häuser und Stände zu helfen, wofür ihm manch ein dankbares Lächeln geschenkt und, ob seiner Heldentat von heute, ein bewundernder Blick zugeworfen wurde. Gerädert von diesem Tag fiel er schließlich früh in sein neues Bett und schlummerte tief.

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