Von großen Ängsten

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Rick PoV:
Nach etwa zehn Minuten kam Rick wieder, allerdings angezogen. Er trug Stevens einziges grünes T-Shirt und eine uralte, ausgeleierte Jogginghose. Steven sah ihn mit hochgezogenen Brauen an und fast erwartete Rick, dass er fragte, warum er sich angezogen hatte. Doch Steven sagte nichts. Dankbar lächelte Rick und setzte sich wieder.
"So, was liegt heute an?", fragte Steven fröhlich. Rick zuckte die Schultern. "Ich sollte mich wohl mal wieder in meiner Wohnung sehen lassen und außerdem wollte ich noch ein 'Ricks Rage' aufnehmen", erklärte er und nahm einen Schluck Kaffee. "Bah, der is' ja kalt!", rief er und spuckte den Kaffee zurück. Steven fing an zu lachen. "Jaja, lach' du nur!", erklärte er, musste aber selbst grinsen. "Und was hast du vor?", fragte er jetzt ängstlich. Er hoffte, dass Steven auch Pläne hatte, sonst wirkte es so, als wolle er keine Zeit mit ihm verbringen. Doch Steven antwortete achselzuckend: "Keine Ahnung. Ich werd' wohl auch mal wieder 'n bisschen was zocken. Vielleicht hab' ich ja noch was im Steam-Summer Sale gekauft, was ich schon wieder vergessen hab'!" Dabei grinste er gegen Ricks schlechtes Gewissen an. "Wirklich?", fragte Rick. "Ja, alles gut. Geh' du ruhig nach oben. Marti und Dominik vermissen dich bestimmt schon", erklärte er grinsend.

Nach dem Frühstück drückte Rick Steven noch einen Kuss auf und verschwand dann nach oben. Dort stellte er fest, dass er ja seinen Schlüssel vergessen hatte. Also musste er wohl oder übel klingeln. Er hoffte nur, dass schon jemand wach war. Doch die Tür wurde überraschend schnell geöffnet. "Wir kaufen nichts!", meinte Marti und wollte die Tür schon wieder schließen. Doch Rick war schneller und hatte seinen Fuß zwischen Tür und Rahmen geschoben. "Spast!", rief er und schob sich an Marti vorbei. "Lässt du dich auch mal wieder blicken, ja?", fragte der grinsend. "Habt ihr mich etwa vermisst?", fragte Rick und setzt sich in die Küche. Dominik kam aus seinem Zimmer dazu. "Quatsch, wir hatten nur überlegt, ob wir dein Zimmer schon mal weitervermieten sollen", erklärte er. Marti nickte eifrig. "Hey, Steve und ich können auch hier oben abhängen, wenn euch das lieber ist!", erwiderte Rick. Marti und Dominik schüttelten den Kopf. "Nee, von euren Bettgeschichten wollen wir nix hören, danke!", erklärte Marti. Das saß. Rick sprang auf, so dass er fast seinen Stuhl umwarf und stürmte in sein Zimmer. "Alter, was is' los? Das war ein Spaß!", rief Marti ihm noch hinterher. Doch Rick wollte nichts mehr hören. In seinem Zimmer schloss er die Tür ab und war sich auf die Couch. Bettgeschichten, pah! Es gab doch gar keine! Obwohl Rick immer stärker das Gefühl bekam, Steven würde vielleicht gerne... Nein. Dazu war er noch nicht bereit. Er liebte seinen Freund, gar keine Frage. Aber dieser Aspekt war für ihn eben noch absolutes Neuland. Er hatte schon das ein oder andere Mal was mit Mädchen gehabt, klar. Aber Steven war ein Mann. Das war etwas anderes. Rick sprang auf und lief unruhig im Zimmer umher. Er wollte Steven aber auch nicht mit seiner Abstinenz vergraulen. Ganz im Gegenteil! Er wollte Steven, aber eben noch nicht jetzt.

Plötzlich vibrierte sein Handy. Eine Nachricht von Steve. 'Alles klar bei dir?' Er pfefferte das Handy auf die Couch. Warum war er jetzt so wütend? Marti konnte doch nicht wissen, was ein so blöder Scherz bei ihm hervorrief. Der Scherz war aber auch saublöde gewesen! Er setzte sich an den Schreibtisch und stützte den Kopf auf die Hände. Was sollte er tun? Mit Steven reden? Schied aus. Marti? Auch. Der würde sowieso nicht verstehen, was das sollte. Flo? Der würde es sicher Ina erzählen und dann wüssten in drei Stunden alle davon.
So in Gedanken vertieft hörte Rick das erste Klopfen an seiner Tür nicht. Das zweite hingegen schon, denn es war wesentlich lauter. "Fabian Rieck, mach gefälligst die Tür auf, sonst trete ich sie ein!" STEVEN?! Rick dachte fieberhaft nach. Er konnte wohl kaum so tun, als wäre er nicht da. Marti, dieser Idiot, hatte ihm bestimmt Bescheid gesagt. "Rick, ich zähle bis drei. Wenn du mich bis dahin nicht reingelassen ahst, breche ich die Tür auf!" Rick atmete tief durch. "Ich komm' ja schon!", rief er, um schlimmeres zu verhindern. Dann ging er zur Tür, schloss auf und ging zurück zur Couch. Sofort wurde die Tür schwungvoll aufgestoßen und dahinter standen seine Mitbewohner und Steven. Steven trat ein und machte den anderen die Tür vor der Nase zu. "Ich mach' das schon", murmelte er. Mit drei großen Schritten war er bei Rick, setzte sich neben ihn und nahm seine Hände. "Was ist los?"

Steve PoV:
Rick sah elend aus. Er war schweißgebadet und hatte einen hochroten Kopf. Das Handy lag neben Steven auf der Couch. Vermutlich hatte er es einfach dahin gepfeffert, als Steven ihm geschrieben hatte. Insgeheim war er Marti dankbar. Er hatte gemerkt, dass irgendwas nicht stimmte. Doch wie hätte er seinen Freund darauf ansprechen sollen? Jetzt hatte er einen Grund, eine Entschuldigung. Als Rick ihm nicht antwortete, löste er eine Hand und strich ihm die Locken aus dem Gesicht.
"Fangen wir doch mal am Anfang an", sagte er behutsam. "Warum bist du vorhin beim Frühstück aufgesprungen, wie von der Tarantel gestochen? Kein Mensch braucht zehn Minuten, um auf's Klo zu gehen." Rick zuckte die Achseln. "Okay. Zweitens: Ich weiß ja, dass grün deine Lieblingsfarbe ist, aber warum hast du zu dem T-Shirt auch noch meine älteste Jogger angezogen?" Wieder keine Antwort. Steven seufzte. Das würde ein Ratespiel werden. "Und zu guter Letzt: Was hat Marti gesagt, dass dich so dermaßen aus der Fassung gebracht hat?" Rick schluckte schwer. "Frag ihn doch selbst", murmelte er. "Soll ich das wirklich?" Wieder zuckte Rick nur die Schultern. Also sprang Steven auf, rauschte aus dem Zimmer und direkt in Martis rein.
"Was hast du gesagt?!", fuhr er Marti an. "Was? Gar nichts!" Steven kam ihm immer näher. "Lüg' mich nicht an!", rief er erbost. "Okay, okay, reg dich ab", meinte Marti beschwichtigend und erzählte dann. Mit jedem Wort wurde Steven fassungsloser. "Marti, du Vollidiot", sagte er leise, nachdem der andere fertig war und verließ langsam das Zimmer. "Ey, das war doch nur ein Scherz!", rief Marti hinter ihm her, doch er ignorierte es. Zurück bei Rick schloss er sorgfältig die Tür. Dann ging er zu seinem Freund, der unverändert auf der Couch saß und setzte sich wieder neben ihn. Rick wandte das Gesicht ab. Steven seufzte. "Rick, warum hat dich dieser Spruch so aus der Fassung gebracht?", flüsterte er. "Ich mein', ja, er war komplett bescheuert. Aber das war ein Spruch. Von Marti! Du kennst Marti und seinen Humor. Der is' manchmal einfach etwas daneben!"
Plötzlich sah Rick ihn an. "Weil, weil, ach scheiße. Das hängt doch alles zusammen!", erklärte er kryptisch und sah dann wieder weg. "Hä?", machte Steven, dann dachte er nach. Und plötzlich fügte sich alles zusammen. Er konnte nicht anders, er musste lachen. "Ach Rick, scheiße, jetzt versteh' ich das!", brachte er unter Tränen hervor. Dann nahm er seinen Freund in den Arm. "Das war dir heute Morgen zu heftig!", stellte Steven fest und gab Rick einen Kuss auf die Wange. "Das macht doch nichts!"

Rick PoV:
Rick schüttelte heftig den Kopf. "Nein, falsch. Ganz falsch", erklärte er und löste sich aus der Umarmung. Steven sah ihn fragend an. "Falsch?" - "Ganz genau." Rick seufzte. "Ich erklär's dir. Heute Morgen, das war schön. Aber, naja, mir ist quasi dasselbe passiert wie dir neulich. Also brauchte ich Abstand. Weil ich Angst vor meiner eigenen Reaktion hatte und davor, was du denken könntest. Und dann dachte ich, wenn du nicht siehst, was los ist, ist das besser. Und Martis Kommentar hat mich dann einfach auf dem falschen Fuß erwischt." Rick sah Steven an. "Ich liebe dich wirklich", flüsterte er. "Aber ich brauche einfach mehr Zeit." Steven strich Rick über den Arm. "Weiß ich doch. Ich wollte dich doch auch gar nicht verführen. Sorry, wenn das so rüber kam. Ich wollte dir nur zeigen, was du mit mir machst. Das war doch nicht das erste Mal, dass ich dich angefasst habe!" Rick nickte. "Ja, aber das erste Mal, dass es so... ich weiß nicht, fordernd gewirkt hat. Ich hatte Angst, dass du mehr willst. Und wie du reagieren würdest, weil ich eben noch nicht mehr kann. Und will. Also ich will schon, irgendwann, aber eben noch nicht jetzt."
Steven sah ihn an. "Rick, ich liebe dich. Mach dir um sowas keine Sorgen. Ich werde niemals etwas tun, was du nicht willst oder was dir zu schnell geht. Ich fänd's allerdings ganz geil, wenn du mit mir reden würdest!" Rick nickte. Steven hatte ja Recht. Aber manchmal fiel ihm das Reden eben so schwer. "Na also, geht doch", sagte Steven und setzte sich dann bequemer hin. Er zog Rick zu sich, sodass er halb auf Stevens Oberkörper lag. "Und jetzt küss' mich", sagte er. Rick grinste und stemmte sich zu Stevens Lippen hoch. Endlich hatte er verstanden, dass er mit seinem Freund über alles reden konnte, egal wie peinlich es ihm war.

2 Boys 1 Love - zwei Frösche in der RealitätWo Geschichten leben. Entdecke jetzt