Russland, today
Ich war schon fast eingeschlafen, als wir endlich an der Spitze der endlos langen Schlange zur Zollstation kamen. Ein uniformierter, grimmig aussehender Mann beugte sich durch das Fenster zu Alex hinein. Er sagte irgendetwas auf Russisch, worauf ihm Alex mit einem Pokerface unsere Ausweise hinhielt. Der Zollbeamte nahm sie, ging damit zu einem bizarr aussehenden Gerät und zog sie durch einen Scanner. Dann kam er wieder zu uns und gab Alex die Ausweise zurück.
„счастли́вого пути́!" Alex ließ den Motor an und wir fuhren durch die für uns geöffnete Schranke.
„Was hat er gesagt?"
„Er hat uns eine gute Reise gewünscht. Willkommen in Estland!" Ich sah mich um. Es sah nicht anders aus als in Russland. Was für eine Überraschung.
„Darf ich dich noch was fragen, Alex?"
„Du weißt wie das Spiel geht, Lou. Du kannst mich alles fragen, aber jede Frage hat ihren Preis."
„Okay, also... wieso genau kümmerst du dich um mich? Es kann dir doch egal sein, ob die Polizei mich schnappt oder nicht." Er sah mich nur kopfschüttelnd an.
„Du verstehst es nicht, Lou, oder? Ich werde es dir erzählen, bald. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt."
„Alex, seit ich angekommen bin sagst du das, immer wieder. Lou, ich kann es dir nicht sagen. Das regt mich auf!" Ich war lauter geworden ohne das ich es gemerkt hatte, doch Alex sah weiterhin nur stur auf die Straße. „Ich habe langsam keinen Bock mehr darauf, Alex, verstehst du das nicht? Wie soll ich dir vertrauen, wenn du mir nichts sagst? Du könntest mich genau so gut nach Indien verschleppen und da verheiraten, ich hätte keine Ahnung!" Er schwieg. Ich kniff die Augen zusammen und sah beleidigt aus dem Fenster.
Wenn er so weitermachte, würde ich wirklich bald abhauen.
Aber er ist der Einzige, der dich verstecken kann. Und du musst außerdem herausfinden, was er weiß!
Egal, wenn es so weiterging, würde ich sowieso nichts herausfinden.
Ich sah aus dem Fenster, während wir durch die estländische Landschaft fuhren. Ich hätte gerne gewusst, ob wir die Grenze zu Lettland noch heute überqueren würden, traute mich aber nicht zu fragen, da ich nicht die Erste sein wollte, die diese Stille unterbrach. Sollte er ruhig merken, dass ich beleidigt war.
Irgendwann merkte ich dann aber doch, dass ich bald nicht mehr sitzen konnte. Und aufs Klo musste ich auch. Mit zusammengebissenen Zähnen giftete ich ihn an.
„Können wir mal anhalten?!" Keine Antwort. Leck mich doch, du Arsch! An der nächsten Ausfahrt bogen wir dann überaschenderweise doch ab und erreichten kurze Zeit später eine Tankstelle.
Als ich wieder zurück zum Auto ging, merkte ich, dass es schon wieder dunkel wurde. Wie hatte ich nur einen ganzen Tag im Auto aushalten können? Mein Magen knurrte und ich beschloss, da ich die Stille sowieso zerstört hatte, gleich nach Geld fragen konnte um mir was an der Tankstelle zu kaufen. Das Knabberzeug, das er heute früh gekauft hatte würde ich aus Protest nicht anrühren.
Als ich jedoch wieder von der Toilette zurück zum Auto ankam, das Alex ziemlich am Rande geparkt hatte, saß er nicht mehr im Auto. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Da war ich mal eine Sekunde nicht da und schon machte der sich aus dem Staub! Wütend stapfte wieder zur Tankstelle zurück und betrat den kleinen Laden. Jetzt würde ich ihm aber mal so richtig meine Meinung sagen!
Der Typ an der Kassen, ein junger Typ mit Bart und Piercing in der Nase, sah nur kurz auf und widmete sich dann wieder seinem Buch. Ich ließ meinen Blick durch den Laden schleifen, konnte Alex jedoch nicht entdecken. Ich sah hinter allen Regalreihen nach, doch er war und blieb verschwunden.
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Something like magic
FantasyLouise Cartier ist siebzehn, adoptiert und lebt in London. Oh, und sie kann Telekinese. Eine Fähigkeit, mit der sie Gegenstände mit nur einer Bewegung ihrer Hände durch die Luft wirbeln kann. Sehr nützlich, wenn man auf der Couch liegt und die Chi...