Manchmal ist das Schicksal eine widerwärtige Kreatur. Sei es das junge Mädchen, das seiner tödlichen Krankheit erliegt, im Herzen voller Verbitterung, sei es der Soldat, der auf der Suche nach Größe seiner Machtgier erliegt und letztendlich, in Geda...
Das Knistern der Fackeln durchbrach die Stille. Nach und nach waren sie aufgeflammt und hatten den Raum, in den die lange Treppe geführt hatte, in dämmriges Licht getaucht. Nackte Steinziegelwände, nur durchbrochen von gelegentlichen, mit Fackelhaltern eingerahmten, schweren Holztüren. Je weiter die Gestalt in den Raum trat, desto mehr Licht fiel auf den schwarzen Obsidianthron, auf dem ein männlicher Schemen zu erahnen war. Das Gesicht der Person lag noch in den Schatten. Links und rechts der Armlehnen standen regungslos zwei junge Männer, nicht älter als zwanzig Winter. Der eine, links vom Thron, hatte helle weißblonde Haare, die ihm zottelig über die spitzen Ohren fielen. Seine klaren tiefen dunkelblauen Augen folgten dem Neuankömmling bei jedem Schritt. Der andere Mann auf der rechten Seite hatte fast rabenschwarzes Haar, jedoch mit einem leichten bläulichen Schimmer, das glatt und ordentlich seine ebenfalls spitzen Ohren umrahmte. Seine Augen waren von einem warmen Karamellton. Der Mann trat vor den Thron und blickte auf – tiefe Schwärze blickte den silbernen Augen Argyrions, des Engels der Zeit, entgegen. Der Engel erschauerte: „Vater..."
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1. Die zwei Männer liefen die fackelerleuchtete Steintreppe hinab. Warum, das wussten sie nicht. So liefen sie schon eine ganze Weile, ohne ein Wort gewechselt zu haben. Sie kannten sich ja auch nicht wirklich. Eine ganze Zeit waren sie schon so dahingegangen, als der eine der beiden das Wort erhob. „Seltsam, nicht wahr?" Der andere drehte den Kopf: „Hmm?" – „Naja, alles hier, finden Sie nicht?" Er zuckte mit den Schultern und ging weiter. Der andere Mann setzte erneut an: „Diese Treppe, haben Sie sich das nicht gefragt? Warum steigen wir sie herab?" – „Vermutlich, weil wir sehen möchten, was uns am Ende erwartet." – „Aber wieso sind wir denn überhaupt an diesem Ort?" – „Meinen Sie nicht, die Frage nach dem Wieso ist müßig, wenn wir doch beide wissen, dass wir überhaupt nichts wissen?" – „Aber Sie kennen ihren Namen!" – „Wie kommen Sie darauf?" – „Weil, mir meiner soeben eingefallen ist." – „Tatsächlich, ist das so?" Wieder herrschte einige Zeitlang Stille. Nur das Knistern der Fackeln und das Platschen der Wassertropfen begleiteten ihre Schritte. „Ich heiße Maereth!" Der Mann drehte wieder den Kopf und sah seinen grünäugigen lächelnden Begleiter nachdenklich an. „Ein interessanter Name. Er löst Zuneigung in mir aus. Wie seltsam, kenne ich Sie doch gar nicht." – „Es kam mir so in den Sinn, ich muss Maereth heißen, ja, das ist mein Name. Es hat sich richtig angefühlt. Weiß ich doch nichts, weiß ich, dass ich Merry bin." – „Siras." – „Huh?" – „Mein Name: Siras." – „Oh, natürlich, sehr erfreut! Ob wir uns duzen würden?" – „Wenn's denn beliebt, mich soll es nicht stören." – „Meinst du wir sind tot, Siras?" – „Wie kommen, – wie kommst du darauf?" – „Dieser Ort hier erscheint mir sehr surreal. Kann dies ein Ort auf der echten Welt sein?" – „Wieso fragen wir nicht den oder das, was am Ende dieser Treppe liegt?" Der Blonde kniff seine Augen zusammen und blickte die Stufen hinab nach unten, wo schemenhaft ein Türrahmen zu erkennen war. „Vortreffliche Idee. Ich würde sagen, meine Beine schmerzten bereits, allerdings..." – „... ist dem nicht so. Tatsächlich ist mir das auch schon aufgefallen, ja." Der Schwarzhaarige trat neben seinem Begleiter durch die Tür und fand sich in einem dunklen Raum wieder. Vorsichtig spähten seine goldenen Augen durch die Dunkelheit. Zischend gingen die Fackeln an. Siras zuckte zusammen. Die Umrisse eines Throns wurden sichtbar. Aus dem Augenwinkel sah er zu Maereth hinüber, der ihm zunickte. Gemeinsam traten die Männer langsam weiter vor, das Fackellicht folgte ihnen, bis sie am Fuße des Throns standen. Aus den Schatten im Hintergrund lösten sich zwei junge Männer, einer mit weißen, der andere mit schwarzen Haaren und flankierten stumm den Königssessel. Eine dunkle Gestalt erhob sich und kam die Stufen hinab ins Licht. Tiefschwarze Augen, wie Kohlen, blickten ihnen entgegen. Seine Haare waren so dunkel, dass man fast glaubte, sie würden das Licht absorbieren, seine finstere Kleidung schien mit den wabernden Schatten zu verschmelzen. Der einzige Kontrast dazu war die totenbleiche Haut, fast alabastern, die ihm eine unheimliche Erhabenheit verlieh. Dieser Mann war einschüchternd, ohne Zweifel, und mächtig. „Willkommen, Siras und Maereth." Seine Stimme war ein leises Flüstern, kaum hörbar, doch niemand war in der Lage wegzuhören. In dieser Stimme lagen ein unglaubliches Alter, eine unglaubliche Weisheit und eine unglaubliche Autorität. „Ich habe euch erwartet." Siras öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, doch kein Laut kam hervor. „Woher...? Wer...?" – „Sind wir tot?!" Merry blickte dem finsteren Mann in die Augen. Seine Mundwinkel zuckten, als er bedächtig nickte: „Sehr wohl. Wie kommt ihr darauf?" Maereth machte eine ausschweifende Armbewegung durch den Raum und legte den Kopf schief. Der Mann schmunzelte und nickte: „Eingängige Erklärung. Dieser Ort hier, ist der Ort, an dem sich alle Seelen einfinden, die verstorben sind. Dies ist der Übergang vom Dies- ins Jenseits. Die Pforte zum Reich der Toten. Hier werden sie gerichtet, die Guten, wie die Bösen. Willkommen im letzten Akt des menschlichen Lebens." Siras fasst sich an die Schläfen: „Mein Kopf... dieses Gefühl, was ist das?" Der Herr wandte seinen Blick zu ihm: „Dein Körper versucht sich zu erinnern. Etwas löst in dir ein Gefühl des Erkennens aus, aber du kannst nicht, denn du bist hier bei den Toten, jenseits des Vergessens. Die Toten haben keine Erinnerungen, sie sind einfach da. Die Richter der Unterwelt besitzen ihre Erinnerungen, sie betrachten sie und bewerten die Leben der Verstorbenen. Ob sie sie zurückerlangen hängt von ihnen ab." - „Also wirst du über uns entscheiden? Was mit uns geschieht?" Der Mann aus der Unterwelt schüttelte den Kopf: „Das werdet ihr selbst tun." – „Ich verstehe nicht..." – „Das Leben, das du gelebt hast, die Art, wie du es beendet hast, der Tod, den du gestorben bist, ist nicht der, den du hättest sterben können, den du hättest sterben sollen! Lass mich deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen..." Der Mann hob die Hand, einen Moment schien es, als wäre nichts passiert, dann taumelte Siras mit einem Aufschrei zurück: „I-ich... Merry..." Er sah auf zum Herrn: „Du... du bist..." Er schüttelte erschüttert den Kopf. Merry eilte an seine Seite: „Siras? Alles gut mit dir? Was ist los?" Der Mann hob beschwichtigend die Hand: „Alles gut, er ist bereits tot. Er erinnert sich nur." Ächzend erhob sich der goldäugige Mann, dem Merry auf die Beine half, wobei er die Augen nicht von ihrem Gegenüber ließ. „Nun denn", rief der dunkle Herr, „lasst es mich euch erklären!" Er breitete die Arme aus, als sich drei der Türen an den Seiten des Raumes öffneten und drei Personen hervortraten. Siras und Merry wandten sich um. „Oh. Ich verstehe."
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Der Engel der Zeit blickte in die schwarzen Augen des Vaters aller Engel. „Wie lange ist es her?" Sein Vater lächelte leicht: „Zu lange, ich bin mir sicher, eure Mutter vermisst euch. Ich hatte nicht erwartet, euch wiederzusehen. Doch nun ist es so. Im Tod begegnet man mir letztendlich." Argyrion nickte: „Meine Mutter, das Leben, mein Vater, der Tod. Nun bin ich tot. Nun bin ich hier. Was ist mit meinen Brüdern und Schwestern?" Der Tod wies hinter sich: „Sie warten bereits auf dich." Argyrion nickte bedächtig: „Kann ich denn schon gehen?" – „Gewiss, du hast dein Bestes getan." – „Siras wird bald kommen. Ich habe sie auf dem Weg getroffen." – „Ich weiß. Sie sind bereits auf dem Weg." – „Werde ich ihn wiedersehen?" – „Noch nicht. Es ist noch nicht an der Zeit für ihn zu gehen." Argyrion hob die Augenbraue: „Was hast du vor?" Der Tod nickte den beiden jungen Männern neben ihm zu: „Zephyr, Saphyr!" – „Sehr wohl", antworteten beide und traten vor. Als sie ihre Münder öffneten, sprachen sie auf eine seltsame Weise, indem sie ihre Sätze gegenseitig ergänzten und weiterführten: „Manche Menschen sterben zu Unrecht, andere hätten einen besseren Tod verdient. Wir, die Schicksalszwillinge erkennen diese Tatsachen, wir sehen die Möglichkeiten, wir sehen aber auch ihr definitives Schicksal. Manche Menschen haben dieses Schicksal, dem sie nicht entfliehen können, doch die Wege dorthin sind vielfältig. Bei anderen wiederum bestimmt der Zufall das Ende. Wir können sehen, wie ihr Leben hätte beendet werden können und wie es tatsächlich geendet hat. Manche solcher Menschen, deren Tod unrecht war, oder die im Leben Besseres hätten vollbringen können, behalten wir bei uns an diesem Ort, bis die Zeit für eine zweite Chance gekommen ist." Sie traten wieder zurück. Argyrion öffnete den Mund: „Heißt das, dass Siras leben kann?" Der Tod schüttelte den Kopf: „Oh nein, Siras Tod ist unumgänglich. Dieses Schicksal hat er sich selbst beschert durch seine Taten, doch wie er sterben wird, das hängt von ihm ab." – „Aber du gewährst ihm eine zweite Chance." – „Auch. Nicht nur ihm allein. Manche Menschen haben eine Chance verdient, ihre Fehler wieder gutzumachen." – „Danke. Ich weiß, dass Siras ein guter Mensch ist. Tief in ihm drin war er es immer!" – „Wir werden sehen. Es ist an der Zeit zu gehen, mein Sohn, sie kommen. Ich habe ihnen zwar nicht, wie dir, ihre Erinnerungen gelassen, aber dennoch sollten sie nicht mehr auf dich treffen, wenn sie hier ankommen." – „Sehr wohl." Der Engel der Zeit ging am schattenhaften Thron des Todes vorbei in die Dunkelheit. „Ach, eine Sache noch, mein Sohn." Er blieb stehen und drehte sich fragend um. „Du wirst ihn wiedersehen." Argyrion lächelte: „Danke, Tenebrae."
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