Verkleidungstaktik

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St.Petersburg, today

„W-Was?" Wie erstarrt sah ich ihn an.

„Komm, wir müssen uns beeilen!" Er nahm meine Hand und zog mich hoch, von der Fensterbank weg. Gerade als wir die Eingangshalle passierten kam ich wieder zur Besinnung.

„Stop, warte! Meine Sachen sind noch da oben!" Trotzdem hörte er nicht auf mich.

„Dafür haben wir keine Zeit mehr, Lou. Ich kauf dir neue Sachen aber bitte komm jetzt!" Ich riss mich von Alex los.

„Ich brauche nur eine einzige Sache, warte draußen auf mich, ich bin in einer Sekunde wieder da." Ich erklomm die Treppe und rannte den Weg zu meinem Zimmer hinauf. Obwohl er mir hinterherrief, öffnete ich die Zimmertür und lief zum Kleiderschrank. Hektisch durchwühlte ich meine Sachen und bekam fast einen Herzinfarkt, als ich es zuerst nicht finden konnte. Dann erwischten meine Finger einen Zettel und ich atmete erleichtert auf.

Auf dem Rückweg schnappte ich mir noch das Buch von Olivier Samuels vom Nachttisch und verließ das Zimmer. Ich konnte es nicht leugnen, es fühlte sich so an, als ob ich mein Zuhause verlieren würde. Schon wieder.

Ich schlüpfte durch die Eingangstür, Alex saß schon im Auto, diesmal kein Cabrio sondern ein alter Bentley. Wenigstens stieg ich diesmal nicht auf der falschen Seite ein. Sobald ich mich angeschnallt hatte, preschten wir durch das bereits geöffnete Tor los. Auf seine Frage, was ich geholt hatte, hielt ich nur das Buch hoch. Den Zettel hatte ich zwischen dem Buchdeckel eingeklemmt.

„Woher weißt du eigentlich, dass die Polizei mich gefunden hat und hinter uns her ist?", fragte ich misstrauisch.

„Hier in Russland läuft das mit der Polizei ein bisschen anders als bei euch. Jemand, der mir noch etwas schuldet, hat mir einen Tipp gegeben." Oh. Das erklärte einiges.

„Warte, was ist mit Kristin und Jessy?!", fiel mir in diesem Augenblick ein. „Haben wir sie etwa alleine zurückgelassen?" Bei dem Gedanken wurde mir gar nicht gut.

„Keine Angst, ihnen wird nichts geschehen. Sie wissen mehr als gut, wie sie sich selbst zu verteidigen haben, aber ich denke nicht, dass es überhaupt dazu kommen wird", antwortete er gelassen. Ein Stein fiel mir vom Herzen, jedoch blieb ein kleines mulmiges Gefühl zurück.

Gerade, als wir um eine Ecke bogen, sah ich am Ende der Straße Polizeiautos auf uns zukommen. Alex handelte blitzschnell und holte eine Sonnenbrille und eine Cap aus dem Handschuhfach.

„Hier, beeil dich!" Ich bezweifelte zwar stark, dass diese Verkleidung ausreichen würde, tat jedoch wie gesagt. Dann rauschten die Polizeiautos auch schon an uns vorbei. Ich atmete erleichtert aus.

„Wohin fahren wir überhaupt?", erkundigte ich mich bei ihm.

„Salzburg. Ich habe da eine Wohnung, in der wir ein paar Tage untertauchen können." Wow, das würde ja eine Reise durch halb Europa werden. Dann könnte ich ein paar Länder mehr von meiner Bucket-Liste streichen.

~~~

Am ersten Tag schafften wir es nicht einmal über die russische Grenze.

„Und was jetzt?", fragte ich müde, als wir nach Einbruch der Dunkelheit an einem Hotel anhielten, das direkt neben der Autobahn lag.

„Na, jetzt buche ich uns da zwei Zimmer.", antwortete Alex.

„Können die das nicht über deine Kreditkarte zurückverfolgen?"

„Bisher haben sie ja nur den Verdacht, dass du bei mir bist. Sobald wir aus Russland raus sind, wird die Gefahr immer kleiner, dann ist das ja nicht mehr deren Sache."

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