Australia, Outback, today
„Ich würde das nicht als Mord bezeichnen, Louise", entgegnete mir Viola mit gelassener Miene. „Ich würde sogar in Frage stellen, ihn überhaupt als Menschen zu bezeichnen. Wer so viele Menschen töten lässt, hat nichts anderes als selbst den Tod verdient, findest du nicht auch?"
„Aber... aber... doch nicht durch mich! Ich kann doch niemanden umbringen!" In meinem Kopf wurde alles durcheinandergewirbelt, Dinge die ich vorher als selbstverständlich hingenommen hatte wurden auf einmal in Frage gestellt und das gefiel mir ganz und gar nicht.
„Aber du bist die Einzige, die diesen Wahnsinn stoppen kann, verstehst du das nicht?" Nein, ich verstand gerade überhaupt nichts mehr.
„Viola, ich..." Sie unterbrach mich, bevor ich weiterreden konnte.
„Du musst dich nicht gleich entscheiden, okay? Sag mir in einer Stunde Bescheid." Damit wendete sie sich wieder dem Computer zu und klickte weiter auf ihrer Maus herum, als wäre nichts gewesen. Als hätte sie mir nicht gerade vorgeschlagen, jemanden umzubringen.
Mit wackeligen Beinen drehte ich mich um und rannte so schnell es ging aus dem Keller durch das Wohnzimmer in den Garten und setzte mich in den Schatten eines Baumes. Ich konnte es nicht ertragen, in diesem Moment vier Wände um mich herum zu sehen.
Ich sollte diesen Mann... umbringen? Sein Herz stoppen? Mir war bis eben gar nicht klar gewesen, dass so etwas möglich war, aber eigentlich war es klar. Telekinese konnte alles, was mit Bewegung zu tun hatte, manipulieren. Sogar ein schlagendes Herz. Eigentlich war es nichts anderes gewesen, als ich die Hand des Jungen festgehalten hatte, die mir auf dem Heimweg aufgelauert hatten. Aber das hier war so viel grausamer.
Konnte ich das tun? Immerhin hatte Viola recht, hier ging es um einen Mörder, der nicht aufhören würde bis ihn jemand dazu brachte. Aber ich wäre dann auch eine Mörderin. Verdammt! Wieso konnte ich nicht einfach einen Meteoriten stoppen, einen Riesentsunami aufhalten oder den Superschurken hinter Gitter bringen? Wieso musste sich das Universum ausgerechnet diese Aufgabe für mich aussuchen, um die Welt zu retten?
Wie ich es auch drehte und wendete, ich konnte diese Aufgabe nicht alleine beantworten. Alex. Ich brauchte Alex. Vermutlich würde ich ihn über sein Handy erreichen, das ich schon öfter bei ihm gesehen hatte... doch ich hatte seine Nummer nicht.
Wie klang das eigentlich? Ich hatte einen Freund, aber seine Nummer nicht? Aber ich hatte ja selbst kein Handy mehr und Alex war davon ausgegangen, dass ich im Notfall Viola danach fragen würde... Aber das würde ich auf keinen Fall machen, ich konnte mich nicht dazu überwinden, sie danach zu fragen.
Jemanden zu töten... das war eines der zehn Gebote. Mörder wurden in früheren Zeiten selbst mit dem Tod bestraft, aber der, der den Mörder tötete wurde damit ja auch zum Mörder... Eine nicht endende Kette. Frustriert schlug ich meine Hand mit voller Kraft gegen den Baumstamm. Ich spürte den Schmerz nicht, zu sehr waren meine Gedanken bei Viola.
Nein, ich konnte das nicht. Nicht, dass ich mir die Aufgabe nicht zutraute, nachdem, was ich Viola hatte tun sehen war ich mir sicher, dass ich so ein dummes kleines Herz mit Leichtigkeit dazu bringen würde, aufhören zu schlagen. Aber mein Gewissen würde das nicht verkraften. Und wie sollte ich Sandra jemals wieder ins Gesicht sehen, wenn ich einen Menschen, ein Magierleben auf dem Gewissen hatte?
Ich brauchte keine Stunde, um das mit mir auszudiskutieren und ich war mir sicher, dass Alex dasselbe sagen würde. Jeder normale Mensch, meinetwegen auch Magier, würde das sagen. War dies die Seite an Viola, von der mir Alex erzählt hatte?
Ich rappelte mich auf und betrat mit Überwindung wieder das Haus. Viola saß noch immer Am Schreibtisch und sah kaum auf, als ich hereinkam.
„Das ging aber schnell."
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Something like magic
FantasyLouise Cartier ist siebzehn, adoptiert und lebt in London. Oh, und sie kann Telekinese. Eine Fähigkeit, mit der sie Gegenstände mit nur einer Bewegung ihrer Hände durch die Luft wirbeln kann. Sehr nützlich, wenn man auf der Couch liegt und die Chi...