„Du weißt also auch nicht, warum wir hier sind?" Die junge Frau blickte Salazar Even neugierig an. Ein faszinierend vertrautes Gefühl breitete sich für kurze Zeit in seinem Bauch aus, dann schüttelte er den Kopf: „Mir wurde ebenso viel gesagt, wie auch dir. Ich weiß nur, dass wir hier warten, worauf jedoch..." Die Frau war kurz nach ihm angekommen, kaum einige Stunden waren es wohl gewesen, denn als er aus seinem Schlaf erwacht war oder besser wachgerüttelt worden war, hatte die Frau über ihm gestanden, mit diesen seltsam funkelnden Augen und sichtlicher Freude, dass sie nicht die einzige Person an diesem unheimlichen Ort war. Sicher, auch er hatte sich gefreut, aber nun ja... Auf jeden Fall hatten sie beschlossen, ihre Wartezeit gemeinsam zu verbringen und so saßen sie nun gemeinsam hier in seinem Zimmer und redeten. „Das alles ist so surreal, meinst du nicht?" Sie schüttelte leicht den Kopf: „Ich meine, wir sind tot, nicht wahr?" – „Ein wenig komisch fühlt es sich schon an, ja", antwortete er leise, „aber man muss sich wohl damit abfinden, nicht wahr?" Sie schmunzelte leise über seine Imitation ihrer offensichtlichen Frage, dann legte sie den Kopf leicht schief: „Weißt du es? Also, ich meine, kannst du dich erinnern? Daran wie du gestorben bist?" Er dachte kurz nach: „Ich... nein, nicht wirklich. Da ist nur... Verschwommenes. Ich war auf einem Schiff... ich bin verbrannt, da war ein Feuerball überall um mich herum..." – „Ob es ein Anschlag war?", murmelte sie leise, „Wenn ja, dann ist das schrecklich, ich könnte nie so etwas tun, sowas niederträchtiges..." Eine Weile sah er sie angestrengt an, dann zuckte er mit den Schultern: „Vielleicht war es ja auch einfach nur ein Unfall. Kannst du dich erinnern?" Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht: „Ich weiß nicht wieso, aber ich glaube es war ein schöner Tod. Ich wurde gehalten, glaube ich, auf dem Wasser. Seeluft, warmer Sonnenschein. Bruchstücke, wie bei dir, aber ich glaube wirklich, es war schön. Erinnerst du dich denn sonst an etwas aus deinem Leben?" Er überlegte: „Da sind Gesichter, Menschen, eine Frau. Vielleicht habe ich sie geliebt? Ein alter Mann, er lächelt und ein kleines Mädchen. Vielleicht meine Familie? Ein junger Mann mit grünen Augen. Vielleicht waren wir Freunde... Hmm, ansonsten eine Insel, ein Dorf. Ich glaube ich habe meine Heimat sehr gemocht. Bestimmt hätte ich mein Leben dafür gegeben, sie zu beschützen." Die Frau lächelte wieder: „Das klingt wirklich sehr schön. Immerhin hattest du ein schönes Leben. Ich glaube nämlich fast meines war das nicht. Ich glaube ich war krank. Ich meine siehst du meine Augen? Und dazu noch mein kränkliches Äußeres... aber ich glaube, ich war adelig. Ich habe eine Villa gesehen und meine Eltern, viel Schnee, ein Land im Norden. Einen Mann in einem roten Mantel, er bringt mich zum Lachen. Und ein frecher kleiner Junge. Er nervt mich, aber ich mag ihn trotzdem. Und dann... eine Insel, ein See, ein wunderschönes Feuerwerk und ein zerstörtes Dorf. All das macht mich gleichzeitig unendlich traurig und glücklich zugleich. Es ist verwirrend und macht keinen Sinn." Sie stockte und sah etwas verloren zu ihrem Gesprächspartner hoch. Er nickte leicht. „Ich verstehe, was du meinst. Ich spüre es auch." Langsam streckte er seine Hand aus: „Salazar Even, Kapitän." Kurz blickte sie hinab auf die dargebotene Hand, dann ergriff sie sie fest: „Countess Valeé..., Valeé van Veißten."
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Die Schicksalsinsel
FantasyManchmal ist das Schicksal eine widerwärtige Kreatur. Sei es das junge Mädchen, das seiner tödlichen Krankheit erliegt, im Herzen voller Verbitterung, sei es der Soldat, der auf der Suche nach Größe seiner Machtgier erliegt und letztendlich, in Geda...