Kapitel 9 - Parallele Pfade

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„Wer zum Teufel bin ich?"

1. Unbeschreibliche Empfindungen strömten auf mich ein. Zitternd lag ich am Boden und sah Bilder, die auf meine Augen einhämmerten. Ich keuchte und presste die Hände an die Schläfen. Der Stein glühte. Verschwommene Bilder, goldene Augen, grüne Augen, silberne Augen, Farben, Namen, Formen. Verschleiert zogen sie an mir vorbei, ohne dass ich sie begreifen konnte. Ich wälzte mich über den Boden und wimmerte. Wie eine drückende Last pochte es in meinem Kopf. Drei schemenhafte Gestalten umgaben mich, lachten, sangen, dann schattenhafte Wellen, die alles verschlangen. Der Druck verschwand urplötzlich. Ich taumelte zurück. Schwitzend und schwer atmend sank ich rücklings auf den Waldboden. Ich wusste nicht wie lange ich so dalag, aber irgendwann erhellte ein sanftes warmes Licht die Dunkelheit der Nacht. Der Stein in meiner Tasche spendete mir tröstende Wärme. Langsam setzte ich mich auf und zog den Kompass aus meiner Tasche, instinktiv. Ich wusste einfach, dass es jetzt das Richtige war, denn der Stein spendete mir Zuversicht. Die Nadel zeigte klar in eine Richtung und in diese Richtung würde mich mein Weg jetzt führen.

Ich riss die Augen auf. Ich lag verschwitzt und zitternd auf dem kalten Steinboden der Vorhöhle. Zwei meiner Freunde sahen besorgt auf mich hinab. Stöhnend setzte ich mich auf und lächelte Dars zuversichtlich an, der sich soeben aus den Schatten des Stollens gelöst hatte. Er lächelte nicht. Dafür hielt er eine kleine runde Steinkugel hoch: „Macht euch fertig. Ich weiß, wie wir hier wegkommen."

Vorsichtig, mit der Kugel als Lichtquelle in der Hand, tapste ich durch den nächtlichen Wald, der sich langsam immer weiter lichtete. Ein überwachsener Pfad führte mich durch eine alte Dorfruine. Die Häuser waren verfallen und ich meinte, die Schreie getöteter Dorfbewohner zu vernehmen, die durch die Zeit zu mir vordrangen. Mein Weg hatte mich direkt vor einen alten, überwucherten Hügel geführt, in dessen Spitze eine einzelne rissige Steinstele gerammt worden war. Es war nicht mehr erkenntlich, aber ich wusste es einfach. Ich stand auf einem alten Massengrab. Schaudernd ließ ich den Grabhügel hinter mir. Ich musste weiter und dies hier war kein Ort zu verweilen. Die Kompassnadel trieb mich an, weiter den verfallenen Steinpfad entlang, der nun wieder aus dem Dorf herausführte und den Wanderer offenbar zum Meer hinabführte. In der Ferne konnte ich schemenhafte Umrisse erkennen.

Wir folgten meinem Kompass durch die Wildnis. Der nächtliche Wald bot einen unheimlichen Anblick. So war ich beinahe froh, als sich das Dickicht schließlich lichtete und den Blick auf ein verfallenes Geisterdorf freigab. Dieses Gefühl machte jedoch sehr schnell einem Unbehagen Platz, das an meinem Herzen nagte. „Lasst uns schnell weitergehen, hier ist etwas Schreckliches passiert." – „Dieser Ort ist ein Massengrab", flüsterte Dars erstickt. Wir blickten ihn fragend an, doch er schüttelte nur den Kopf. „Verschwinden wir von hier."

Ich hob den Kopf und blickte den Leuchtturm hoch. Einen Augenblick verweilte ich starr in dieser Position, dann trieb mich mein Kompass weiter durch die verrottete Tür, durch eine verfallene Küche und ebenso verfallene Treppen hoch in ein Wohnzimmer voller Staub und Schimmel. Zügig ließ ich es hinter mir und nahm die brüchigen Stufen der Turmtreppe wie im Lauf. Ich war an der Spitze angekommen. Hier war ich richtig. Der Kompass zeigte auf das alte Leuchtfeuer. Ich brauchte es nicht zu entzünden, ich hatte eine viel stärkere Lichtquelle. Der Stein strahlte hell auf, als er an seinen Platz gelegt wurde.

„Das ist der Ort", wisperte Darius und blickte mit zusammengekniffenen Augen den Turm hoch, „hast du den Stein noch?" Ich nickte, dann folgten wir ihm durch die Ruine. Der Stein begann hell zu strahlen, als er den Sockel an der Turmspitze berührte. Dars bedeckte die Augen mit den Händen, als würde ihn das Licht schmerzen: „Fein. Und jetzt warten wir." Er drehte sich um.

Die SchicksalsinselWo Geschichten leben. Entdecke jetzt