Wohnst du noch oder lebst du schon?

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Steve PoV:
Knapp zwei Stunden später standen sie vor dem Haus, in dem Dennis bisher gewohnt hatte. Obwohl Dennis sich gewehrt hatte, hatten die Freunde darauf bestanden, mitzukommen und ihm beim packen zu helfen. Unterwegs hatten sie noch Felix kontaktiert, damit er mit dem Fewjar-Mobil vorbeikam, um die ersten Sachen abzuholen.
Als sie in's Haus gingen, war Steven regelrecht geschockt. Er und Rick hatten ja früher schon im 'Ghetto' gewohnt, doch Dennis' aktuelle Situation wirkte noch weitaus schlimmer. Es war ein 15-stöckiger Plattenbau inmitten anderer Plattenbauten. Die Glasscheibe der Tür war eingeschlagen und überall prangten Graffitis. Im Hausflur lag ein offensichtlich betrunkener Typ und schnarchte. Schnell führte Dennis sie zum Fahrstuhl. Defekt, natürlich.

"Sorry. Es ist aber nicht weit, ich wohne im dritten Stock", erklärte Dennis und wandte sich zur Treppe. "Wohntest. Ab heute wohnst du bei uns", erwiderte Marti kopfschüttelnd. "Obwohl das immer noch der dritte Stock ist", fügte Dominik grinsend hinzu.

Im dritten Stock angekommen, öffnete Dennis eine Tür und ließ sie voran in die Wohnung eintreten. "Oh, und wir sollten Felix Bescheid sagen. Klingel und Summer sind kaputt", merkte er noch an. Steven nickte und schickte ihm eine Nachricht. Dann trat er hinter den anderen in die Wohnung - und blieb wie angewurzelt stehen.
Auch Rick, Dominik und Marti wirkten geschockt. 'Wohnung' war echt eine nette Umschreibung für das Loch, in dem Dennis wohnte. Es war ein 1-Zimmer Apartement mit einem kleinen Duschbad. Dass es sauber war, war noch das Beste, was man über die Wohnung sagen konnte. Im Zimmer standen ein Bett, ein Schrank und eine kleine Couch sowie eine Pantryküche. Alle Möbel hatten definitiv schon bessere Tage gesehen. Im Schrank fanden sich Spuren von Faustschlägen und auch das Bett wirkte leicht demoliert. Im Bad hatte sich der Schimmel ausgebreitet und verströmte einen leicht modrigen Geruch. Jetzt verstand Steven, warum Dennis sich so vehement gegen ihre Hilfe gewehrt hatte.
Bestürzt wandte Steven sich zu Dennis, der immer noch wie angewurzelt im Türrahmen stand. "Das ist alles, was du besitzt?", fragte er leise. Dennis nickte und sah zu Boden. Er schien sich regelrecht zu schämen. Rick war derweil in's Badezimmer gegangen. "Alter, was ist denn hier passiert?! Warum unternimmt keiner was gegen den Schimmel?", fragte er und steckte den Kopf aus der Tür. "Keine Ahnung. Der Vermieter hat gesagt, er kümmert sich, aber..." Hilflos zuckte Dennis die Schultern. "Die meisten Sachen sind nicht mehr hier, seit Lukas -" Seine Stimme brach.
Steven trat näher zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Ist schon in Ordnung. Willst du die Möbel mitnehmen?", fragte er beruhigend. Endlich sah Dennis auf. "Ich hab' ja sonst nichts. Und neue Möbel kann ich mir eh nicht leisten", erklärte er nickend. Plötzlich war Rick neben Steven. "Unsinn. Du kannst doch meine Möbel haben. Bis auf den Schreibtisch mit Computer und so brauche ich doch nichts mitnehmen", erklärte er. Dennis sah ihn zweifelnd an. "Das kann ich mir nicht leisten, Fabia- Rick. Danke, aber das ist zu viel!" Rick schüttelte den Kopf. "Hör doch mal endlich auf, so einen Mist zu labern! Betrachte die Sachen einfach als dauerhafte Leihgabe", sagte er bestimmt.

Steven war stolz auf seinen Freund. Mochte Rick auch noch so viele Ecken und Macken haben, er war einfach ein guter und loyaler Freund. Das wusste Steven schon seit ihrer gemeinsam Schulzeit und der Ausbildung. Liebevoll sah er Rick jetzt an.
"Also, was soll mit?", fragte Steven, vom Tatendrang seines Freundes angesteckt. "Nur die Klamotten aus dem Schrank und ein paar persönliche Sachen", antwortete Dennis und ging in's Badezimmer. Marti und Dominik nickten und machten sich daran, den Schrank auszuräumen. "Hast du irgendwo 'ne Tasche oder 'nen Karton?", fragte Steven und sah zu Dennis in's Bad. Der balancierte gerade auf der Toilette und  klaubte einen Bilderrahmen von einem hohen Regal. "Ja, unter dem Bett müsste meine alte Reisetasche sein", keuchte er. "Gefunden!", tönte es aus dem Schlafzimmer. Steven trat hinter Dennis und passte auf, dass dieser nicht von der Toilette fiel.

Rick PoV:
Rick war gerade dabei, die Reisetasche abzustauben, als sein Handy klingelte.
"Ja?"
"Hey, Rick, ich bin's, Felix. Ich steh unten. Macht mir jemand auf?"
"Bin schon unterwegs!"
Rick ging zu den anderen beiden in's Bad. "Felix ist da. Ich mach' ihm eben auf", erklärte er und verschwand im Hausflur.

Auf dem Weg zur Haustür dachte Rick über Dennis' vertrackte Situation nach. Er konnte Freundschaft und nette Gesten nicht so Recht zulassen. Wahrscheinlich weil er in den letzten Jahren und Monaten vor allen Dingen Arschlöchern begegnet war. Aber damit war jetzt Schluss, entschied Rick. Er und seine Freunde waren schließlich eine eingeschworene Gemeinschaft und halfen einander, wo sie nur konnten. Das beschränkte sich nicht nur auf Videodrehs, sondern galt natürlich auch für das echte Leben!
"Hey, Felix. Nett, dass du kommen konntest!", begrüßte er Felix, als er endlich die Haustür erreicht hat. "Keine Ursache. Aber sag mal, was ist das denn hier für ein Loch?" Rick zuckte die Achseln. "Siehste ja selbst. Deswegen wollen wir das so schnell wie möglich über die Bühne haben. Dennis soll endlich 'ne richtige Wohnung kriegen!", antwortete er.
"Wie meinst du das, richtige Wohnung?", wollte Felix wissen. "Wirst du schon sehen..."
Mit diesen Worten ging Rick Felix voran wieder nach oben. "Der Aufzug ist übrigens auch kaputt. Ist aber nicht schlimm, wir kriegen die Sachen locker mit einem Mal nach unten", erklärte Rick, als er sich zur Treppe wandte.

"Ach du scheiße!", machte Felix, als sie an der Wohnung ankamen. Marti und Dominik verstauten gerade die letzten Sachen in einem blauen Sack und Steven und Dennis waren an Stevens Handy beschäftigt. "Jap, das trifft's wohl", meinte Rick und ging zu Steven.
"Wir machen gerade einen Termin für den Sperrmüll", erklärte Steven. "Oh, fuck!", entfuhr es Dennis plötzlich. "Was ist?", fragte Rick und versuchte, einen Blick auf das Handy zu erhaschen. "Der nächste Termin ist Mitte Januar!", erklärte Dennis und wirkte sofort wieder verzweifelt. "Ich hab' da eine Idee...", murmelte Felix und griff seinerseits nach seinem Handy. Er wählte eine Nummer und ging dann zum Telefonieren auf den Hausflur.

"So, habt ihr alles?", ergriff Rick nun wieder die Initiative. "Ja", ertönte es aus dem Zimmer. Auch Dennis nickte. "Gut, dann Abmarsch", erklärte Rick und führte die kleine Gruppe aus der Wohnung. Felix legte gerade auf.
"Also, der Sperrmüll wird am Dienstag abgeholt", sagte er grinsend.
"Wie hast du das denn geschafft?", wollte Dennis mit großen Augen wissen. "Tja, freu dich nicht zu früh. Wir müssen den Shit vorher durch Halb Berlin transportieren." Dennis wurde sofort wieder eine Spur verzweifelter. Doch langsam ging Rick ein Licht auf. "Flo", machte er leise. Die anderen sahen ihn an. "Ganz Recht. Flo zieht um, und will alles, was ihn an Ina erinnert, loswerden. Deshalb hat er den Sperrmüll bestellt. Dort können wir deinen ganzen Scheiß hier morgen Abend dazupacken und dann musst du die Wohnung nur noch besenrein übergeben!", erklärte Felix und grinste wieder.

"Wow, das ist ja super!", rief Steven begeistert aus. "Siehst du, und schon hast du's geschafft", meinte er dann an Dennis gewandt. "Gut. Dann besorge ich uns für morgen einen Transporter für den ganzen Shit", sagte Felix und tippte schon wieder auf seinem Handy herum. "Und wir fragen mal 'rum, wer noch Zeit zum helfen hat", meinte Dominik und griff auch nach seinem Handy. "Klasse. Können wir dann jetzt gehen?", fragte Rick und trat unruhig von einem Bein auf's andere. Steven nickte. "Ja, bitte!"
Gemeinsam gingen sie nach unten, um Dennis' Kram endlich nach Hause zu bringen.

2 Boys 1 Love - zwei Frösche in der RealitätWo Geschichten leben. Entdecke jetzt