Antwortensuppe

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St.Petersburg, today

Gegen acht Uhr abends Ortszeit hörte ich ein leises Klopfen an meiner Tür, das mich aus meinem Dämmerschlaf riss.

„Miss Rust, das Essen ist fertig." Ich setzte mich auf und schleppte mich mühsam ins Bad. Meine Haare waren vollkommen durcheinander, mein Make-Up hatte auch schon mal besser ausgesehen.

Aber ich konnte mir nichts vorwerfen, schließlich hatte ich die letzten Tage auf der Flucht verbracht. Als ich die Schublade unter dem Waschbecken aufzog, war ich doch überrascht, als ich Beauty-Artikel entdeckte. Dieses Haus hatte wirklich alles. Fünf Minuten später ging ich den gleichen Weg, auf dem Kristin und ich in mein Zimmer gegangen waren, wieder zurück und stand etwas verwirrt in der Eingangshalle. Wohin jetzt?

Schließlich folgte ich dem Geruch nach köstlichem Essen in einen Korridor, der mich letztendlich in die Küche führte. Dort standen Kristin und noch eine andere Frau mit Tellern in der Hand, die sie gerade eifrig beluden.

„Miss Rust!." Kristin erschrak, als ich so plötzlich neben ihr auftauchte.

„Hier ist nur die Küche, ich begleite Sie zum Speisesaal." Ach, einen Speisesaal gab es also auch noch? Vielleicht traf ich ja dort den echten Mister Samuels...

Sie führte mich in die komplett entgegengesetzte Richtung als die, aus der ich gekommen war. Mein Orientierungssinn war mal wieder auf Hochtouren, sich das hier alles zu merken.

„Hier." Sie stieß eine Tür auf, die mich in einen, na ja, Saal konnte man nicht sagen, aber dennoch großen Raum brachte. In der Mitte stand ein langer Tisch, an dessen einem Ende sie mir den Stuhl anbot.

„Mister Samuels kommt sicher gleich." Moment, meinte sie jetzt Olivier Samuels oder Alexander? Damit konnte man wirklich durcheinanderkommen...

Kurz nachdem Kristin verschwunden war, wurde die Tür erneut aufgestoßen und Alex betrat den Raum. Als er mich sah, lächelte er und nahm am anderen Ende des Tisches Platz. War das jetzt eine indirekte Beleidigung oder setzte man sich einfach immer so an gegenübergesetzte Enden mit drei Metern Platz dazwischen? Ich merkte schon, für das Leben im Adel wäre ich wohl eher nicht geschaffen...

„Wie gefällt dir dein Zimmer, Elicia?",begann er das Gespräch.

„Äh also... es ist sehr schön. Für ein Zimmer. Worauf ich aber eigentlich hinauswill... kann ich jetzt endlich mit deinem Großvater sprechen? Es ist wirklich sehr wichtig!" Er lachte kurz auf.

„Ich verstehe dich ja, aber das Interview, dass du mit ihm planst, werden wir leider verschieben müssen. Mein Großvater ist seit über zehn Jahren tot." Ich keuchte überrascht auf. Hatte er das gerade wirklich gesagt?

„WAS?" Das konnte doch nicht sein... Mit wem hatte ich dann am Telefon gesprochen? In diesem Moment wurde das Essen serviert und ich hatte Zeit, kurz über seine Antwort nachzudenken. Was wurde hier eigentlich für ein Spiel mit mir gespielt? Wenn Olivier Samuels tot war, warum... Als Kristin und ihre Helferin den Raum wieder verlassen hatten, sprach ich die Frage, die mir auf der Zunge lag, laut aus.

„Warum zur Hölle lädst du mich hierher ein, wenn dein Großvater tot ist? Ich bin an seinen Werken interessiert, war das dann alles umsonst?!" Er beobachtete mich genau und richtete den Blick dann auf seinen Teller.

„Suppe. Was für eine Freude. Wusstest du, das..."

„WARUM BIN ICH HIER?!" Ich schrie ihm die Frage über den Tisch zu. Er zuckte leicht zusammen, doch ich achtete kaum darauf. Dieser Alex trieb mich wirklich in den Wahnsinn!

Er hob seinen Blick langsam und das Lächeln war plötzlich von seinem Gesicht verschwunden.

„Ich verspreche dir, alles nach dem Essen zu erklären, Elicia. Aber ich muss dich darauf hinweisen, dass ich auch gern mehr über dein falsches Spiel erfahren würde." Ich schluckte. Mein falsches Spiel? Er wusste doch nicht...

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